Im Einsatz für Gleichberechtigung

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Neben den Ansprechpartnern für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bei der Polizei gibt es auch VelsPol, den Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter. Wie dieses Netzwerk sich engagiert und welche Hürden im (Bürokratie-) Alltag genommen werden müssen, erzählen Florian Meerheim, Peter Jüngling und Joschua Thuir im Interview.

Florian Meerheim ist Polizeioberkommissar und polizeilicher Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen in Westhessen (kurz „AgL“); er ist auch Sprecher der Gruppe der hessischen AgLs, zudem engagiert als zweiter Vorsitzender bei VelsPol Hessen. Peter Jüngling ist Vorsitzender von VelsPol Hessen und seit zwei Jahren pensionierter Polizist, Joschua Thuir ist Polizeiobermeister bei der Bundespolizei, sitzt im Beirat von VelsPol und engagiert sich aufgrund seiner eigenen Geschichte für die Themenbereiche Trans* und Inter* bei der Polizei.

Was macht VelsPol?

Florian Meerheim: VelsPol kann man am ehesten mit einer Gewerkschaft vergleichen. Wir sind dienstliche Ansprechpartner für Kollegen, die Probleme wegen ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität haben. Die Innen- und Außenwirkung von VelsPol und den AgLs gleicht sich in vielen Dingen.

Peter Jüngling: Erst nach der Abschaffung des Paragrafen 175 im Jahr 1994 konnten sich die ersten Kollegen öffentlich outen – vorher hätte man sich als schwuler Polizist strafbar gemacht. Natürlich wusste man in einigen Dienstgruppen schon Bescheid, aber eben nicht offiziell. 1995 haben sich dann bei einem Treffen im Waldschlösschen die ersten vier Landesgruppen gegründet, NRW und Hessen waren damals schon dabei. Heute gibt es VelsPol in rund 80 Prozent der Bundesländer. Wir sind bundesweit die einzige Organisation, die regelmäßig Seminare zum Thema anbietet. 2003 wurde bei einem Bundesseminar die Idee der Einführung von Ansprechpartnern erarbeitet und dem Innenministerium vorgelegt. Es hat dann bis 2010 gedauert, also sieben Jahre, bis es offizielle Ansprechpartner in Hessen gab.

Florian Meerheim: Vor den Ansprechpartnern gab es in Hessen aber auch schon einzelne Kollegen, die das Thema intern angestoßen hatten. Zum Beispiel der Kollege Kowalski, der als erster im Rahmen seiner Arbeit feststellte, dass viele Schwule Angst haben, Straftaten bei der Polizei anzuzeigen. Er selbst war nicht homosexuell, hat das Thema aber vorangetrieben: Wir müssen in die Szene gehen und nachfragen!

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„Ich hätte mich auch an VelsPol wenden können, wenn ich damals schon von diesem Verein gewusst hätte"

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Joschua, du hattest bei der Bundespolizei Schwierigkeiten, einen Ansprechpartner zu finden als du ihn brauchtest?

Joschua Thuir: Ja. Die Bundespolizei ist eine andere Behörde. Bundesweit gibt es dort nur sechs AgLs, die fast keiner kennt. Ehrlich gesagt wäre ich auch nie auf die Idee gekommen nach der Bezeichnung „Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweise“ zu suchen. Ich hätte mich auch an VelsPol wenden können, wenn ich damals schon von diesem Verein gewusst hätte. Selbst die Gleichstellungsbeauftragte kannte VelsPol nicht, sie konnte mich lediglich an den direktionsinternen AgL weiterleiten, der aber leider ebenfalls keine Kompetenzen für Trans*-Beratung besaß und auch nicht wusste, wohin er mich in Hessen weiterleiten sollte. Er gab mir jedoch die Kontaktdaten eines Berliner Bundespolizei-Kollegen und AgLs namens Joshua Bohling, welcher selbst Transmann ist, für all meine Sorgen Verständnis hatte und sich die Zeit für kompetente Beratung nahm. Auch außerhalb der Dienstzeiten.

Wie kann es sein, dass eine Gleichstellungsbeauftragte nichts davon weiß?

