Queer Festival Heidelberg

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Foto: Jason Leung, unsplash.com, gemeinfrei

Das Queer Festival Heidelberg muss aufgrund der aktuellen Situation und fehlender Planungssicherheit auch in diesem Mai entfallen. Trotz der traurigen Nachricht bleibt der Verein Queer Play e.V., der das Festival zusammen mit dem Kulturhaus Karlstorbahnhof e.V. veranstaltet, aktiv. Wir haben mit Dominic Hauser und Martin Müller von Queer Play, sowie Frederik Busch, dem Vorsitzenden des diesjährigen Fotowettbewerbs, über die Alternativpläne gesprochen.


Die Absage des Queer Festivals bedeutet mehr als die bloße Absage einer Konzert-, Party- und Kulturreihe; wieso ist das Fehlen des Events besonders dramatisch?

Foto: Benjamin Schnepp

Dominic Hauser: Wir fiebern ja alle darauf zu, dass es mit Kultur, Partys et cetera möglichst bald wieder losgehen kann und das betrifft natürlich nicht nur die queeren Veranstaltungen. Doch wenn solche Events dem einzigen Zufluchtsort entsprechen, in dem man gemeinsam mit anderen LSBTIQ* queere Kultur und positiv gelebte Queerness erleben kann, dann geht es doch um mehr. Unser Kontakt zur Community im letzten Jahr hat uns verdeutlicht, wie einschneidend die Absagen sind und wie wichtig das Community Festival als Treffpunkt f ür LSBTIQ* Menschen in der Region ist.

Auch aktuelle Studien – zum Beispiel „Die Situation von Menschen in Deutschland während der Corona-Pandemie“ der Charité Berlin vom März 2021 – belegen, dass queere Menschen in besonderem Maße von den derzeitigen Einschränkungen betroffen sind und aktuell häufiger als cis-hetero Menschen unter Einsamkeit und Depressionen leiden. Dies betrifft alle LGBTIQ*, doch im Besonderen queere Jugendliche, die seit Monaten in Isolation und teilweise in nicht-akzeptierenden Familien leben. Dies betrifft auch all diejenigen, die nach wie vor aus verschiedensten Gründen ungeoutet sind, ältere LGBTIQ* oder Neuzugezogene, ob Student*innen oder Geflüchtete, die seit mehr als einem Jahr kaum eine Möglichkeit haben, in einer teils fremden Stadt Anschluss zu finden.


Könnt ihr wie im vergangenen Jahr trotzdem Alternativen anbieten?

Martin Müller: Der Verein Queer Play e.V. versucht mit einem enormen ehrenamtlichen Kraftakt weiter neue Partizipationsangebote zu schaffen. Die wenigen Veranstaltungen, die 2020 physisch umsetzbar waren, waren ausgebucht und auch digital hatten wir beeindruckende Teilnehmendenzahlen.

Unsere Priorität besteht daher darin, auch jetzt die LSBTIQ* Community in den kommenden Monaten zu unterstützen und wenn möglich zusammenbringen. Neben Beratungsangeboten ist es ebenso wichtig, positiv besetzte und gemeinsame Erlebnisse zu schaffen – was digital aber leider nur bedingt möglich ist. Sobald es grünes Licht für die Open Air-Sommerbühne am Karlstorbahnhof gibt, werden wir mit Events und Veranstaltungen für Vielfalt und queeres Leben sorgen. Zum Beispiel soll es dann auch wieder Konzerte oder den genderfluiden Flohmarkt geben. Auf unserer Webseite halten wir dazu auf dem Laufenden.


Was auf jeden Fall stattfinden wird, ist die Plakatausstellung, die in diesem Jahr Fotos zum Thema Queer Is Not Anti“ zeigt. Stellt das Projekt bitte kurz vor und erklärt die Kriterien der Jury, die die eingereichten Fotoarbeiten ausgewählt und prämiert hat.

