Lutz van Dijk: Der Attentäter

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Foto: Bundesarchiv / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 /wikimedia.org

Lutz van Dijk hat mit der aktualisierten Neuherausgabe von „Der Attentäter“ ein spannendes Buch verfasst. Es ist die Geschichte von „Herschel Grynszpan“, der am 7. November 1938 den Botschaftsrat Ernst von Rath in der deutschen Botschaft in Paris anschoss, woraufhin dieser am 9. November verstarb.

Die Nazis nutzten seine Tat, um ein schon von langer Hand geplantes Pogrom gegen die Juden in Deutschland zu initiieren. Über 100 Juden wurden ermordet, 30.000 Juden wurden deportiert und in ganz Deutschland brannten Synagogen und jüdische Geschäfte und Einrichtungen. Die Ouvertüre zur späteren Vernichtung der Juden Europas. Van Dijk hat ein fiktives und historisches Buch geschrieben. Er beginnt damit, dass Grynszpan den Nationalsozialismus überlebte und seine Biographie aufschrieb. Fiktiv zeichnet van Dijk das Leben in einfühlsamen Worten nach, und bezieht die historischen Fakten ein. Der zunehmende Antisemitismus der 1930er Jahre, die Entrechtung der Juden und die Erfassung werden aus der Sicht des jugendlichen Herschels geschildert. Herschel flieht vor den Nazis und landet in Paris, eigentlich nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Palästina zur Rabbinerausbildung. Hier verkehrt er auch in Schwulenbars und begegnet dort dem deutschen Botschaftsrat. Jüdische Emigranten befinden sich in Frankreich einer rechtlich verzweifelten Situation. Diese Flüchtlinge will niemand haben. Dies schildert van Dijk mit viel Empathie in den Worten Herschels. Als er dann noch erfährt, dass seine Eltern des Morgens als polnische Juden ohne Hab und Gut von den Nazis aus Deutschland nach Polen abgeschoben werden, kauft er einen Revolver. Es kommt – mehr durch Zufall – zu einer Verzweiflungstat gegen eben jenen Botschaftsrat, den er zuvor schon begegnete.

Warum der schwule Hintergrund sich später als Glück erweisen sollte? Dazu muss dieses spannende Werk gelesen werden. Van Dijks Buch ist brandaktuell. Nehmen nicht Hass und Ausgrenzung von Minderheiten zu? Versuchen nicht gerade ebenso menschenfeindliche Gruppierungen vereinzelte Taten dazu zu benutzen, um Hass in die Gesellschaft zu tragen?

Ein wunderbares Buch, das überrascht, den Leser in den Bann zieht und zum Nachdenken anregt. *Bodo Niendel, Referent für Queeerpolitik der Bundestagsfraktion DIE LINKE und ehemaliges langjähriges Vorstandsmitglied des Berliner CSD e.V.

1.11., Buchpräsentation, Alte Synagoge, Edmund-Körner-Platz 1, Essen, 19 Uhr, www.lutzvandijk.co.za

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