Mein Outing war die beste Entscheidung

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Foto: privat

Der Wahl-Frankfurter Ermir Blum hat Ende vergangenen Jahres am Mr Gay Germany Contest teilgenommen; obwohl er „nur“ den dritten Platz belegte, möchte er seine zum Contest gestartete, sehr persönliche Coming-Out-Kampagne #pinksheep weiterführen. Was dahinter steckt hat der 23-jährige im Interview erzählt.

Herzlichen Glückwunsch zum dritten Platz beim Mr Gay Germany 2018-Contest! Deine Community-Kampagne #pinksheep beschäftigt sich mit Coming Out. Dein eigenes Outing verlief gar nicht so glücklich ...

Nein, es ist echt nicht gut gelaufen.

Die Kampagne hieß vorher übrigens #theblacksheepofthefamily, aber weil mir das zu negativ war, habe ich es in #pinksheep geändert. Meine Erlebnisse waren negativ, keine Frage, aber man möchte sich ja eher mit etwas Positivem identifizieren. Und wenn man offen ist und an sich gearbeitet hat, ist man einfach ein pinkes Schaf in einer großen Herde pinkfarbener Schafe.

Bevor ich mich geoutet habe war ich gefühlt eher ein schwarzes Schaf, weil ich immer anders als die anderen war. Bis dieser Tag kam …

Was ist passiert?

Ich habe mit 20 Jahren meine erste große Liebe kennengelernt, man ist euphorisch und möchte die Freude auch gerne teilen. In meinem Freundeskreis ging das gut. Als ich irgendwann bei meinem Freund übernachtet hatte, wollte meine Mutter am nächsten Tag wissen, wo ich war. Ich habe gesagt, ich sei bei einem Kumpel gewesen, aber meine Mutter hat mir das nicht geglaubt und weiter gefragt. Sie meinte, du kannst mir alles erzählen, ich bin deine Mutter und liebe dich. Und ich dachte, jetzt kann ich’s ihr sagen, und habe die berühmten vier Worte ausgesprochen: Mama, ich bin schwul.

Und dann ist meine Mutter total ausgeflippt, das glaubt man gar nicht. Sie hat mich angeschrien, die Halskette, die ich ihr zum Muttertag geschenkt habe und die sie immer getragen hat, abgerissen und mir hinterhergeworfen. Sie hat gesagt: Ich hoffe du stirbst, es wäre leichter zu verkraften und auch anderen gegenüber leichter zu erklären, als dass mein Sohn schwul ist.

Das hat mich sehr schockiert und gekränkt …

Hat sich deine Mutter nicht beruhigt?

In der ersten Zeit nicht. Ich war dann sehr down, habe meine Sachen gepackt und bin zu meinem damaligen Freund gezogen. Meine Familie hat mich regelrecht gestalkt, Terroranrufe an meiner Arbeitsstelle gestartet, und das wurde alles so krass, dass ich mir einen Anwalt nehmen wollte.

Aber ich hatte ja meine Freunde. Im Mai 2016 hat die Mutter meiner besten Freundin mir angeboten, mich zu adoptieren. Wir hatten schon immer ein sehr gutes Verhältnis und somit habe ich das gemacht. Seitdem heiße ich Blum mit Nachnamen.

Im vorletzten Jahr, also drei Jahre später, stand meine Mutter dann plötzlich vor meiner Haustür. Sie ist fast zusammengebrochen, hat sich entschuldigt und gesagt, sie könne es jetzt akzeptieren. Das ging ein paar Monate ganz gut, bis ich mich zum Mister Gay Contest anmelden wollte und mit meiner Kampagne anderen Jungs, die in ähnlicher Situation waren, helfen wollte. Ich will Mut geben, so dass andere auch ihre Geschichte erzählen, damit sie merken, dass sie nicht alleine auf der Welt sind.

Allerdings fing der Stress mit meiner Familie dann wieder an und ich habe den Kontakt erneut abgebrochen.

Foto: Mirko Plengemeyer

Trotz deiner schlechten Erfahrung mit deinem Outing bereust du deinen Schritt nicht?

