Ein gutes Zeichen für die LSBTIQ*-Politik in Hessen

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Foto: www.juliaimhoff.de

Seit Oktober 2017 ist Kai Klose der neue Staatssekretär und Bevollmächtigte für Integration und Antidiskriminierung der Hessischen Landesregierung. Klose tritt in die Fußstapfen von Jo Dreiseitel, der den Posten aus gesundheitlichen Gründen abgegeben hat. Im Interview mit dem GAB Magazin spricht Kai Klose über den Hessischen Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt, aber auch über sein Selbstverständnis als Politiker.

Du engagierst dich schon seit Beginn deiner politischen Laufbahn und nimmst dabei zum Beispiel auch an Demonstrationen teil; der Basisbezug ist dir wichtig?

Ja, und das hat natürlich viel mit dem eigenen Selbstverständnis zu tun. Meine Politisierung hatte immer auch mit meinem Coming-Out und dem Engagement in der Rosa Liste während meiner Studienzeit in Marburg zu tun, für die ich StuPa-Präsident war. Von daher war das immer Teil meines politischen Selbstverständnisses und wird es immer bleiben. Ich glaube, es ist wahnsinnig wichtig, sichtbar zu sein und zu zeigen, dass das Leben nicht mit dem Coming-Out endet. Darin steckt für mich auch eine Verpflichtung gegenüber den nächsten Generationen: Sei so wie der, der dir vielleicht damals gefehlt hat.

Als Politikerist es ja schon eine Art Statement, wenn du dich auch außerhalb „offizieller“ Termine bei Veranstaltungen zeigst.

Neben den CSDs, die für mich immer politische Demonstrationen sind und auch jedes Jahr fest gesetzt sind, war mir in den letzten zwei Jahren besonders wichtig, an den Demos in Wiesbaden für einen zeitgemäßen Lehrplan Sexualerziehung teilzunehmen. Aber auch andere Termine wie zum Beispiel die Paulskirchen-Veranstaltung zum Welt-Aids-Tag sind für mich gesetzt. Absolut!

Bei Politikern ab einer gewissen Ebene vermutet man das eigentlich gar nicht so ...

Ich gehöre nicht zu den Leuten, die Amt und Person trennen. Das muss für mich zusammenpassen. LSBTIQ*-Politik ist ein selbstverständlicher Teil meiner Persönlichkeit. Aus meiner Zuständigkeit für die Antidiskriminierungspolitik im Landtag bin ich Staatssekretär geworden und bin nun auch für das wichtige Feld Integration verantwortlich, das ein absolutes Jetzt-Thema ist und auch bleiben wird. Diese beiden Themen total viel miteinander zu tun. Es hilft, bei beiden zu wissen, wie es ist, einer Minderheit anzugehören, das merke ich auch im Zusammenhang mit den anderen Minderheiten. Und in der Bündelung von Integration und Antidiskriminierung findet der Kampf um die offene Gesellschaft statt. Das ist mit der Diskussion um Jamaika zwar etwas in den Hintergrund getreten, aber wenn der Bundestag wieder mehr Fahrt aufnimmt, wird das auch wieder ein Thema werden, denn das sind genau die Punkte, an denen die AfD und andere Rückwärtsgewandte versuchen, den Rollback anzusetzen. Das macht meine Aufgabe gerade jetzt umso spannender, obwohl ich mir natürlich gewünscht hätte, dass Jo Dreiseitel hätte weiter machen können.

Seit Juni 2017 gibt es den Hessischen Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt. Ist das eine reine Absichtserklärung oder wird das auch konkret?

Der Aktionsplan in Hessen hat ein paar Besonderheiten. Die erste ist die Entstehung. Der Plan ist ja wirklich über zweieinhalb Jahre von Grund auf, also „bottom-up“, entstanden. Zum einen in Zusammenarbeit mit den Selbstvertretungsorganisationen und verschiedenen Arbeitsgruppen der verschiedenen Themenfelder. Zum anderen aber hat sich das ganze Kabinett damit beschäftigt. Über alle Resorts hinweg sind Vorschläge eingeflossen, was jede*r in seinem Bereich machen kann. So sind diese beiden Seiten zusammengekommen, und alles ist im Aktionsplan gebündelt. Er ist deutlich mehr als eine Absichtserklärung.

... die also umgesetzt werden muss oder umgesetzt werden kann?

Umgesetzt werden soll ist das beste Wort dafür. Es ist dann meine und die Aufgabe der Antidiskriminierungsstelle darauf zu achten, dass real auch etwas passiert. Mit dem Kabinettsbeschluss ist der Aktionsplan zu einer Selbstverpflichtung der Hessischen Landesregierung geworden, die Maßnahmen auch umzusetzen. Das hat einen hohen Stellenwert. Und das Ganze ist ja auch mit viel Geld hinterlegt: Wir haben mit 200.000 Euro im ersten Jahr angefangen, dann 2017 auf 500.000 aufgestockt, und ab dem nächsten Jahr für den Doppelhaushalt 2018/2019 nochmal jeweils auf 550.000 Euro erhöht. Das gibt eine relativ lange Planungssicherheit, wenn der Haushalt 2018/2019 im Februar so beschlossen wird.