Florian Meerheim: Da muss ich die Kollegen in Schutz nehmen: Man kann nicht alle Verordnungen und Rahmenkonzeptionen kennen. In einer Behörde wie in anderen Unternehmen auch brauchen Neuerungen manchmal etwas länger, bis sie sich herumgesprochen haben. Aber wir sind auf einem guten Weg. Wir versuchen als VelsPol innerhalb der Community für uns zu werben, und als Ansprechpartner versuchen wir auch in die Behörden zu gehen. Zum einen, damit wir als AgLs bei entsprechenden Fällen hinzugezogen werden, oder dass uns zumindest Straftaten gegen Homosexuelle oder Trans*-Menschen gemeldet werden. Beim Frankfurter CSD sind wir immer mit einem großen Wagen auf der Infostraße präsent, das organisieren die Frankfurter Kollegen ja immer ganz vorbildlich. Da ergeben sich immer zig Gespräche, unter anderem auch mit Kollegen.

Joschua, was genau bereitete dir als Transmann bei der Polizei Sorgen?

Joschua Thuir: Ich erfuhr von der Polizeidienstverordnung 300, welche die gesundheitlichen Voraussetzungen für Polizeibedienstete beinhaltet. Sie stuft Transmänner und Transfrauen indirekt als polizeidienstuntauglich ein. Zum einen weil Transidentität in Deutschland immer noch als psychische Erkrankung klassifiziert wird, zum anderen weil „Mann“ laut PDV300 mindestens einen funktionierenden Hoden benötigt. Ein transgeschlechtlicher Bewerber ist aufgrund dessen bei der ärztlichen Überprüfung im Einstellungsauswahlverfahren ausgeschieden und klagte dagegen. Erfolglos. Die Voraussetzungen müssen aber nicht nur zur Einstellung, sondern auch zur Verbeamtung auf Lebenszeit erfüllt werden. Als ich davon las, brach für mich die Welt zusammen. Ich wollte meinen Beruf nicht verlieren, also blieb mir bis zur Beendigung meiner Probezeit quasi nichts anderes übrig, als in Drag zur Arbeit zu gehen. Ich bin fünf Jahre lang als Frau zum Dienst gegangen, obwohl ich wusste, dass ich keine bin. Mittlerweile haben vereinzelte Landespolizeibehörden wie die in NRW oder Berlin Transmänner zur Ausbildung zugelassen, jedoch bleibt es ohne Änderung der PDV300 im Ermessen der prüfenden Ärzte, von diesem Ausschlusskriterium Gebrauch zu machen.

Ist die Sensibilisierung für das Thema sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität eigentlich Teil der polizeilichen Ausbildung?

Peter Jüngling: Müsste es sein, ist es aber leider nicht. Das Thema „Diversity“ in die Bereitschaftspolizei und in die Hochschulausbildung zu bekommen war eine unserer Forderungen, die wir als VelsPol für den hessischen Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt hatten. Wir hatten eine Reihe von Forderungen, die aber alle abgelehnt wurden. Und nicht nur das, was Geld kostet. Es wurde alles abgelehnt.

Woran liegt das?

Peter Jüngling: Sagen wir es mal so: Ich denke, mit einer anderen Regierung hätten wir es vermutlich etwas leichter gehabt. Die Ministerien sind bürokratische Instanzen, und die setzen die Richtlinien ihrer Regierung um. Das geht aber auch nicht anders, das muss man der Ehrlichkeit halber sagen.

Joschua Thuir: Auch bei der Bundespolizei sind queere Sachverhalte weder im Aus- noch Fortbildungsprogram enthalten, obwohl das Leitbild etwas anderes vermuten lässt. Als Vertrauensperson in der Gewerkschaft der Polizei habe ich bei einer Personalsitzung die Idee eingebracht, die Charta der Vielfalt zu unterzeichnen, um auf diesem Weg eine andere Grundlage für Fortbildungsmaßnahmen zu schaffen. Der Vorstand hat darauf sehr positiv reagiert und die Idee wurde einstimmig an die Bundesebene weitergeleitet. Im Frühling soll nun darüber entschieden werden.

Peter Jüngling: Wir sind in Hessen im Vergleich mit einigen anderen Bundesländern schon sehr weit gekommen, aber es muss immer noch einiges passieren!

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Grafik: VelsPol Hessen

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An welchen Projekten arbeitet ihr derzeit noch?