Foto: Benjamin Schnepp

Frederik Busch: Wie letztes Jahr mit der „Breaking Gender Stereotypes“ Ausstellung, werden wir auch in diesem Jahr wieder die Straßen Heidelbergs zum Ausstellungsraum machen. Bei „Queer Is Not Anti“ geht es uns darum, den Blick für das gesamte Spektrum von Queerness zu ö ffnen, insbesondere auf gelebte Queerness in nicht-europäischen Gesellschaften. In der diesjährigen Auswahl sind inhaltliche Originalität, formale Konsistenz, kollaborative Ansätze und die innere Haltung der Fotograf*innen entscheidend. Ebenso wichtig ist uns, dass die fotografischen Blicke nicht nur auf Queerness blicken, sondern selbst Queerness in sich tragen. Mehr als 140 Fotoprojekte von allen Kontinenten dieser Erde erreichten uns in diesem Jahr. Entsprechend der wachsenden Anzahl von Einreichungen wählte die internationale Jury dieses Jahr gleich zw ö lf P rojekte aus, die ab dem 8. Mai o nline auf unserer Website und im ö ffentlichen Raum in Heidelberg sichtbar gemacht werden. Die ausgezeichneten Projekte stammen aus Israel, Mexiko, Spanien, der Elfenbeinkü ste, Thailand, Brasilien, der Schweiz, Großbritannien, den USA, Russland und China.


Habt ihr Aktionen zum IDAHOBIT* geplant?

Foto: M.Müller

Martin Müller: In Zusammenarbeit mit dem Queeren Netzwerk Heidelberg, einem Zusammenschluss von queeren Gruppen und Initiativen der Region, sowie dem Amt für Chancengleichheit der Stadt bereiten wir gerade vom 13. bis 17. Mai verschiedene Aktionen zum IDAHOBIT* vor. Am 17. Mai selbst sollte es einen gemeinsamen Community-Tag in Pr ä senz geben . Da mit der aktuellen Pandemie-Entwicklung generell die Chancen auf eine m ö gliche Veranstaltung in Pr ä senz schwinden, haben wir parallel die Planungen auf digitale Inhalte umgestellt. Teile des bereits geplanten Programms, wie Ansprachen, Drag-Shows et cetera müssen wohl im Netz gestreamt werden, andere werden sobald möglich nachgeholt. Updates werden über die Website des Queeren Netzwerks Heidelberg veröffentlicht.


Seit wann gibt es den Verein „Queer Play“ und was macht ihr? Wird der Verein finanziell gefördert?

Dominic Hauser: Das Queer Festival selbst gibt es seit 2009. Um den schnell wachsenden Handlungsfeldern zum Beispiel in der Programm- und Festivalorganisation , Fördermittelakquise oder der Arbeit mit verschiedenen Kooperationspartner*innen der Stadt gerecht zu werden, gru ̈ ndeten wir 2014 den gemeinnu ̈ tzigen Verein Queer Play e.V.. Über einzelne projektbezogene Förderungen hinaus, hat der Verein keine eigenen Mittel. Wir sind jedoch aktuell dazu in Gesprächen mit unserer Stadt beziehungsweise dem Gemeinderat. Allein ehrenamtlich ist die Arbeit nach all den Jahren einfach nicht mehr zu leisten. Und die Situation durch Corona bedeutet noch zusätzlichen Organisationsaufwand.

Wir denken, die Stadtverwaltung hat mittlerweile erkannt, wie wichtig das Festival f ü r die eigene Bev ö lkerung im lokalen Kulturbetrieb geworden ist. Das gilt ebenso für den Tourismus, die Studienortwahl oder für Expats der in der Region ans ä ssigen Unternehmen. Nach der Bewerbung und Aufnahme Heidelbergs in das Rainbow Cities Network 2020, zu dessen Erfolg wir mit dem Festival einen gewichtigen Beitrag leisten konnten, hoffen wir nun sehr auf eine Förderung durch die Stadt Heidelberg um das Projekt Queer Festival weiter am Leben zu halten.


Mehr Infos zu Angeboten und Veranstaltungen sowie dem Fotowettbewerb „Queer Is Not Anti“ über www.queerfestival.de

Infos zu IDAHOBIT* über www.queeres-netzwerk-hd.de

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