Das Vergnügen an der Verrohung ✠ Homonationalisten – ihre Ziele und Antriebe

by

Unser Gastautor Wolfgang Brosche mit einer Bestandsaufnahme des Rechtsrucks und seiner Ursachen. Warum stehen manche schwule Männer auf Führertypen, warum neigen einige Homosexuelle zu Ausgrenzung und Hass. Welchen Einfluss hat dabei sexuelles Verlangen?

Foto: Karl-Ludwig Poggemann/Flickr/CC BY 2.0

Homonationalisten und der „Wille zur Macht“

Im Jahr 2007 prägte die Queer-Theoretikerin Jasbir Puar den Begriff Homonationalismus. Er bezeichnet die Akzeptanz und die Übernahme heteronormativer, rassistischer, und klassistischer Denkweisen in den queeren Diskurs. In der Tat kann man homonationalistische Phänomene und Personen beobachten, die Teil sind des allgemeinen Abgleitens in den rechten Sumpf der Entsolidarisierung, des brutalen Sozialdarwinismus und des faulig schimmernden Nationalismus. Die Tendenzen der Verrohung machen nicht vor homosexuellen Menschen halt, deren Erfahrung der Differenz zur Mehrheitsgesellschaft sie eben nicht zwangsläufig einsichtiger macht. Der Wunsch zur Mehrheit zu gehören, die Norm zu sein und die Norm zu bestimmen, entspringt dem „Willen zur Macht“ über andere, der das skrupellose Ausnutzen und Verbrauchen von Mensch und Umwelt rechtfertigen soll; in dieser traurigen Tatsache unterscheiden sich homosexuelle Menschen in Nichts von Heterosexuellen.

Die angeblich neue Rechte ist die alte. Der lärmende Aufwand, den sie betreibt, um ihre Ansprüche, Antriebe und Ziele zu rechtfertigen oder zu verschleiern mag andere Formen haben als vor 85 Jahren, seine Stoßrichtung führt jedoch genau wie damals ins Antizivilisatorische nach unten. Tatsächlich bietet die Rechte – auch wie damals – keine wirklich politischen Ziele, nichts Konstruktives, keine Bewältigungsversuche der sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen Probleme der Gegenwart, sondern nur Destruktion: Zerstörung, Gewalt, gigantische Fresssucht und letztendlich todessehnsüchtige Vernichtung dessen, was die Rechten nicht verstehen, geschweige denn meistern können. Die neue wie die alte Rechte legen eine barbarische Dummheit und ein gewalttätiges Unvermögen an den Tag, dessen End-Ziel die Beseitigung der Gegner, der „Anderen“, die mörderische Lust, der Lust-Mord ist. Das Pauken-Getöse um angeblich alte Werte, Traditionen, Patriotismus und Nationalismus ist nur Tarnung. Es geht tatsächlich um das primitive „Wir oder sie“, eine Maxime, vor deren endgültiger Konsequenz ihre Vertreter immer weniger zurückschrecken.

Das werde ich an einigen Fallbeispielen von Homonationalisten zeigen.

Nöler, Opportunisten, Kleingeister

Fangen wir unten an: die meisten der Homonationalisten sind subalterne Nöler, Opportunisten, Mitläufer, egoistische Kleingeister und Kleinbürger; manche spült der Zufall für kurze Zeit an die Oberfläche. Dann steigt ihnen der kurzfristige Bekanntheitsgrad zu Kopf und sie präsentieren ihre Ressentiments mit entlarvender Plumpheit und Schambefreitheit. Immer wieder spie zum Beispiel Mirko Welsch, der sich Sprecher der Schwulengruppe in der AfD nannte, Beleidigungen und Frechheiten aus gegen Personen, die ihm nicht passten und über politische Gedanken, die er nicht zu begreifen in der Lage war. Mit einer Hand voll von Schlagwörtern (jawohl, „Schlag“wörtern, er benutzte sie wie derbe Knüppel um zuzuschlagen, zu verletzen) versuchte er den Gegner auszuschalten.

Sein vielleicht bekanntestes „Schlag“wort war die Beschimpfung von Volker Beck als „Krebsgeschwür“! Wer sich auf youtube die Rede anguckt, in der diese Beleidigung hinausgespieen wurde, dem fällt nicht nur der krakeelende Fanatismus auf, mit dem Welsch sie ausspuckt, sondern auch die unverhohlene Freude über Formulierung und Bedeutung, ein für Welsch`sche Sprachbegriffe verbaler, fast schweißtreibender Höhepunkt an Wut und Befriedigung. Man muss sich nämlich nicht nur das anschauen, was diese Leute sagen, sondern wie sie es sagen.

