Die Schöne und das Biest – aus Alt mach Neu?

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Die Neuverfilmung von Disney's Die Schöne und das Biest wird die Gemüter sicher bewegen. Manche werden sie hassen. Viele werden sie lieben. Ansehen sollte man sie sich in jedem Fall. Und das hat viele Gründe ...

Foto: Disney

Wann genau im Disney-Konzern das Memo herumgegangen ist, dass man in Zukunft aus ALLEM was einmal erfolgreich war ein Neuauflage machen muss, weiß wohl keiner so genau. Ob man das als Sequel/Prequel/Equal macht wie bei der STAR-WARS-Franchise, oder sozusagen als Spin-off wie bei Maleficent, als Realfilm-Neuinterpretation wie bei Cinderella oder Alice im Wunderland (wiederum mit eigenem Sequel!) oder als mit neuen Mitteln erzählte alte Geschichte wie beim Dschungelbuch – alte Stoffe sind zumindest an der Kinokasse eine relativ sichere Bank und für das Studio kein allzu großes Risiko.

Und während man an anderer Stelle (Frozen/Die Eiskönigin, Vaiana, Baymax, Zoomania) weiterhin originale – und durchaus originelle – Geschichten ins Kino bringt und die klassische junge Kernzielgruppe bedient, scheinen die Neuinterpretationen der alten Klassiker eher für Erwachsene bestimmt zu sein.

Genau so verhält es sich mit Disney's Die Schöne und das Biest, der am 16. März in die deutschen Kinos kommt. Hier war man im Haus der Maus allerdings besonders mutig, denn der originale Animationsfilm von 1991 ist ein unbestrittenes Meisterwerk. Er war der erste Zeichentrickfilm der für den Oscar als bester Film nominiert war und gilt allgemein als Höhepunkt der sogenannten Disney-Renaissance-Ära, die 1989 von Arielle, die Meerjungfrau eingeläutet wurde. Eine Neuverfilmung dieses Stoffes ist in jedem Falle ein absolute Gratwanderung. Was soll man an einem derartigen Klassiker noch verbessern oder verändern? Wie schafft man den Spagat auf der einen Seite alles zu erhalten was die Menschen an dem Film lieben und ihn gleichzeitig frisch und spannend zu halten? Zusätzlich gibt es das „Problem“, dass der originale Film nie so ganz aus den Köpfen der Menschen verschwunden war. Das auf dem Film basierende Broadway-Musical feierte 1994 Premiere und lief dort bis 2007 für insgesamt 5.461 Vorstellungen. 2002 gab es zur Veröffentlichung der „Platinum Edition“ auf DVD eine restaurierte und mit einem zusätzlichen Lied versehene Version, die sogar in einigen IMAX-Kinos zu sehen war.

Foto: Disney

Disney wagt sich an ein Heiligtum

Kurz: Hier wagt sich Disney an ein wahres Heiligtum. Die „Ketzerei!“-Rufe aus Teilen des Publikums kann man regelrecht schon im Vorfeld hören. Und es stimmt natürlich auch teilweise: Niemand – nicht einmal die göttliche Emma Thompson – singt das Titellied so schön wie Angela Lansbury. Es ist außerdem für einen neuen Film verdammt schwer, mit verklärten Kindheitserinnerungen mitzuhalten.

Die Überraschung ist, dass es die Realverfilmung tatsächlich schafft, zumindest über weite Strecken. So gibt es überraschend viel Neues in dieser Fassung. Auch wenn uns die Trailer hauptsächlich (und absichtlich) teils Einstellungs-identische Kopien des Originalfilms zeigten, enthält der neue Streifen doch eine Menge Material, das brandneu ist und bisher ungeahnte Einblicke in die Welt von Belle und ihre Geschichte liefert. Die Charaktere gewinnen – sowohl im übertragenen wie auch im wörtlichen Sinne – an Tiefe, es bleibt Zeit, einige der Hintergründe der Story auszuleuchten und sogar drei neue Lieder haben es in das Filmmusical geschafft.

Foto: Disney

Drei neue Songs ergänzen das Musical

Womit wir bei der Musik wären. Der Originalfilm gewann dafür zwei Oscars (bester Song und beste Filmmusik) und natürlich sind alle Lieder von 1991 auch in der Neuverfilmung vertreten. Die drei neuen wurden vom Original-Komponisten Alan Menken geschrieben, die Texte verfasste Tim Rice (Evita, Der König der Löwen). Die neuen Lieder sind beim ersten Hören vielleicht noch nicht ganz so eingängig wie diejenigen die man schon seit 25 Jahren kennt, aber vor allem die vom „Biest“ (Dan Stevens, Downton Abbey) gesungene Ballade „Evermore“ passt perfekt in die Geschichte und trägt viel zur emotionalen Bindung des Publikums mit diesem vielschichtigen Charakter bei.

Foto: Disney

Gesungen wird, wie das heute wohl in Filmmusicals (wie z. B. La La Land) üblich ist, eher zart, in zerbrechlichen Tönen und „natürlich“. Besonders die von Emma Watson verkörperte Hauptfigur Belle bedient sich dieser Stimmtechnik, was einerseits durchaus gewöhnungsbedürftg ist, hatte Paige O'Hara in der animierten Version noch deutlich kräftigere, teils von Barbra Streisand inspirierte Musical-Töne angeschlagen, andererseits aber der Glaubwürdigkeit zugute kommt, die ein Realfilm – viel mehr als ein Zeichentrickfilm – erzeugen muss.

Die Inszenierungen der einzelnen Gesangsnummern reichen vom klassischen Hollywood-Musical wie bei „Belle“, wo Horden von Tänzern und Statisten den großen Chor der Dorfgemeinschaft zum Leben erwecken, über fast 1:1-Übernahmen aus dem Animationsfilm bei „Be Our Guest“, wo nun eben die Computer die Animationsarbeit beim Tellerballett übernommen haben, bis zu internalisierten gefühlvollen Balladen wie dem bereits erwähnten „Evermore“. Bei den Liedern wird das Publikum sicher die größte Bandbreite an unterschiedlichen Emotionen empfinden. Bei den einen mag der Funke vielleicht nicht ganz überspringen, bei den anderen jagt sicher eine Gänsehaut die andere.

Foto: Disney

Ein wesentlich erwachsenerer Film

In jedem Fall schafft es der Film, die bekannte Geschichte zu vertiefen und an vielen Stellen plausibler und glaubhafter zu machen, was er auch muss. Gezeichnete Löcher in der Handlung fallen doch deutlich weniger auf als realverfilmte. Und der Film ist so natürlich wesentlich erwachsener als das Original, was sich unter anderem darin zeigt, dass es einen womöglich schwulen Charakter darin gibt. Das konnte man in den vergangenen Tagen jedenfalls der Presse entnehmen. Ob das wirklich so ist? Dazu mehr im zweiten Teil …

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