Joschua Thuir: Beim VelsPol-Bundesseminar im Sommer 2017 durfte ich einen Vortrag darüber halten, wie man rechtlich sicher mit transgeschlechtlichen Personen in polizeilichen Maßnahmen umgeht, ohne Persönlichkeitsrechte und Intimsphäre zu verletzen. Bei diesem Seminar konnte ich auch den neuen Ergänzungsausweis für transgeschlechtliche und intergeschlechtliche Personen von der dgti (Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität) den anderen Vereinen vorstellen. In Kooperation mit VelsPol Bayern arbeiten wir gerade daran, diesen Ergänzungsausweis im deutschlandweiten Dokumenteninformationssystem der Polizei zu ergänzen. Dies würde den Bekanntheitskreis um einiges erweitern, da neue Dokumente in der Regel im Newsfeed erscheinen und erläutert werden. Damit wollen wir Unsicherheiten im Umgang mit Personen, die diesen noch sehr unbekannten Ergänzungsausweis vorlegen, entgegenwirken. Des Weiteren wurde ich dienstlich nach Berlin abgeordnet um mit dem AgL Joshua Bohling eine Schulung zum sicheren Umgang mit trans- und intergeschlechtlichen Passagieren in der Luftsicherheitskontrolle auszuarbeiten. Diese Sensibilisierungsmaßnahme klärt über die rechtliche Einordnung der unterschiedlichen Geschlechter auf, auch wenn die Personenstandsänderung beispielsweise noch nicht erfolgte und im Pass etwas anderes steht, als die Person von sich behauptet. Diese Schulung wird von Herrn Bohling in Berlin bereits durchgeführt und wird demnächst hoffentlich auch in die Fortbildung der privaten Sicherheitsfirmen am Flughafen Frankfurt am Main implementiert. Damit soll die ohnehin unangenehme Kontrollsituation für trans- und nicht-binäre Passagiere so diskret wie möglich erfolgen. Wohlbemerkt handelt es sich hierbei um keine Fortbildung für Polizeibedienstete welche im Zweifel zu solchen Sachverhalten hinzugezogen werden.

Foto: bjö

In Hamburg durften die VelsPol-Mitglieder sogar in Uniform an der CSD-Parade teilnehmen ...

Joschua Thuir: Es gibt eigentlich ein Uniformtrageverbot, das besagt, dass man in Uniform nicht an Demonstrationen teilnehmen darf, weder als Bundespolizist noch als Landespolizist. Der Polizeipräsident in Hamburg hatte für den CSD eine Sondergenehmigung ausgesprochen. Die einzelnen Polizeibehörden der Länder und des Bundes mussten dann noch angefragt werden, ob die Bediensteten Uniform tragen dürfen. Viele konnten also in Uniform teilnehmen.

Florian Meerheim: Natürlich galt das unter Auflagen, also unbewaffnet, keine Sonnenbrillen und kein Partygehabe, sondern wirklich sehr gradlinig ...

Joschua Thuir: Corny Littmann wurde beim Bundesseminar in Hamburg mit dem VelsPol-Preis für sein Engagement für die LGBTIQ-Community ausgezeichnet. In seiner Dankesrede erwähnte er, dass es vielleicht ein positives Zeichen wäre, wenn die engagierten Polizeibediensteten auch mal die Gelegenheit bekämen, beim CSD offiziell in Dienstuniform mitzulaufen.

Peter Jüngling: Ich bin da geteilter Meinung, immerhin handelt es sich beim CSD um eine Demonstration. Wir haben für diese Zwecke auch T-Shirts mit unserem Logo drauf. Offizielle Veranstaltungen beim CSD, wie ein Empfang beim regierenden Bürgermeister oder so, das macht man natürlich in Uniform, aber bei der Demonstration ist das etwas anderes ...

Joschua Thuir: Für mich war der Hamburger CSD revolutionär! Insbesondere wenn man die Geschichte des CSD bedenkt, immerhin war eine Razzia in einer queeren Szenelokalität und die damit einhergegangene willkürliche Polizeigewalt gegen homosexuelle, transidente und schwarze Menschen der Auslöser der Aufstände in der Christopher Street. Auch in Zusammenhang mit Corny Littmann und dessen „Spiegel-Affäre" ist das ein positives Zeichen. (Im Jahr 1980 hatte Corny Littmann einen Observierungsspiegel der Polizei in einer öffentlichen Toilette zerschlagen und dafür gesorgt, dass diese damals in Hamburg üblichen Obervierunsspiegel abgeschafft wurden, Anm.d.Red.). In Polizeiuniform an der CSD-Demo teilzunehmen ist ein Statement; die Polizei arbeitet für die Einhaltung der Menschenrechte in der Szene und nicht mehr gegen sie!

Kontakt zu VelsPol über www.velspol-hessen.de

Infos zu den Ansprechpartnern für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bei der Polizei www.polizei.hessen.de/rainbow

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