Ein aktuelles Beispiel für Aggression und Befriedigung ist übrigens die theatralische Rede, mit der Alice Weidel auf dem Kölner Parteitag der AfD ihr Führer-Amt antrat. Die ganze Inszenierung hat etwas abstoßend Sexuelles; hier wird nicht Politisches mehr zelebriert, sondern funkelnden Auges der verbale Ausbruch eines Lustgewinns, einer Luststeigerung. Die offene Drohung die „politische Korrektheit“ auf den „Müllhaufen der Geschichte“ zu befördern, ist die Ankündigung eines sadistischen Austobens an einem Wehrlosen, der beseitigt werden soll. Der aufschwellende Beifall der Menge machte deutlich, wie sehr man sich bei den neuen Rechten der AfD lustvoll delektiert an Vernichtungsphantasien.

Aber da sind wir schon bei exponierten Personen (Persönlichkeiten sind sie nicht) der Bewegung angelangt. Die Fußsoldaten wie Mirko Welsch gewinnen ihre Befriedigung auf niedrigerem Niveau. Von ihnen zujubelnden Massen können sie nur träumen. Sicher, sie sind aus den Keipenhinterzimmern und von den Stammtischen in eine gewisse Öffentlichkeit gelangt – das Internet gibt ihnen die Möglichkeit zu irrlichtern - aber ihre kurzfristigen Absonderungen dort, verpuffen sehr schnell; Parteitagsreden, wissen wir von früher, sind schon etwas anderes.

Natürlich gibt es unter den durch und durch sozialdarwinistischen Rechten keine Solidarität – Machtegoismen toben sich bei der AfD in den oberen Etagen rücksichtslos aus: Parteigründer Bernd Lucke wurde von Frauke Petry vertrieben, Frauke Petry von Alexander Gauland und Alice Weidel. Björn Höcke, den diese neuen Parteiführer zur Beschwichtigung mit Häppchen füttern, lauert schon darauf, Gauland und Weidel vom Thron zu kippen. Solchen internen und zwangsläufigen Machtkämpfen fiel auch Mirko Welsch zum Opfer; naja Opfer… höchstens in diesem Sinne: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füge gerne andren zu!“

Milo Yiannopoulos - Ein Glamourstar

Auf gewisse Weise kultivierter wirkend weil geistreicher und charmanter, realisierte Milo Yiannopoulos, ein in den USA lebender Engländer, diese Maxime, die ja eigentlich von tödlicher Plumpheit ist. Verschleiert mit einer Glamour-Strategie hat sie ihn immerhin bis in die Medienhöhen des Steve Bannon geführt, dem Ex-Präsidentenberater und Herausgeber des Hetzportals „Breitbart News“.

Foto: OFFICIAL LEWEB PHOTOS/CC BY 2.0/wikimedia

Yiannopoulos gelangte also in extreme Nähe zur Macht – wo er hoffte genauso einflussreich, brutal und rücksichtslos werden zu können wie die Machoelite der Heterosexuellen um Trump, die sich gebärden, als könnten sie sich unberechenbar alles herausnehmen und es dann als Willen der Massen verkaufen. In ihren Aspirationen sind leider homosexuelle Männer auch nicht anders als heterosexuelle. Der homosexuelle Milo hatte aber die Rechnung ohne den heterosexuellen Wirt gemacht – er kann sich eben doch nicht wie der unbestrafte Pussygrabscher Trump benehmen. Eine flapsige, sogar selbstironische Bemerkung über seine pubertären Sexerfahrungen mit einem Geistlichen, brach ihm das Genick. Seine bisher bestrickende Einstellung, der seine Fans huldigten:

„Ich bin schön, ich bin jung, ich bin reich – darum darf ich mehr als alle anderen, ja, ich darf alles!“, nutzte ihm nichts mehr, als er in den Geruch der Pädophilie gerückt wurde.

