Unverschämt!

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Foto: Schwules Museum Berlin

„Unverschämt!“ lautet der etwas reißerische, wahlweise provokante Titel einer Wanderausstellung, die die staatliche Verfolgung und öffentliche Diskriminierung homosexueller Männer und Frauen in Hessen sowie die Anfänge der hessischen Schwulen- und Lesbenbewegung im Zeitraum von 1945 bis 1985 dokumentiert.

Foto: Schwules Museum Berlin

Zentraler Punkt ist der Paragraf 175, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte; das Relikt aus der Kaiserzeit wurde 1871 ins Strafgesetzbuch eingeführt und im Nationalsozialismus mit Paragraf 175a für „schwere Fälle“ noch verschärft. Nach seiner Liberalisierung Ende der 1960er wurde er erst 1994 komplett abgeschafft. Die Ausstellung vermittelt einen guten Eindruck der Dimensionen: Allein während der NS-Zeit wurden etwa 50.000 Personen nach Paragraf 175 verurteilt und davon 15.000 in Konzentrationslager verschleppt. In Hessen wurde auch nach dem zweiten Weltkrieg gegen mehr als 12.000 Menschen wegen des „Schwulenparagrafen“ polizeilich ermittelt. Ein Gesetz zur Rehabilitierung aller Opfer wurde erst im Frühjahr 2017 von der Bundesregierung beschlossen.

Foto: Schwules Museum Berlin

Die Ausstellung dokumentiert in Wort und Bild nicht nur die regelrechte „Schwulenjagd“, die insbesondere von der Frankfurter Staatsanwaltschaft und dem ehemaligen NS-Richter Romini Anfang der 1950er betrieben wurde, sondern auch die aufkeimende hessische Protestbewegung von Lesben und Schwulen, die sich in den frühen 1970er Jahren formierte: Flyer, Plakate, Fotos und weitere, historische Materialen wurden aufwändig reproduziert und unter anderem an einem Metallgerüst labyrinthartig installiert. Die Wanderausstellung ist Teil des Forschungsprojekts „Aufarbeitung der Schicksale der Opfer des ehemaligen Paragrafen 175 StGB in Hessen“ des hessischen Ministeriums für Soziales und Integration und gehört zum Hessischen Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt. Sie ist derzeit im Foyer des Hessischen Hauptstaatsarchiv zu sehen.

Noch bis 12.1., Hessisches Hauptstaatsarchiv, Mosbacher Str. 55, Wiesbaden, Mo – Fr 9 – 17:30 Uhr

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