Foto: www.Karsten-Socher.de

Wo besteht denn deiner Meinung nach der größte Handlungsbedarf in Hessen?

Wir haben den Aktionsplan dynamisch angelegt, das heißt, er soll weiterentwickelt werden. Zum einen sind Sachen enthalten, die wir bereits seit 2014 machen, zum Beispiel die Förderung der SCHLAU-Schulprojekte, die explizit im Aktionsplan als wesentlicher Bestandteil im Schul- und Kultusbereich festgeschrieben sind. Dann gibt es inzwischen in allen Polizeipräsidien Ansprechpartner*innen für gleichgeschlechtliche Lebensweisen. Momentan arbeiten wir also sehr projektbezogen, im kommenden Jahr wird die Förderung von Netzwerkstrukturen dazu kommen. Wir werden zum einen in Hessen ein Netzwerk Antidiskriminierungsarbeit aufbauen. Da sind 200.000 Euro für 2018 und 300.000 Euro für 2019 drin. Die gleichen Summen stellen wir für LSBTIQ*-Netzwerkstrukturen bereit, damit wir auch in die Fläche kommen. Wir haben ja bereits gute Strukturen in vielen Städten, in Frankfurt insbesondere, aber wir wollen auch, dass sich Leute professionell um die Präsenz von Hilfs- und Unterstützungsangeboten auch in der Fläche und um die Vernetzung der Community in Hessen kümmern können.

Es gibt viele andere wichtige Einzelprojekte, wie z.B. Sensibilisierung in der Altenpflege oder die Unterstützung queerer Geflüchteter. Es stehen also konkrete Maßnahmen im Aktionsplan, es soll real vorangehen. Das dynamische Fortschreiben bedeutet, dass wir beobachten und wenn’s mal hakt, die Kollegen sanft daran erinnern, dass aus der Selbstverpflichtung des Aktionsplans noch etwas aussteht.

Es ist ja schon erstaunlich, dass das mit einer schwarz-grünen Regierung in Hessen geklappt hat; ist es einfacher, auf der Landesebene zusammenzufinden als auf der Bundesebene?

Naja, sagen wir es mal so: Ich hatte nicht den Eindruck, dass das Scheitern von Jamaika im Bund an Schwarz und Grün gelegen hat (lacht).

In Hessen haben wir in den Sondierungsgesprächen sehr früh und offen klar gemacht, dass im LSBTIQ*-Bereich sichtbar etwas passieren muss, damit wir eine Koalition erwägen können. Somit war das der Union in Hessen auch sehr früh klar und das hat sich dann auch im Koalitionsvertrag niedergeschlagen: Der Aktionsplan steht drin, die Aufarbeitung der Opfer des Paragrafen 175 steht drin, die Antidiskriminierungsstelle, die natürlich noch andere Bereiche bearbeitet, steht drin, die Förderung der SCHLAU-Projekte an Schulen steht drin. Und das, was im Koalitionsvertrag festgelegt wurde, wird auch umgesetzt. Das gilt hier in Hessen für beide Seiten und ist verlässlich.

Ohne meine Rolle zu überhöhen will ich aber auch nicht verhehlen, dass es schon einen Unterschied macht, wenn jemand, der für LSBTIQ*-Themen persönlich einsteht, diese Koalition auch an führender Stelle mit steuert. Es ist für meine Themen hilfreich, dass ich als Landesvorsitzender meiner Partei und damit Teil der Koalitionsrunde bin. Aber ich kann auch nicht behaupten, dass es zwischen den Koalitionspartnern in diesem Themenfeld in den letzten dreieinhalb Jahren ernsthaft Probleme gegeben hätte. Gerade was die Aufarbeitung der Schicksale der Opfer des Paragrafen 175 anbelangt, war die Justizministerin von Anfang an sehr hilfreich und dass Sozialminister Stefan Grüttner bereit war, das Thema in das Ministerium für Soziales und Integration zu holen, hat zusätzlich geholfen, weil wir uns hier nochmal mit einer anderen Intensität dahinter geklemmt haben.

Das was wir vereinbart haben, setzen wir zusammen um. Das fällt einem mal leichter und mal schwerer, aber die wirklichen Angriffe bei den LSBTIQ*-Themen kamen eher von außen. Und das ist zuvorderst gut für die Sache.

www.kai-klose.de

Mehr zur Arbeit des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration über www.soziales.hessen.de

Den Hessischen Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt findet man hier

www.soziales.hessen.de/integration/antidiskriminierungsshystelle/hessischer-aktionsplan-fuer-akzeptanz-und-vielfalt

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