Dabei hatte er keineswegs die Pädophilie gerechtfertigt. Er wurde nicht für seine tatsächlichen Ansichten vom Hof mit Schimpf und Schande gejagt, denn seine rechten bisherigen Mitstreiter teilten die ja, sondern eben doch wegen seiner Homosexualität, die bei den Reaktionären nur zu gerne und mit voller Absicht mit Pädophilie gleichgesetzt wird. Das ist auch die Strategie der reaktionären „Demo für Alle“ in Deutschland, deren Ziel es ist, Homosexuelle wieder in die Schatten der Schmuddeligkeit und Kriminalität zu drängen in der Hoffnung anti-homosexuelle Gesetze wie in Rußland oder gar den Paragraphen 175 neu einzuführen.

Der Feind meines Feindes ist mein Freund

Das Thema Pädophilie benutzt ein deutscher Homonationalist für seine Zwecke geschickter - also clever, aber nicht intelligent - auch weniger glamourös und flamboyant als Milo Yiannopoulos, den er ohne Zweifel auch bewundert. Gleichzeitig wird er selbst wiederum blind verehrt von Figuren wie Mirko Welsch. In diesem Spannungsfeld von Chuzpe und Grobheit existiert David Berger. Er ist fanatischer in seiner Anbiederung an die Rechtsextremen und systematischer und versteht es auf der perfiden rechten Klaviatur zielgerichtet zu spielen, um sich so zwischen Unterwürfigkeit und Selbstbeweihräucherung einzuschmeicheln bei rechten Bewegungen und Personen, von denen er Achtung, Zuwendung, Akzeptanz und egozentrischen Nutzen erhofft.

Einen ersten Versuchsballon, der Homosexualität in die Nähe der Pädophilie rückte, startete er mit einer Kampagne, die posthum den Schriftsteller Felix Rexhausen denunzierte, aber recht eigentlich gegen die queer-community selbst gerichtet war, die sich dafür einsetzte, daß ein Platz in Köln nach Rexhausen benannt werden sollte. Der Versuch, den Ruf des Toten zu schädigen, brachte ihm Vertrauen ausgerechnet bei den rechtskatholischen Gruppen, von denen er sich angeblich distanziert hatte mit seinem Outing und seinem Buch „Der heilige Schein“. Inzwischen ist er bei diesen Leuten rehabilitiert – das scheinen Sinn und Zweck hinter der Rexhausen-Kampagne gewesen zu sein.

In schönstem Einklang mit der „Demo für Alle“, deren Führerin Hedwig von Beverfoerde ihn wohlwollend zitiert, kämpft und polemisiert Berger nun im nächsten Schritt seiner Bemächtigungsstrategie gegen „Gender“ und sogenannte „Frühsexualisierung“. Dass er von beidem nicht die geringste Ahnung hat, belegen seine inkompetenten Tiraden.

Sein Engagement folgt der Maxime „Der Feind meines Feindes ist mein Freund!“ Wer auch nur um den Hauch eines Gedankens abweicht von seinen rechten Phantasmen, gegen den wird unerbittlich gewütet und polemisiert. Allüberall sieht Berger seine Feinde lauern: Muslime, links-grün Versiffte, „unmännliche“ Homosexuelle, Genderforscher, Liberale, Sozialisten, CSD-Tunten, die AIDS-Hilfe, die er eliminieren will. Man darf keinen Gott neben ihm haben. Diese Rigorosität, unfähig und unwillig zur Differenzierung, dieses Freund-Feind-Denken, kommt allerdings aus dem vorpolitischen Raum, aus einer persönlichen Verfasstheit, die alle hier aufgezählten Personen antreibt.

Speziell bei Berger sind diese Antriebe aber nicht neu; leider waren zu viele, auch ich muss das zugeben, angetan davon, dass ein starrer Katholik aus dem inneren Zirkel religiöser Menschenverachtung das bestätigte, was wir schon immer vermutet hatten. Aber weder Outing noch Buch darf man als einen emanzipatorischen, geschweige denn solidarischen Akt missverstehen. Beides war als Vorausverteidigung und schließlich Angriff gegen seine innerkirchlichen Gegner gedacht, mit denen er zuvor wohlig um die Wette geheult hatte. Schon damals benahm sich Berger ebenso destruktiv wie heute.

