NACHGEFRAGT: JENS SPAHN

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Foto: S. Baumann / www.baumannstephan.de

2005 wurde die damalige Bundesregierung vom Bundestag aufgefordert, eine Bestandsaufnahme der Lebenssituation schwuler und lesbischer Jugendlicher in Deutschland zu erstellen. Lange passierte nichts, nun wurde der CDU-Abgeordnete Jens Spahn tätig und erinnerte die Bundesregierung in einer Anfrage an das Thema. blu fragte bei dem heute 31-Jährigen nach und konnte feststellen, dass der Generationswechsel und die Öffnung für homosexuelle Themen auch in der CDU immer weiter voranschreitet. Zeichen dafür ist auch die Besetzung des Jungenbeirates durch die Bundesfamilienministerin mit einem homosexuellen Mitglied, der diese Woche das erste Mal tagt, wie uns Jens Spahn in seinen Antworten mitteilte. ck

HERR SPAHN, ES IST LEIDER SELTEN, DASS SICH EIN UNIONSPOLITIKER AKTIV IN DAS HOMOPOLITISCHE FELD BEGIBT. WAS WAR IHR PERSÖNLICHER GRUND, SICH NACH DER BESTANDSAUFNAHME DER LEBENSSITUATION SCHWULER UND LESBISCHER JUGENDLICHER DURCH DIE BUNDESREGIERUNG ZU ERKUNDIGEN?

Es ist kein klassisches CDU-Thema, das stimmt. Es ist aber doch gut, dass es immer mehr Politiker aus meiner Partei gibt, die erkennen, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Die gesellschaftliche Situation von Schwulen und Lesben aller Generationen hat sich in den letzten Jahren enorm verbessert, auf dem Land wie in der Stadt. Der größeren Offenheit in Gesellschaft und Familien muss und will auch die CDU Rechnung tragen.

WARUM ERFOLGTE IHRE ANFRAGE GENAU JETZT, ÜBER EIN HALBES JAHRZEHNT NACH DER URSPRÜNGLICHEN AUFFORDERUNG DES BUNDESTAGES AN DIE DAMALIGE BUNDESREGIERUNG?

Weil es trotz aller Fortschritte immer noch Probleme gibt. Zum Beispiel wissen wir eben immer noch zu wenig über die wirklichen Lebensumstände junger Schwulen und Lesben. Breit diskutiert werden etwa gewalttätige Übergriffe oder Fälle wie Amerell. Aber welche Perspektiven homosexuelle Jugendliche in ihrem konkreten Umfeld haben, da gibt es noch zu wenig Informationen. Der Bundestag war 2005 schon soweit. Es ist gut, dass die Regierung jetzt endlich der Aufforderung nachkommt.

IN IHRER ANTWORT SPRICHT DIE BUNDESREGIERUNG VON HINREICHENDEN INFORMATIONEN, DIE EINE ANGEMESSENE JUGENDPOLITISCHE BEWERTUNG" ERMÖGLICHE. WISSEN SIE, AUF WELCHE DATEN SICH DIE BUNDESREGIERUNG HIER STÜTZT UND WARUM DANN TROTZDEM SEIT 2005 KEINE BEWERTUNG ERFOLGT IST?

Offenbar stützte sich die Bundesregierung bisher auf Studien aus Niedersachsen, Berlin sowie einer, die von Lambda durchgeführt wurde. Laut einer Antwort der Bundesregierung aus dem Jahr 2007 wurde zum damaligen Zeitpunkt kein Handlungsbedarf gesehen obwohl die Studien da schon knapp zehn Jahre alt waren. Aufgrund meiner jetzigen Anfrage hat die Bundesregierung die Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben - nun werden wir sehen, ob man heute zu einer anderen Bewertung kommt. Soweit ich weiß, wurde bei der Besetzung des Jungenbeirats, den die Familienministerin einberufen hat und der in Kürze zu seiner ersten Sitzung zusammenkommt, darauf geachtet, dass einer der sechs Jugendlichen homosexuell ist. Es ist richtig, dass hier die Perspektive homosexueller Jugendlicher berücksichtigt wird.

WIE ZUFRIEDEN SIND SIE MIT DER ANKÜNDIGUNG BIS ZUM SPÄTSOMMER IMMERHIN EINE BELASTBARE MACHBARKEITSSTUDIE VORZULEGEN, DIE DANN EVENTUELL ÜBER DIE VORLIEGENDEN DATEN HINAUS GEHENDE EIGENE UNTERSUCHUNGEN DER SACHE DURCH DIE ZUSTÄNDIGEN MINISTERIEN RECHTFERTIGT?

Ich bin sehr zuversichtlich, dass es dann zeitnah eine Untersuchung geben wird und stehe diesbezüglich in Kontakt mit der zuständigen Familienministerin. Bevor die Studie in Auftrag gegeben werden kann, sind wohl noch regierungsinterne Abstimmungen nötig. Diese sind hoffentlich mit dem Ergebnis der Machbarkeitsstudie abgeschlossen.

INWIEWEIT IST IHNEN DIE HOMOPOLITIK AUCH IN ANDEREN BEREICHEN (STEUERRECHT, ADOPTION, DISKRIMINIERUNGSSCHUTZ) EIN ANLIEGEN, DASS SIE AKTIV VERFOLGEN UND BETREIBEN? WAS KÖNNEN WIR DA IN ZUKUNFT ERWARTEN?

Wir sind recht gut vorangekommen in den vergangenen Jahren finde ich. Auch CDU-geführte Landesregierungen wie beispielsweise im Saarland haben beamtenrechtliche Gleichstellungen umgesetzt. Die Koalition hat im Haushalt 2011 die Mittel für die Magnus-Hirschfeld-Stiftung bereitgestellt und im Koalitionsvertrag erklärt, dass sie die familien- und ehebezogenen Regelungen über Besoldung, Versorgung und Beihilfe im Beamtenrecht auf Lebenspartnerschaften übertragen wird. Durch die aktuelle Rechtssprechung wird der Druck noch erhöht, hier tätig zu werden. Entscheidend ist aber, dass mittlerweile alle Parteien im Bundestag wissen, dass auch in Homobeziehungen Werte gelebt werden und Verantwortung füreinander übernommen wird und das als unterstützenswert anerkennen. Wenn ich mir anschaue, wie sehr sich meine Partei hier in den vergangenen Jahren bewegt hat, blicke ich sehr optimistisch in die Zukunft.

WWW.JENS-SPAHN.DE

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