Ein Schritt Richtung Normalität?

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Foto: bjö

In der Corona-Pandemie wird derzeit große Hoffnung in die Entwicklung eines Corona-Impfstoffes gesetzt. Ein Gespräch mit Dr. med. Gaby Knecht vom Infektiologikum Frankfurt über die Aussichten.


Gaby, du hattest schon ein Corona-Impfung – wie kam es dazu?

In unserer Nachbarschaft ist die Studienfirma IKF, die eines der Studienzentren der Firma Biontech/Pfizer in Deutschland ist. Sie hatten Probanden gesucht, die ein hohes Ansteckungsrisiko haben, wie Ärzte, Krankenschwestern oder medizinisches Personal. Insofern habe ich an der Studie teilgenommen, aber auch andere Kollegen wie Alexander Bodtländer von der Praxis im Nordend war dabei. Die Rekrutierung von Probanden ist jetzt abgeschlossen.

Wie hast du die Impfung vertragen?

Im Gegensatz zu vielen anderen Studienteilnehmenden, die gemerkt haben, dass sie eine Impfung hatten oder zumindest eine Rötung an der Einstichstelle bekommen haben, habe ich gar nichts gespürt. Ich glaube, dass das bedeuten kann, dass ich in der Placebogruppe gelandet bin, also keinen Impfstoff bekommen habe. Die Studie wurde 50/50 aufgeteilt, das ist ein ganz normaler Vorgang. Insofern muss man warten, bis die Studie abgeschlossen ist, um zu erfahren, wer den Impfstoff bekommen hat und wer nicht. Das wird wohl Anfang nächsten Jahres sein.

Die Entwicklung des Impfstoffes ging jetzt doch relativ schnell – wie ist das möglich?

Biontech forscht primär für die Krebstherapie, sie haben da bereits mit Erbgut gearbeitet und ihre Forschung dann umgestellt. Es gibt von Biontech/Pfizer verschiedene Impfstoffe. Die Studie, an der ich teilgenommen habe, war für einen bereits weiterentwickelten Impfstoff, nicht für den, der momentan im sogenannten „Fast Track“-Verfahren in die Zulassung geht.

Für den neuen Impfstoff war das die Phase 3 der Studie. In den ersten beiden Phasen wurde bereits eine sehr hohe Wirksamkeit festgestellt. Im weiteren Verlauf gilt es nun zu erfahren, wie wir nach der Impfung Antikörper aufgebaut haben. Wie lange dieser Schutz hält, wissen wir alle nicht. Das werden wir erst erfahren, wenn die Studienteilnehmenden immer wieder Blut abgenommen bekommen haben. Das gilt im Übrigen auch für die später Geimpften, die kontinuierlich daraufhin untersucht werden.

Zu den Medikamentenstudien möchte ich ergänzen: Wir wären zum Beispiel in der HIV-Behandlung heute nicht da, wo wir sind, wenn es nicht viele HIV-Patienten gegeben hätte, die in den 80ern an Medikamentenstudien teilgenommen hätten. So sieht das heute auch mit den Impfstudien aus. Wir kommen in der Pandemie nur weiter, wenn Menschen sich für die Teilnahme an diesen Studien bereit erklären.

Bedeuten die Impfstoff-Erfolge das Ende der Corona-Pandemie?

Nein, auf keinen Fall. Denn man weiß noch nicht, wie lange die Antikörper aufgebaut werden. Es gibt ja viele Corona-Impfstoffe die derzeit in Studien in verschiedenen Phasen getestet werden. Das wird alles im nächsten Jahr auf uns zukommen. Aber bis alle geimpft sind, wird es noch lange dauern. Man wird wirklich schauen müssen, welcher Impfstoff im Verlauf länger Antikörper bildet, welcher besser verträglich ist und welcher im Handling am besten ist. Der Corona-Impfstoff der Firma Biontech/Pfizer zum Beispiel benötigt einen Minus-80-Grad-Kühlschrank zur Aufbewahrung. Den haben wir hier im Infektiologikum, für uns wäre es auch kein Problem, ein Impfzentrum im Hessen zu werden. Aber ein normal niedergelassener Arzt hat keinen solchen Kühlschrank. Der Aufbau der Impfzentren im kommenden Jahr wird eine große logistische Herausforderung werden.

Kannst du eine Prognose für den Einsatz des Impfstoffes geben?

Wir hoffen, dass die ersten Impfzentren im März oder April ihre Arbeit aufnehmen können. Flächendeckend wird der Impfstoff für alle, die ihn haben wollen, wohl erst im Spätsommer verfügbar sein. Das ist natürlich nur eine vage Prognose, da braucht es noch viel Koordination, auch in der Politik. Wichtig ist, dass wir zuerst die vulnerablen Menschen impfen, also zum Beispiel Menschen in Alters- und Pflegeheimen.

Wir müssen uns noch gedulden und weiterhin aufeinander aufpassen. Und wir müssen besonders auch auf die Menschen aufpassen, die zu der vulnerablen Gruppe gehören: Menschen mit schweren chronischen Krankheiten, die die Lunge betreffen oder diejenigen, deren Immunsystem geschwächt ist und die damit eine Risikogruppe darstellen.

Infektiologikum, Stresemannallee 3, Frankfurt, www.infektiologikum.de

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