Der liberale Theologe Herbert Vorgrimler, den Berger aufs Schärfste angegriffen hatte, charakterisierte ihn schon vor über zehn Jahren so:

„Sektiererische, selbsternannte Glaubenswächter leben abgeschottet von den Nöten und Fragen ihrer Mitmenschen in ihrer Sonderwelt (…) absolut humorlos, griesgrämig, bösartig, bis ins Knochenmark pessimistisch-“ – und Vorgrimler stellt die rhetorische Frage zu Berger und seinen damaligen Adepten: „sind das nicht Merkmale einer apokalyptischen Sekte?“

In seiner Kirchenzeit hatte sich Berger also zum theologischen Praeceptor aufschwingen wollen – nicht anders als heute, da er sich ohne Selbstironie zur „konservativen Elite“ rechnet. Damals warf er Gegnern sogar „Häresie“ vor, was zu Zeiten absolutistischer und inquisitorischer Kirchenmacht üble Folgen bis zu Folter und Todesstrafe haben konnte. Auch hier ist also die Stoßrichtung der Aggression ganz deutlich – es geht ins brutal Vorzivilisatorische, zurück vor die Aufklärung, es geht wirklich um den Willen zur absoluten Macht, um die Vernichtung der Gegner.

Dass sich also Berger jetzt, da ihm die offizielle Rückkehr in reaktionäre Kirchenkreise versagt bleibt, weil er es sich mit ihnen verscherzt hat, den Vertretern ähnlich rigiden und zynischen Denkens anbietet und anbiedert ist folgerichtig, nur dort kann er noch etwas werden. Alle paar Tage veröffentlicht er eitel Fotos von Gipfeltreffen z.B. mit Erika Steinbach, Akif Pirincci oder Beatrix von Storch. Und offenbar hat er Hoffnungen auf mehr als nur solche Tete-a-Tetes; seine plumpen Beifallsartikel für Trump, LePen und die AfD-Granden und sogar Jens Spahn, von denen er so tut, als erhoffe er von ihnen die „Erlösung“ des Vaterlandes vom Islam, von Gender, von Queeriban usw. – da ist er grimmiger Katholik geblieben – lassen traurige Ziele erahnen.

Bei Berger wird schon seit seinem kirchlichen Treiben deutlich worauf sein ganzes, nennen wir es mal „Engagement“ zur Verbreitung des eigenen Egos abzielt: auf Verdrängung und Ausschaltung derjenigen, die ihm im Wege stehen. Das ist bei allen Neo-Rechten so, ob homosexuell oder nicht. Einige bringen es, wie Mirko Welsch, nicht über den Schulhofbully hinaus; ich habe dazu schon die Diadochenkämpfe in der AfD erwähnt. Frau Petry sollte nach dem Kölner Parteitag wissen, was das Sprichwort:

„Heute noch auf hohen Rossen, morgen in die Brust geschossen“,

wirklich bedeutet - wobei die Schüsse von den AfD Intriganten eher auf den Rücken abgegeben werden.

Milo Yiannopoulos verwandelt seine skrupellose Selbstdarstellung raffiniert und rosstäuscherisch in eine Hollywood-Glitzershow, aber eher eine aus dem Pornobezirk – die Seufzer seiner Anhänger sind zumeist eben nicht politisch, sondern sexuell motiviert; er ist halt doch zu hübsch, als dass ihm viele widerstehen könnten und von seiner politischen Kaltschnäuzigkeit wirklich angeekelt wären. Sollte er aber das unmenschlich-oberflächliche Sex-Verfallsdatum überschritten haben, wird er endgültig weg sein vom Fenster.

So ein Fenstersturz kann David Berger, der 15 Jahre älter ist als Yiannopoulos, nicht so leicht passieren; die Attraktivität von Sektenführern ist nicht beschränkt auf Äußerlichkeiten. Dass aber auch hier – wie immer bei der Verehrung von Führerfiguren – bei seinen Anhängern Erotisches mitspielt, wird deutlich, wenn sie ihn auf seinem Blog „Philosophia Perennis“ mit Verehrung überschütten, ihn als hochintelligent und als Intellektuellen in den höchsten Tönen rühmen oder seine Kritiker mit Häme überschütten. Unterstellungen, ihr abendländischer Held sei wohl das vergebliche Ziel von sexuellen Wünschen seiner Opponenten, gehören zum Repertoire solcher Boshaftigkeiten, mit denen sie Kritiker zergen. Berger muss das gar nicht selbst machen – das erledigen seine Anhänger in vorauseilendem Gehorsam schon für ihn. Die Vermutung des Theologen Vorgrimler, bei Berger und seinen Trabanten handele es sich um eine Sekte, ist nun, da er den Bereich der Religion an der Oberfläche verlassen und scheinbar ins Politische gewechselt hat, noch treffsicherer. Und er versammelt um sich nicht bloß homonationalistische Adepten; alles Rechte kommt ihm zupass, so wirr, verschwörerisch und absurd es auch scheinen mag. Wenn es der Destruktion und der Entfachung von Ängsten und Hysterie dient, ist es willkommen.

