Papst Franziskus beruft schwulen Berater in Missbrauchsgremium

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Papst Franziskus hat mit dem Chilenen Juan Carlos Cruz den ersten offen homosexuellen Mann in das vatikanische Kinderschutzgremium berufen. Cruz selbst überlebte den Missbrauch eines chilenischen Priesters und kämpft seitdem für Gerechtigkeit. Der Schritt ist besonders bedeutsam angesichts der Entscheidung der Glaubenskongregation in der letzten Woche, nach der die Kirche nicht befugt sei, homosexuellen Paaren den Segen zu erteilen. 

Erstmals schwules Missbrauchsopfer in Kommission

Die Päpstliche Kommission zum Schutz von Minderjährigen wurde 2013 von Papst Franziskus als Reaktion auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche eingerichtet. Die Kommission soll ihn beraten und Vorschläge dazu machen, wie die Kirche Minderjährige und gefährdete Menschen in all ihren Einrichtungen in Zukunft am besten schützen kann. Immer wieder betonte Franziskus, wie wichtig es ihm sei, Überlebende klerikalen Missbrauchs in dem Gremium zu haben.

Im Tagesbulletin des vatikanischen Presseamtes wurde am 24. März mitgeteilt, dass alle Mitglieder der Kommission im Amt bestätigt wurden – und dass mit Cruz ein neues Mitglied berufen wurde, dessen Mandat zunächst drei Jahre dauern soll. Damit hat Franziskus das erste offen homosexuelle Missbrauchsopfer zum Berater ernannt. Wieder einmal machte Franziskus damit seine Einstellung gegenüber der queeren Community deutlich – und dürfte sicher die eine oder andere Mauern des Vatikans zum Beben gebracht haben.

Auf Twitter reagierte Juan Carlos Cruz, der inzwischen in Philadelphia, USA, lebt und als Kommunikationsmanager für ein großes Unternehmen arbeitet, auf die Nachricht mit den Worten:

„Ich bin Papst Franziskus @Pontifex sehr dankbar, dass er mir mit dieser Ernennung sein Vertrauen gezeigt hat. Ich schätze das sehr. Das erneuert meine Verpflichtung, weiter daran zu arbeiten, die Geißel des Missbrauchs zu beenden und für so viele Überlebende zu kämpfen, die immer noch keine Gerechtigkeit haben.“


Papst glaubte ihm zuerst nicht

Die Entscheidung des Papstes darf auch als Eingeständnis und Wiedergutmachung eines eigenen Fehlers angesehen werden. Cruz musste jahrelang kämpfen, bis der Vatikan – einschließlich Papst Franziskus – ihm glaubte. Gemeinsam mit James Hamilton und Andrés Murillo, zwei anderen chilenischen Missbrauchsopfern, erhob er schwere Missbrauchsvorwürfe gegen den angesehenen chilenischen Priester Fernando Karadima. Der Fall sorgte international für Aufsehen, besonders, da die Führung der chilenischen Kirche die Vorwürfe immer wieder abschmetterte.

Foto: Martin Schulz / flickr.com / CC BY 2.0

Auch Franziskus wies die Anschuldigungen von Cruz und den anderen Überlebenden bei seinem Besuch in Chile im Jahr 2018 zunächst zurück. Die Hartnäckigkeit der Männer brachte ihn jedoch dazu, eine Untersuchung zu veranlassen. Er schickte Erzbischof Charles Scicluna und den Pfarrer Jordi Bertomeu nach Chile. Was sie zutage förderten, löste ein Beben in der Katholischen Kirche aus.

Der Papst berief daraufhin alle chilenischen Bischöfe – immerhin 34 – nach Rom. Nach einem dreitägigen Meeting boten alle Bischöfe ihren Rücktritt an – einige davon akzeptierte Franziskus seitdem. Außerdem lud er Cruz, Hamilton und Murillo in seine chilenische Residenz ein, entschuldigte sich bei ihnen und bat sie, auch in Zukunft weiter für die Überlebenden von klerikalem Missbrauch zu kämpfen.

Nach einem der Zusammentreffen im Jahr 2018 berichtete Cruz der spanischen Zeitung El País, der Papst habe zu ihm gesagt:

„Juan Carlos, dass du schwul bist, spielt keine Rolle. Gott hat dich so gemacht und liebt dich so und es ist mir egal. Der Papst liebt dich so. Du musst glücklich sein mit dem, was du bist.“


Kritik an Segensverweigerung für homosexuelle Paare

Besonders bedeutungsschwer wird die Entscheidung des Papstes angesichts der Tatsache, dass der Chilene immer wieder offen die Einstellung der Kirche gegenüber Homosexuellen kritisiert. Auch angesichts der jüngsten Entwicklungen in der katholischen Kirche kann man die Berufung von Cruz als deutliches Zeichen von Papst Franziskus verstehen. Vor zwei Wochen beantwortete die einflussreiche Glaubenskongregation im Vatikan die Frage nach der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit einem klaren 'Nein' (wir berichteten). Die Behörde schrieb in ihrer Stellungnahme, dass Gott zwar den „sündigen Menschen“ segne ...

„Aber er segnet nicht die Sünde und er kann sie nicht segnen.“

Cruz gehörte in der Folge zu den vielen Kritikern dieser Entscheidung. Er urteilte, dass die Führung der Kongregation nicht mehr in Kontakt mit der realen Welt stünde und Menschen verjagen würde, statt sie dem Glauben näher zu bringen. Er forderte einen Wechsel in der Führung der Vatikanbehörde. Vor diesem Hintergrund gewinnt seine Berufung durch Papst Franziskus in die Kommission eine noch größere Bedeutung.

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