Schwule Liebe in dunklen Zeiten

by

Der als Tagebuch eine schwulen Liebe in der Zeit des Nationalsozialismus erzählte Roman „Ich, Du und für immer wir“ von Sven Krüdenscheidt aus dem MAIN Verlag im ausführlichen Check.

Der vor kurzem im MAIN Verlag erschienene Roman von Sven Krüdenscheidt „Ich, Du und für immer wir“ hat mich wegen seines historischen Bezugs gleich interessiert. Auf dem Klappentext heißt es: „In einer dunklen Zeit, in der gleichgeschlechtliche Liebe den Tod bedeuten kann, sind Ferdinand und Georg einander verfallen. Ihre Suche nach dem Glück bringt sie an die Grenzen dessen, was ein Mensch ertragen kann.“ Der als Tagebuch von Georg erzählte Roman spielt mitten in der Zeit des Nationalsozialismus und damit in einem Kontext, der durch seine Besonderheit schnell tödliche Gefahr für eine schwule Beziehung bedeutet und der damit einerseits viel Potenzial für dramaturgischen Spannungsaufbau, andererseits aber auch eine größere Herausforderung für den Autor bedeutet, die persönliche Liebesgeschichte mit dem historischen Rahmen stimmig zu verbinden.

Vor einigen Jahren las ich den auf einer wahren Geschichte beruhenden Roman „Verdammt starke Liebe“ von Lutz van Dijk. Dieser Roman erzählt die Geschichte von dem polnischen Jungen Stefan und dem Wehrmachtsoldaten Willi, deren Begegnung eine Liebe auf den ersten Blick ist. Van Dijk gelingt es, obwohl er sicherlich kein großer Literat ist, die persönliche Geschichte der beiden Protagonisten in ihrer Zeit, in der eine solche Liebe absolut aussichtlos ist, spannend und kraftvoll zu erzählen. Nun war ich auf die von Sven Krüdenscheidt erzählte Geschichte, die in derselben Zeit angesiedelt ist, gespannt. Hier signalisieren allerdings schon der Titel, aber auch das auf dem Cover stehende Wort „Romance“, dass wohl letztlich ein glücklicher Verlauf für den Leser zu erwarten sein dürfte.

Der Roman von Krüdenscheidt ist deutlich umfangreicher als der von van Dijk: er erstreckt sich über knapp 250 Seiten. Und auf diesen Seiten wird dem Leser viel geboten. So gibt es, um nur mal einiges zu benennen: einen Feldmarschall als tyrannischen Vater, mehrfach Eifersuchtsgeschichten, Episoden bei der Wehrmacht, der Arbeitsfront und in einem Konzentrationslager, eine Kastration, einen Selbstmoderversuch, einen vollendeten Selbstmord, weitere blutige Todesfälle, unter ihnen auch Morde, den scheinbaren Tod der beiden Liebenden und deren Quasi-Wiederauferstehung und vieles, vieles mehr, was Krüdenscheidt auffährt, um den Leser in seine Geschichte zu involvieren.

Was einen beim Lesen dranbleiben lassen kann, ist hier tatsächlich die äußere Spannung, in der sich die Protagonisten bewegen. Man möchte wissen, wie es weitergeht, und wenn man dranbleibt, wird man mit vielen schnellen dramatischen Wendungen und Ereignissen belohnt. Diese kann man als spannend oder wegen ihrer hochgradigen Unwahrscheinlichkeit als hanebüchen erleben. Wie man sie wahrnimmt, wird auch davon abhängen, was für Erwartungen man an Sprache, Erzählstil und literarische Qualität mitbringt. Wenn man hier mit leichter Kost zufrieden ist und vor allem einen flüssig und eher anspruchslos lesbaren Roman mit viel schwuler Liebe und Dramatik sucht, kann es gut passen.

„... das macht die Lektüre etwas staksig.“

Ansonsten wird es schwieriger. Die literarische Qualität dieses Romans ist nämlich ziemlich schlicht. Krüdenscheidt muss, was er sagen möchte, attributiv benennen, er kann es nicht sprachlich gestalten und lebendig werden lassen: „Unsere Zungen waren auf erregende Weise miteinander verbunden … Ohne Eile und voller Leidenschaft erreichten wir unser Ziel.“ (S. 84 f.) Dass sich Emotionen auch anders darstellen ließen außer dass man sie als solche benennt, ist etwas, was in dem Roman leider kaum passiert. Das macht die Lektüre etwas staksig: „Georg hatte nach wie vor Schwierigkeiten wach zu bleiben. Das Erlebte schien ihn im Schlaf einzuholen. Ich konnte seine Erinnerung an das Schreckliche nicht auslöschen, konnte ihm nur zuhören und für ihn da sein. Meine gesamte Kraft und Energie steckte ich in seine Genesung“ (S. 180).

Vor allem aber: so wie Krüdenscheidt erzählt, bleibt der historische Rahmen leider komplett fassadenhafte Kulisse. Dass diese Geschichte wirklich zur Zeit des Nationalsozialismus spielt, ist für mich leider an keiner Stelle des Buches glaubwürdig geworden. Das Ganze wirkt wie ein mehr oder weniger spannendes Melodrama gepackt in ein paar Pappkulissen aus der Nazizeit. Ich persönlich finde das sehr schade, denn hier hätte man ungleich mehr aus der Verbindung von einem Kapitel düsterster deutscher Geschichte und lichtvoller schwuler Liebesgeschichte machen können. Wen das nicht stört, wer sich einfach in den Sog einer dramatisch stark zugespitzten schwulen Liebesromanze in historischer Einbettung begeben mag, für den könnte das Buch lesenswert sein. *Dr. Stefan Hölscher

Back to topbutton