Der Muskelbarbar

Dass vor allem auch sexuelle Wünsche und Träume die rechten Phantasmen nicht nur der Homonationalisten schüren, wird beim letzten Beispiel überdeutlich.

Während Berger noch auf verklemmte Weise dem Imago des strammen Arbeitsmannes mit ausrasiertem Nacken huldigt – gegen einen erotischen Privatgeschmack ist nichts einzuwenden, ihn aber zum einzig akzeptablen Schwulenbild und politischem Ideal zu erklären und alles andere zu beschimpfen und niederzumachen, stimmt dagegen bedenklich – stellt Jack Donovan wohl den ultimativen Typus des Homonationalisten dar. Wenngleich diese Bezeichnung schwach scheint, angesichts der totalen Destruktivität, die er nicht nur schreibend und redend an den Tag legt, sondern sogar physisch im eigenen Leben realisiert. Bei ihm gibt es keine Bigotterie, keinen Zynismus und keinen Opportunismus wie bei den anderen, sondern nur noch den grimmigen Ernst des Schlachters; ebenfalls ohne Selbstironie wie Berger, aber dafür mit granitener Härte und roidgezüchtetem Körperbau. Die Muskelhülle von Jack Donovan ist nur Oberfläche - es gibt bei ihm kein Innenleben, keine Gedanken, kein Denken mehr, sondern nur noch die Testosteron-Rohheit seines Körpers.

Foto: Zachary O. Ray - Own work, CC BY-SA 4.0, Wikimedia

Der amerikanische Maskulist, Frauenfeind und White Supremacist Jack Donovan träumt einen schwulen Traum: alle Männer müssten so wie er werden, vorzivilisatorische Muskelbarbaren, die miteinander – Frauen sind ausgeschlossen und höchstens zum Kinderkriegen da - in Horden leben, auf die Jagd gehen, aufeinander eindreschen wie in „Fight Club“, um sich als weiße Männer zu bestätigen, die mit Blut- und Jagdritualen ihre durch und durch phallische Gemeinsamkeit feiern, um so über Frauen, Kinder, Schwarze, Schwächere zu herrschen.

Foto: Verlag Antaios

Als tiefsten menschlichen Lebensantrieb sieht Donovan männliche Gewalt- und Mordrunst, an der man sich erfreuen solle, um so die weiblich-weibische Zivilisation zu zerstören. Die Schwulenbewegung hält er für einen Ableger des Feminismus. Seine Furcht vor „Feminisierung“ und Männlichkeitsverlust ist ebenso universell wie Bergers Furcht vor der Islamisierung. Eigentlich aber gleicht der Hypermacho Donovan in seinem radikalen Menschenhass den Kämpfern des IS, die er allerdings weniger als Bedrohung des sowieso weiblichen Abendlandes sieht, denn schlicht als feindliche Rotte, die bekämpft gehört. Ausschließlich das Recht des stärkeren Bizeps, der Ejakulation, die Gnadenlosigkeit der muskulösen Dummheit und der blutrünstigen Jagd, der Eroberungstrieb und die männliche Fresssucht sollen herrschen.

Das ist natürlich die geheimste Triebfeder von allem Faschismus, von Nationalismus, Patriotismus, absolutistischer Religion und existenziellem Menschenhass. Kein Wunder, daß amerikanische Nazis, Rassisten und Maskulisten Donovan zujubeln; europäische ebenso. Inzwischen versucht Götz Kubitschek, der Vordenker der deutschen Neo-Rechten, Donovan zu importieren. Er verlegte jüngst in seinem Antaios-Verlag, dem Sammelbecken der rechten Schreier und Pseudophilosophen von Akif Pirincci bis Marc Jongen (Björn Höcke schwebt dort immer über den Wassern und träumt ja auch von der Wiedererlangung verloren gegangener Männlichkeit; eine Dumme-Junge-Phantasie mit erotischen Untertönen) Donovans Machwerk „Der Weg der Männer“- eine einzige Verteidigungsschrift der Brutalität und Skrupellosigkeit. In einem auch auf youtube zugänglichen Vortrag – „Violence is Golden“, den Donovan im Februar auf Kubitscheks Rittergut Schnellroda, jenem heiligen Gral der Rechten vor Corpsstudenten hielt - breitet er seine faschistische Körperideologie aus.

