Im Vatikan nichts Neues: Von Päpsten, Schwulen und dem Antichristen

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Joseph Ratzinger (93) lebt seit seinem freiwilligen Verzicht auf das Pontifikat im Jahr 2013 zurückgezogen von der Öffentlichkeit im Vatikankloster Mater Ecclesiae. Augenscheinlich hindert ihn dies nicht daran, seine Meinung zum Weltgeschehen kundzutun. In einem Interview brach der emeritierte Papst nun eine Lanze für Homophobe und ätzte gegen die Gleichstellung der Ehe, Abtreibung und künstliche Befruchtung. 

Gestern erschien die Biographie Benedikt XVI.: Ein Leben, verfasst von Autor und Journalist Peter Seewald (65). Dieser soll den Papst im Ruhestand 2018 besucht haben, weitere Kontakte liefen über den Sonderbeauftragten Georg Gänswein. Das über 1000-seitige Werk endet mit einem Interview mit dem emeritierten Papst, betitelt: „Die letzten Fragen an Benedikt XVI.“. 

Foto: Flickr/CC BY-SA 2.0/Wikimedia

Darin stellt Ratzinger wieder einmal seine Einstellung zur Queercommunity deutlich zur Schau. So äußerte er sich bestürzt über die voranschreitende Toleranz gegenüber Homosexuellen in der Gesellschaft. Außerdem nimmt er Homophobe in Schutz – es sei absurd, dass diese von der Gesellschaft exkommuniziert würden. Der 93-Jährige zieht Verbindungen zur Zeit direkt vor seiner Geburt:

„Vor 100 Jahren hätte es jeder für absurd gehalten, von einer homosexuellen Ehe zu sprechen. Heute wird man von der Gesellschaft exkommuniziert, wenn man sich ihr widersetzt“.

Eine Erklärung der gesellschaftlichen Relevanz eines Vergleiches der heutigen Zeit mit der rückschrittigen Vergangenheit, in der Frauen ohne die Erlaubnis ihres Mannes nicht einmal arbeiten gehen durften, blieb der ehemalige Papst jedoch schuldig. Dafür wurde er nicht müde, moderne Errungenschaften von Medizin und Wissenschaft, darunter künstliche Befruchtung, zu verteufeln – im wahrsten Sinne des Wortes. 

„Die moderne Gesellschaft ist dabei, ein antichristliches Credo zu formulieren, dem sich zu widersetzen mit gesellschaftlicher Exkommunikation bestraft wird. Die Furcht vor dieser geistigen Macht des Antichristen ist dann nur allzu natürlich und sie braucht wirklich die Hilfe von Gebeten seitens einer ganzen Diözese und der Universalkirche, um ihr zu widerstehen“.


Papst Franziskus – Freund oder Feind? 

Foto: A. Waswani / CC0

Während seiner Dienstzeiten als Kardinal und Papst galt Joseph Ratzinger stets als erzkonservativ und queerfeindlich. So behauptete er, die gleichgeschlechtliche Ehe bedrohe die Menschenwürde zu gleichen Teilen wie die Zukunft der Menschen selbst. Sein Nachfolger Papst Franziskus (83) hingegen sendet überaus widersprüchliche Signale was seine Einstellung zu Queers betrifft.

In der Vergangenheit ging der Papst oft versöhnlich auf Mitglieder der Community zu und verglich schwulenfeindliche Politiker mit Adolf Hitler (wir berichteten) – womit er besonders auf Jair Bolsonaro, den homophoben Präsidenten Brasiliens, anspielte. Kritikern zufolge kämpft Franziskus jedoch nicht genug gegen die Dogmen der Kirche, sondern fügt sich in bestehende Strukturen.

Wie gut, dass Joseph Ratzinger noch da ist, um Papst Franziskus in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. 

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