Projekt Queere Fotosammlung Frankfurt

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Foto: Moskovits

Schon seit Jahren ist David Moskovits in der Frankfurter Szene aktiv – unter anderem in der jüdischen Queer-Gruppe „Yachad“, mit der er 1999 den vielleicht ersten jüdischen CSD-Wagen Europas auf der Frankfurter CSD-Demo mitorganisierte. Als die Fotos des Events nicht mehr auffindbar waren, kam Moskovits die Idee, eine Fotosammlung der Frankfurter LSBTIQ*-Szene anzulegen. Im Interview erzählt er mehr über sein Projekt.


David, welche Motive sollen in die queere Sammlung gelangen?

Ich plane ein Sammlungsprojekt, in dem Fotografien und natürlich ebenso Videoaufzeichnungen von CSDs, Aktionen mit queerem Bezug, queere Buchläden, Szenelokale und Treffpunkte sämtlicher Generationen, Diskotheken und Events wie auch queere Gruppen gesammelt werden. Momentan erkundige ich mich, ob wir Equipment gratis leihen könnten, um audiovisuelle Aufzeichnungen von Zeitzeugen zu machen. Es wäre auch schön, wenn wir von sämtlichen aktuellen und ehemaligen Bars, Diskos, Geschäften und Gruppen der Szene die Namen der Wirte und Leiter archivieren könnten. Die queere Geschichte Frankfurts könnte auf diese Weise erhalten werden.

Du vermutest, dass die Bilder des Yachad-CSD-Wagens verschwunden sind, weil einige Personen, die darauf zu sehen waren, nicht dokumentiert werden wollten. Ist das nicht auch ein Problem für die Szene-Fotos, die du sammeln möchtest?

Ich denke, dass die Problematik nur vereinzelt aufkommen wird. Es gibt natürlich Personen, die in der Schwulenszene verkehren und auf den CSD gehen, die aber nicht geoutet sind. Es handelt sich aber um einen generellen Aufruf, bei dem alle Leser der GAB gebeten werden, ihre Fotografien und Aufzeichnungen zu kopieren oder uns die Originale als Archivgut zu spenden. Das Lesbenarchiv im LSKH hat 30 Jahre Erfahrung und ist an der Sammlung beteiligt. Sämtliche Fotos und Aufzeichnungen werden in den Besitz des LSKHs übergehen, wodurch ein gewisses Vertrauen gegeben sein sollte. Außerdem wird ja niemand gezwungen, Fotografien und Videos zu spenden. Wenn jemand zufällig aufgenommen worden ist, der nicht geoutet werden möchte, so kann er sich natürlich an uns wenden und wir vermerken es.

Was hast du bereits gesammelt, welche Quellen für die Fotos hast du aufgetan und wer kann dich beim Projekt unterstützen?

Ich stehe noch ganz am Anfang und suche nicht nur nach Archivgut, sondern auch nach Freiwilligen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten, um das Projekt zu unterstützen.

Welchen Zeitraum der Frankfurter Geschichte möchtest du abdecken?

Ich besitze nur ein paar Fotos von CSDs aus privatem Besitz. Allerdings habe ich vor 20 Jahren mit einem Camcorder einen Zeitzeugen interviewt, der zur Nazizeit in Frankfurt lebte und von den Begegnungen auf öffentlichen Toiletten berichtete, die regelmäßig von der Polizei kontrolliert worden sind. Ihm war es gelungen, nicht erwischt und deportiert zu werden. Außerdem besitze ich ein ausführliches Interview von über drei Stunden mit Andreas Meyer-Hanno, der sein Leben berichtet.

Ich interessiere mich für sämtliche Quellen von queerer Geschichte, die sich auftun. Christian Setzepfandt war glaube ich der Pionier in dem Forschungsgebiet. Ich habe von ihm eine seltene Fotografie der „Barbarina“ und der „Roten Katze“ erhalten, die in den 50er und 60er Jahren Szenekneipen waren, als es noch Razzien gab und der Paragraph 175 galt. Der Zeitzeuge hat mir auch vom Felsenkeller und anderen Lokalen und Treffpunkten berichtet.

Foto: Archiv Setzepfandt

Wo wird die Sammlung angesiedelt sein und wird sie allgemein zugänglich sein?

Das LSKH und vor allem das Lesbenarchiv im Haus haben massiven Platzmangel, aber das Lesbenarchiv wird Raum für das Sammlungsprojekt zur Verfügung stellen. Für den Anfang sollte ein Schrank reichen. Ich träume aber davon, dass wir schon bald mehr Archivgut sammeln können. Wie auch das Lesbenarchiv am LSKH soll die Sammlung natürlich sämtlichen Interessierten offenstehen, nicht nur Wissenschaftlern. 

Du arbeitest derzeit außerdem an einer Publikation über Rosemarie Nitribitt. Die berühmte Frankfurter Prostituierte pflegte Kontakte zu Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft – der vermutliche Grund, weshalb ihr gewaltsamer Tod im Jahr 1957 nie aufgeklärt wurde. Bei deiner Recherche hast du auch Verbindungen zur damaligen Homosexuellenszene gefunden. Welche waren das?

Christian Setzepfandt hat mir einen guten Freund von sich vorgestellt, der Heinz Pohlmann kannte. Pohlmann war der schwule beste Freund der Nitribitt, der dann als Hauptverdächtiger angeklagt worden ist. Ich habe aber bisher überwiegend mit heterosexuellen Zeitzeugen Interviews geführt. Ich suche aber noch ganz dringend nach Zeitzeugen, die Rosemarie Nitribitt und ihren Freundeskreis kannten oder etwas zu ihnen berichten können. Heinz E., der schwule Mitbewohner von Heinz Pohlmann lebt noch, wie auch die besten Freundinnen der Nitribitt, aber sie möchten alle nicht mit Historikern und Journalisten sprechen.


Zusatz im Mai 2022:

Das Projekt „Queere Fotosammlung" ist inzwischen nicht mehr im LSKH angesiedelt; David Moskovits verfolgt seine Idee eines queren Archivs für Frankfurt inzwischen mit anderen Partner*innen; Kontakt über die E-Mail: dmoskovits@web.de

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