Es fällt schwer Donovans Grausamkeiten zuzuhören – aber man muss es, um auch solche Typen wie Berger, Yiannopoulos oder Welsch zu durchschauen. Donovan erklärt, dass es in der gesamten Weltgeschichte und in allen Gesellschaften nur um ein männliches „Wir gegen die“ ging, um Gegnerschaft – und das Vernichten, Ausschalten, konsequent gedacht, das Morden und Aufessen der Gegner.

Seine erbarmungslose Entschlossenheit wirkt grotesk – selbst seine zum männlichen Grunzen trainierte Stimme beim erwähnten Vortrag scheint gleichsam erigiert. Dass er seine Absichten wenn irgend möglich verwirklichen möchte, daran ist nicht zu zweifeln. Erst diese Gewissheit bringt ihm ein Siegeslächeln ins Gesicht. Dieses Lächeln gleicht dem Lächeln aller anderen Homonationalisten und sowieso dem Grinsen, Grienen, Feixen und Lachen aller siegessicheren Rechtsradikalen und Neofaschisten. Sie träumen rücksichtslos verroht von der Zerschlagung, der Zerstörung, dem Auslöschen der Zivilisation.

Für sich übrigens hat Donovan diese seine Welt in Ansätzen realisiert: er lebt in einer neuheidnischen Wikingerkommune, in der man bei Fackelschein Tiere schlachtet und Faustkämpfe bis aufs Blut durchführt. Seinen Partner hat er nicht „geheiratet“, sondern sich ihm in einem grotesken Blutritual verbunden – darüber hat er sogar ein weiteres Buch geschrieben. Blut, Tätowierungen, Faustkämpfe – damit kriegt er seine für ihn weibliche Sexualität geregelt… Es ist als hätte hier eine seine pubertären Onaniephantasien, die ihm beim Lesen von William Burroughs „Wild Boys“ übermannten, in die Realität umgesetzt. Der Kultroman beschreibt das schwule Nomadenleben halbnackter Muskeljünglinge, die andere Stämme überfallen und niedermetzeln und die daraus vor allem sexuellen Genuss ziehen.

Manifeste der Grausamkeit

Diese Verbindung von sadistischer Grausamkeit, Todesgeilheit und sexueller Lust ist wohl der Kern des Faschismus (aber auch des Rechtskatholizismus) – es geht um eine Lust, die wohl nicht zufällig im französischen Begriff „Le petit mort“ anklingt. Die ultimative orgiastische, tödliche Lust, die Gewalt und Zerstörung bringt, übertrifft jeden rein sexuellen-körperlichen Orgasmus des Miteinanders.

Es geht im Letzten nicht um politische Ziele im Faschismus – es geht um die Befriedigung durchs totalitäre Herrschen; und Herrschen heißt: ultimativer Konsum der anderen, ihrer Gedanken, Gefühle und ihrer Körper. (Nicht zu vergessen: die ultimative Phantasie, das alles beherrschende Symbolbild des fundamentalen Katholizismus, dem ja auch Berger frönt, ist die extreme homosexuelle Sado-Maso Phantasie des nackten Gekreuzigten – ein Bild, das auch aus den „Wild Boys“ entnommen sein könnte.)

Klaus Theweleit hat den primitiv-orgiastischen Urgrund dieses Willens zur Macht – ob faschistisch oder religionsfanatisch, islamisch oder christlich - in seinem jüngsten Buch „Das Lächeln der Täter“ am Beispiel des Massenmörders Anders Breivik deutlich gemacht. Breiviks monströse Kompilation von Texten, die ihn rechtfertigen sollten, sein Manifest, ist nur Tarnung. Er schwafelt darin von bedrohtem Abendland, von den Muslimen und Schwarzen, die den Europäern und vor allem seinen Landsmännern die Frauen wegnehmen wollen, er räsoniert vom Verlust der Männlichkeit. Ein Topos der Rechten, der doch nichts anderes ist als männlicher Penisneid und eine Sehnsucht nach männlichem Körper und Selbstbestätigung in homosexuellem Sex, zu dem man sich aber nicht durchringen kann, weil man ihn als weiblich missachtet... wie man ja überhaupt die Frauen als mindere Wesen ansieht.

