Aufarbeitung: Versteckspiel im US-Militär kostete Menschenleben

by ,

Eine Untersuchung der Selbstmordsterblichkeit unter US-Veteranen ergab, dass die homophobe „Don‘t ask, don’t tell“-Politik im US-amerikanischen Militär massive Auswirkungen auf Soldat*innen hatte, die einer sexuellen Minderheit angehören. 

Ein am 28. Dezember auf JAMA Network Open veröffentlichter Bericht „Evaluation of Suicide Mortality Among Sexual Minority US Veterans From 2000 to 2017“ legt nahe, dass sich sexuelle Minderheiten häufiger das Leben nehmen als ihre heterosexuellen Kolleg*innen.

Anhand elektronischer Daten der Veterans Health Administration (VHA) untersuchten die Forscher*innen die Datensätze von mehr als 96.893 US-amerikanischen Veteranen, die einer sexuellen Minderheit angehören. Transgender-Veteranen wurden in die Untersuchung nicht einbezogen.

Dabei stellten die Forscher*innen fest, dass US-amerikanische Veteranen, die einer sexuellen Minderheit angehörten, eine signifikant höhere Selbstmordsterblichkeitsrate hatten als ihre heterosexuellen Kolleg*innen oder die allgemeine Bevölkerung.

Zwischen 2000 und 2017 waren 436 lesbische, schwule und bisexuelle Veteranen an Selbstmord gestorben, davon waren 346 Männer und 90 Frauen.  Allein im Jahr 2017 gingen 3,8 Prozent der Todesfälle unter LGB-Veteranen auf Selbstmord zurück, während die Selbstmordrate in der allgemeinen US-amerikanischen Bevölkerung nur bei 1,7 Prozent lag.

Ursachenanalyse: Versteckspiel schuld?

Einen Faktor für die signifikant höhere Selbstmordsterblichkeitsrate unter lesbischen, schwulen und bisexuellen Veteranen sehen die Forscher*innen in der Stigmatisierung, die mit der homophoben Militärpolitik „Don't Ask Don't Tell“ einherging. 

Foto: Marco Schulze (Leipzig-Seiten)/CC BY-SA 3.0 de

„Don't Ask Don't Tell“ trat 1994 in Kraft und erlaubte queeren Menschen nur dann, beim Militär zu dienen, wenn sie ihre sexuelle Orientierung verheimlichten.

„In den Aufzeichnungen über die Tausenden von Entlassungen, die stattgefunden haben, schilderten Soldat*innen, wie um sie herum eine erhöhte Kultur der Angst und Geheimhaltung entstand, weil [LGB]-Anschuldigungen zur Bestrafung von Rekruten verwendet wurden.“

Wie aus einem Bericht aus dem Jahr 2010 hervorgeht, führte die „Don‘t ask, don’t tell“-Politik dazu, dass viele Soldat*innen ihre sexuelle Orientierung vor den Ärzten versteckten mit der Folge, dass sexuell übertragbare Krankheiten vielfach nicht diagnostiziert wurden. Queere Soldat*innen und ihre Partner*innen blieben oft unbehandelt, außerdem erhielten lesbische, schwule und bisexuelle Patienten keinerlei Informationen über HIV oder andere sexuell übertragbare Krankheiten. 

Als weitere Ursachen sehen die Forscher*innen chronisch hohen Stress, einschließlich Depressionen, schlechte Gesundheit, Missbrauchserfahrungen in der Kindheit, Obdachlosigkeit und erlebte sexuelle Gewalt.

„Verschärfte Auswirkungen von Minoritätenstress können zu einem übermäßigen Selbstmordtod bei [LGB]-Veteranen führen“, schreiben die Forscher*innen. 

Foto: Deutscher Bundestag / Pascal Bastien

Weitere Untersuchungen notwendig

„Nach unserem Kenntnisstand haben keine Studien die Selbstmordsterblichkeit bei Veteranen auf der Grundlage des [LGB]-Status untersucht.“

Das möchte das Forscher-Team jetzt nachholen. In weiteren Untersuchungen soll nun festgestellt werden, ob und wie Selbstmordpräventionsbemühungen Veteranen sexueller Minderheiten erreichen.

Back to topbutton