AfD-Politikerin hetzt gegen queeres Kinderbuch

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Riccardo Simonetti (28) co-moderierte am Sonntag den ZDF-Fernsehgarten zusammen mit Andrea Kiewel. Dazu trug er ein farbenfrohes Outfit und war geschminkt  48 Stunden später machte der 28-Jährige auf Instagram öffentlich, dass er nach der Sendung zahlreiche Morddrohungen erhielt. Diese seien sehr explizit und grausam gewesen und hätten sich an jeden einzelnen Schwulen gerichtet, so der Blogger und Moderator. Die AfD betreibt derweil Stimmungsmache gegen den Fürsprecher von LGBTIQ*-Rechten, dessen queeres Kinderbuch seit letztem Monat von einer großen Fast-Food-Kette verteilt wird.

Simonetti wurde als Blogger bekannt, arbeitete später als Model, Moderator und tritt immer wieder als Fürsprecher queerer Rechte auf. Im Februar 2021 wurde er sogar zum LGBTIQ*-Sonderbotschafter des EU-Parlaments berufen. Simonetti dürfte sich aus rechtspopulistisch-konservativer Sicht nicht nur des Vergehens schuldig gemacht haben, sich seinem eigenen Geschmack gemäß zu kleiden und zu schminken und so auch noch im Fernsehen aufzutreten – nein, er hat auch ein Kinderbuch geschrieben. In Raffi und sein pinkes Tutu wird Kindern beigebracht, Menschen zu akzeptieren, die anders sind als man selbst. Das Buch gibt es seit neuestem bei Fast-Food-Riese McDonalds im Happy Meal, gewählt werden kann zwischen verschiedenen Büchern.


AfD-Politikerin hetzt gegen „Genderwahn“ und „Homo-Propaganda“

Aufklärungsarbeit für tolerantere, kommende Generationen – das ist für konservative, rechtspopulistische Kräfte offensichtlich eine Bedrohung. AfD-Politikerin Dr. Christina Baum betrieb am Dienstag auf Facebook Stimmungsmache gegen Simonetti und queere Minderheiten. Sie postete ein Plakat mit ihrem Bild, auf dem sie ganz in Sinne von Putin und Orbán von „Homo-Propaganda“ sprach. In dem Post betonte sie, das Geschlecht sei eine biologische Tatsache, man müsse den „Genderwahn“ beenden und Kinder sollten frei von Indoktrination aufwachsen.

Dazu fügte Baum einen Artikel und Zitate der österreichischen Wochenzeitung Wochenblick ein. Der von der 65-jährigen Politikerin zitierte Redakteur wirft McDonalds vor, eine Umerziehungskampagne zu starten,

... bei der Kinder bereits in jungen Jahren im Sinne der Homo-Agenda indoktriniert werden.“

Dem Wochenblick werden immer wieder Verbindungen zur rechtspopulistischen, österreichischen Partei FPÖ nachgesagt, so soll die Zeitung von dieser mitfinanziert und mehrere Redakteure für FPÖ-Organisationen tätig gewesen sein. Beide Seiten dementierten bislang eine Verbindung. Die Zeitung ist in Österreich hoch umstritten, die Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands betitelte die Publikation als „Desinformationsprojekt am rechten Rand“. Dr. Christina Baum, die als enge Vertraute von Björn Höcke gilt, fiel bereits in der Vergangenheit regelmäßig durch an Volksverhetzung grenzende verbale Entgleisungen auf. 2018 wurde sie von Facebook wegen Hetze für einen Monat gesperrt. Diese Woche war sie wieder fleißig: Sie hetzte nicht nur – mal wieder – gegen Queers, nein sie bezeichnete CDU und FDP auch als „Huren“.

Baum spricht von „Diktatur der Minderheiten“

Zum Schluss ihres Postings schreibt Baum ergänzende Zeilen zu ihrer Grafik, um „Missverständnissen vorzubeugen“. Homosexualität habe es schon immer gegeben, sie würde einen relativ kleinen Teil der Gesellschaft betreffen, der „in Abweichung von der Norm“ lebt. Dies sei in Deutschland zum Glück individuell möglich, so die Zahnärztin. Eine äußerst aggressive und lautstarke Minderheit dieser Personen wolle jedoch ihre Lebensweise dominierend der Mehrheitsgesellschaft aufzwingen und würde dabei immer penetranter. Baum bezeichnete dies als „Diktatur der Minderheiten“, die sie nicht akzeptieren werde und nahm dann erneut Bezug auf Simonettis Kinderbuch. 

„Und Kinder schon ganz früh mit einer abweichenden Sexualität zu konfrontieren, bevor sie sich überhaupt für dieses Thema interessieren, stellt eine bewusste Manipulation zur Irritation der Kinder dar. Das schadet der körperlichen und seelischen Entwicklung von Kindern und mu[ss] unterbunden werden.“

Übrigens: Auch in Ungarn gab es letztes Jahr große Kontroversen wegen eines queeren Kinderbuchs. Regierungsoberhaupt Viktor Orbán stellte sich damals prompt auf die Seite der Homohasser und forderte „Lassen Sie unsere Kinder in Ruhe!“ (wir berichteten). Nicht einmal ein Jahr später trat das Gesetz in Kraft, das unter anderem Schulen die Aufklärungsarbeit zu queeren Themen untersagt. Baums AfD-Parteikolleg*innen im Europa-Parlament stimmten diesen Monat übrigens geschlossen gegen eine Resolution, die eben jenes Gesetz von Orbáns Regierung scharf verurteilte (wir berichteten). 


Morddrohungen gegen Simonetti – und gegen die Community?

Riccardo Simonetti fördert und fordert in seiner Arbeit immer wieder Toleranz für Minderheiten. Sei es in sozialen Medien oder in anderen Projekten wie seinem Kinderbuch Raffi und sein pinkes Tutu. Dass der Kampf gegen Diskriminierung noch lange, lange nicht vorbei ist, belegen die vielen Botschaften des Hasses, die der 28-Jährige nach seinem Auftritt im ZDF am Sonntag erhielt – darunter zahlreiche Morddrohungen. Simonetti sagt dazu:

„Leider ist das keine Seltenheit und eigentlich nur ein trauriges Armutszeugnis, mit dem man als geschminkter Mann heute auch noch leben muss.“

Aber er betont auch: Diese Nachrichten galten nicht ihm allein, kamen nicht von Menschen, die ihn persönlich oder seinen Kleidungsstil nicht ausstehen können – nein, all diese Nachrichten, so der Entertainer, seien mit homophoben Absichten geschrieben worden und hätten sich an die Community selbst gerichtet – an jeden einzelnen schwulen Mann in Deutschland.

„In jeder Nachricht ging es darum, dass Schwule generell vergast oder schlimmeres gehören. Die Details erspare ich euch.“

Der Blogger macht deutlich: Er hat fest vor, alle Verfasser dieser Nachrichten anzuzeigen. Das Internet sei kein rechtsfreier Raum, so Simonetti, folglich hätten alle Handlungen, die man dort unternehme, auch im wahren Leben Konsequenzen. Und zwar nicht nur Konsequenzen für ihn, der durch die Worte verletzt wurde, sondern auch die Konsequenz für den Verfasser – denn sie sind strafbar.

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