Die bereits erwähnten anderen Figuren des Homonationalismus von Welsch bis Berger sind auch mit Rechtfertigungsschriften beschäftigt: Welsch auf erbärmliche Weise mit Schimpftiraden in zahlreichen Facebookgruppen, Milo Yiannopoulos als plappernder Talkmaster in seinen Radio- und Fernsehsendungen, Berger in seinem Kompilationsblog „Philosophia Perennis“, auf dem noch so abgedriftete Verschwörungstheorien (Der jüdische Banker Soros wolle Europa zerstören – erinnert an unselige Zeiten; oder Hilary Clinton und Barack Obama hätten für den Rücktritt Papst Ratzingers gesorgt) als Belege für seinen Wahn vom Ende des Abendlandes herhalten.

Jack Donovan immerhin beschreibt mit seiner tätowierten Politgewalt- und Bodybuilding-Pornographie wie er sich die Welt nach diesem Untergang erträumt. Noch nicht einmal solch grausige Utopien haben Berger und Co. anzubieten, sondern nur Angst, Hetze, Bedrohungen und Untergangsschrecknisse.

Alles Rechtfertigungsschriften – die bei Breivik die Begründung und Entschuldigung seines Massenmordes liefern sollen: die Rettung des Abendlandes, bei der er sich selbst opfert und zum märtyrerhaften Mörder wird. – Tatsächlich verschafft ihm der angeblich heroische Massenmord die gleiche Befriedigung, die jeder Sexualmörder in seinen Taten zu finden hofft.

Wir haben ungeheuerliche Vorbilder für solche Rechtfertigungsschriften im 20. Jahrhundert zu lesen bekommen: Schlüsselwerke der kriminellen Unmenschlichkeit wie den „Untergang des Abendlandes“ von Oswald Spengler, das übelste antisemitische Machwerk „Die Protokolle der Weisen von Zion“ und natürlich Hitlers unerträglichen „Mein Kampf“. - Alles Vorbereitungs- und Verteidigungsschriften für lustvolle Verrohung, Raub, Krieg und Massenmord.

Den Nazis verschaffte es ja abstruseste Befriedigung, sich selbst als Märtyrermörder zu sehen, die vorgeblich für Volk und Vaterland Ungeheuerliches wagten. Himmler nannte während der Wannseekonferenz den millionenfachen Mord durch die SS in den KZs ein „Ruhmesblatt!“, gerade weil dieser Mord angeblich das Äußerste an Selbstüberwindung koste.

Aber Morden macht Spaß und wenn sich der Mörder dabei selbst als Opfer und Märtyrer einer höheren Aufgabe sieht, wird dieser Spaß um eine sadomasochistische Volte noch einmal gesteigert.

Das ist ja das letztendliche Ziel allen Patriotismus, Nationalismus, Populismus, Faschismus und was dergleichen an Extremen es noch gibt, die aber alle nur auf eben dieses eine Ziel hinauslaufen: Ich mach´s mit der Skrupellosigkeit des „Weil ich´s kann“ – weil ich in der Lage dazu bin, fähig und willens.

Klaus Theweleit erinnern Breiviks Manifest und seine Verteidigungsreden im Prozeß nicht von ungefähr an die brachiale Philosophie der faschistischen Protagonisten in Pasolinis de Sade-Verfilmung der „120 Tage von Sodom“. Diese „Herrenmenschen“ sind längst über das Stadium der Verteidigung ihrer Bemächtigung und Grausamkeit hinaus. Pasolini hatte das von de Sade nur skizzierte und nicht ausgeführte Werk aus dem vorrevolutionären Frankreich in die letzten Monate des faschistischen Italiens verlegt. „Wir Faschisten sind die wahren Anarchisten“, lässt der Regisseur diese Protagonisten sagen. „Wir dürfen alles…und wir tun es.“

Diese Haltung stinkt aus den Internetblogs, den Büchern, den Vorträgen all jener Rechtsradikalen, Neo- und Altfaschisten und Homonationalisten: SIE halten sich todernst und tödlich ernst für die Herren der Welt.

Theweleit hätte noch einen Schritt weitergehen und sich den „120 Tagen“ im Original aussetzen müssen. Da lassen vier ungeheuer reiche und einflussreiche Adlige Kinder und Jugendliche entführen, die ihnen als „Volk“ dienen sollen, die sie anbeten und verehren sollen und die ihnen zu Willen sein müssen. Sie versammeln also Adepten um sich, die sie nicht schonen und an denen sie ihre Destruktivität stillen. Natürlich dauert die Befriedigung immer nur kurze Zeit, es müssen immer grausamere Inszenierungen her – wie denn der Faschismus ja aus permanenten Inszenierungen besteht, die die Herrschenden kurzfristig befriedigen. Deshalb suchen auch die Homonationalisten sich permanent spreizend das Licht der Scheinwerfer.