Nein. Meine Message ist: Nach dem Outing lebt es sich viel freier, viel glücklicher, viel entspannter. Erst dann lernt man sich selbst richtig kennen. Vorher verstellt man sich vor anderen und meint nur, dass das man selber sei.

Diese Gefühle hattest du auch?

Ja, das hatte ich. Und jetzt weiß ich, wer ich wirklich bin und bin sehr dankbar dafür. Und ich finde es schön, ein pinkes Schaf zu sein. Und ich möchte anderen auch zeigen, dass es schön ist, ein pinkes Schaf zu sein! Und man ist froh, wenn man sieht, wie groß die Herde pinkfarbener Schafe ist, die sich alle irgendwie unterstützen, auf die ein oder andere Weise.

Du lebst jetzt in Frankfurt

Ja. In meiner alten Heimat war ich irgendwann zu unglücklich, wegen der familiären Situation und dann habe ich mich auch noch von meinem damaligen Freund getrennt. Das wurde mir alles zu viel und ich wollte einfach einen Neustart wagen. Ich hatte eine Ausbildung bei einer Bank gemacht, und der Karrieresprung nach Frankfurt war dann auch ein bisschen ausschlaggebend ...

Wie bist du zum Mr Gay Germany Contest gekommen?

Ehrlich gesagt kannte ich den Contest gar nicht, Freunde haben mich darauf aufmerksam gemacht. Ich dachte, es sei ein Schönheitswettbewerb, und dazu hatte ich keine Lust. Ein Freund hat mich dann drauf aufmerksam gemacht, dass es beim Mr Gay Germany Contest immer auch um die Person und die eigene Story geht.

Meine Freunde haben mich aber immer weiter bearbeitet, und dann habe ich mich schließlich selbst angemeldet. Eigentlich war das alles nicht so mein Fall, weil ich ziemlich schüchtern bin.

Hat dich die Teilnahme am Contest verändert?

Oh ja! Der Contest hat mich selbstbewusster gemacht. Ich musste mich dort präsentieren. Vor einer Gruppe frei zu sprechen, kannte ich bis dahin nur aus der Schule, aber vor so einer großen Menge Leute hatte ich vorher noch nie gesprochen. Aber da lernt man sich selbst eben auch besser kennen. Und wenn man zugejubelt bekommt und Feedback in den sozialen Medien erhält, denkt man, na, ich kann ja nicht völlig uninteressant sein ....

Leider hast du nicht gewonnen …

Ja, leider …

… bist aber dritter geworden. Deine Kampagne möchtest du trotzdem fortführen und junge Menschen beim Coming Out zu unterstützen?

Ja, ich schaue gerade, mit wem ich zusammenarbeiten möchte. Ich habe beim Contest viele Leute kenne gelernt. Mit der Kampagne möchte ich andere dazu bringen, ihre Geschichte zu erzählen, egal ob positiv oder negativ. Es ist einfach schön, wenn man so viele Geschichten liest. Man kann schreiben, oder ein Video machen, egal, Hauptsache man sagt, ich bin ein pinkes Schaf!

Foto: privat

Das erstaunliche ist, dass der Kampf mit dem eigenen Coming Out sich trotz der gesellschaftlichen Veränderungen, nicht sehr ändert, das muss jeder selber durchmachen, diesen inneren Kampf.

Ich musste erst zu mir finden, und dann hatte ich eine ganze Menge Freunde, die mich so genommen haben wie ich bin und die hinter mir stehen. Da konnte ich pinkes Schaf sein. Auch die Eltern meines damaligen Freundes haben mich so akzeptiert. Und da dachte ich, es wird Zeit, dass meine Familie das auch erfährt. Entweder sie werden es akzeptieren, oder die werden mich halt rausschmeißen. Aber da ich wusste, ich habe Leute, die hinter mir stehen, die mich jederzeit auffangen würden, dann habe ich’s getan und mich geoutet. Und das war wirklich die beste Entscheidung!

Checkt Ermirs Kampagne unter #pinksheep auf Instagram

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