Hinter einer hohen Mauer eingepfercht, wie sie Trump wohl zufriedenstellen könnte, haben die vier Herren bei de Sade Zugriff auf Körper und Geist ihrer Lustobjekte. Diese Objekte, denen Subjektivität und Individualität, sogar der Schmerz verweigert werden, müssen zu Beginn die Ausscheidungen der Herren widerspruchslos verspeisen – so wie uns die Neorechten mit ihrem Müll seit einigen Jahren füttern – den wir immerhin noch angeekelt ausspucken können – aber dann sind sie beleidigt und fühlen sich eingeengt in ihrem Recht Exkremente produzieren zu dürfen. Bei de Sade läuft es so: Sollte ein Objekt die Scheiße wieder erbrechen, sind die Herren zornig bis zur Raserei und quälen und erniedrigen ihre Opfer. Der nächste Schritt: sie foltern die Entführten und bringen sie im letzten Kapitel mit ausgeklügelter Grausamkeit um – reißen ihnen Arme und Beine ab, die Augen aus, schneiden ihnen die Leiber auf. Es kann sie nur noch der Tod, das Töten, sogar die Zerstörung der Organe der Toten delektieren…

Nur in einem Nebensatz erwähnt de Sade am Schluß, dass diese Opfer und was von ihnen übrig blieb, von den Herrschern gegessen wurden. Das kannibalische Fressen habe ich ja bereits zu Anfang genannt. - Es muß wohl diese Idee gewesen sein, die Pasolini zur Verfilmung angeregt hat: den Gipfel des Kapitalismus, dessen letzte Realisierung der Faschismus ist, stellt der Konsumismus dar, der skrupellose Konsum von allem. Von Kultur und Natur, von Leib und Leben der Menschen. Ein Konsum, der kurzfristig das Lächeln nach dem Orgasmus ins Gesicht drängt…ein allerdings seltenes und nie lange anhaltendes Vergnügen.

Übrigens sind Begriffe wie „Menschenmaterial, Staatsvolk, Christenvolk, Katholizismus (das heißt ja allumfassend) oder Leitkultur“ kaum verhohlene Vokabeln dieser Zerstörung jeder Vielfalt und Individualität und der Einverleibung des Individuums.

Deshalb also lächelt Breivik, deshalb lächelten die Faschisten von damals, deshalb lächeln sie schief und krumm die verniedlichend „rechtsextrem“ genannten Figuren, die seit einigen Jahren in Europa an die Macht wollen – es ist das schnell verhuschende Lächeln eines quälend herbei beschworenen gewaltigen und gewalttätigen Orgasmus. Es gibt bei ihnen keine Heiterkeit, es ist kein fröhliches Lächeln, sondern ein grimmiges und bösartiges.

Genauso lächeln auch die Homonationalisten – es geht ums Fressen, um den Genuss an der Zerstörung der Zivilisation, an der Verrohung – da unterscheiden sich auch die homosexuellen Exponenten nicht von den heterosexuellen.

Der Begriff Homonationalismus ist viel zu intellektuell, so als ginge es noch um politische wenn auch abseitige Ideen – aber die sind nur ein Vorwand für egoistische Grausamkeit, gepaart mit skrupelloser Dummheit. Die Homosexuellen, die dem Homonationalismus frönen, haben eigentlich das geheime Ziel, die innersten Wünsche nach Gleichheit, erreicht – nur ist es die am Ende selbstzerstörerische Gleichheit der Verrohung, der Grausamkeit, des Sadismus, der Barbarei.

Wolfgang Brosche ist Schriftsteller und Freier Hörfunk-und Fernsehjournalist u.a. für den WDR und DeutschlandfunkKultur. 2016 erschien sein Roman „Tödlicher Rosenkranz“, der sich mit dem Treiben der Rechtskatholiken und der „Demo für Alle“ beschäftigt. Auf seinem Blog „Gespräche über Pflaumenbäume“ und in seiner Kolumne bei „Die Kolumnisten“ schreibt er über gesellschaftspolitische, schwule und Kulturthemen.

Back to topbutton