Kolumne: Sattelfeste Szene

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Selbstverständlich lassen sich Plexiglasscheiben nicht in das Gestaltungskonzept schwuler Bars einfügen, ohne dass die Ästhetik den virologischen Notwendigkeiten auf halbem Wege entgegenkommen muss. Aber es geht. Steht das Führen von schriftlichen Anwesenheitslisten im Widerspruch zu der besonders in queeren Lokalen wichtigen Diskretion? Aber Hallo! Wie viel Freude macht es Szene-Gastronom*innen, die ihren Gäst*innen einfach nur eine schöne Zeit geben wollen, sie an der Eingangstür abzufangen, um zuerst Impfzertifikate und Personalausweise kontrollieren zu müssen? Gar keine.

Zwei harte Lockdowns haben viele queere Gastro-Betriebe an den finanziellen Abgrund getrieben und manche auch einen Schritt weiter. Das bisweilen monatelange Warten auf die versprochenen staatlichen Unterstützungszahlungen vertrieben sich die Wirt*innen mit dem Entsorgen ihrer abgelaufenen Getränke und Lebensmittel.

Foto: Flickr Nutzer Kurayba/CC BY SA 2.0

Doch in der Lockdown-Pause und auch jetzt ist das queere Publikum wieder da, und gemeinsam trotzt man den mittlerweile längst gewohnten Unannehmlichkeiten. Mitunter war der verordnete Verzicht auch eine heilsame Erfahrung, die dem einen oder der anderen deutlich machte, wie sehr sie selbstverständlich geglaubte Institutionen vermissen, wenn sie erst einmal weg sind. Optimistisch kann man also auf die künftigen Wellen und Varianten blicken, denn die queere Szene hat offensichtlich ein solideres Krisenmanagement als die Politik.

The Show Must Go On

Nicht minder hart traf es den Teil der LGBTIQ*-Subkultur, der sich nicht durch Festivität und Becherklang manifestiert, sondern im Scheinwerferlicht auf der Bühne. Während sich Gastronom*innen in verordnete Tatenlosigkeit fügen konnten, bis die Ministerpräsident*innenkonferenz anderes verlauten ließ, wurde die Frustrationstoleranz der Sub-Kulturschaffenden noch härter auf die Probe gestellt. Ein ums andere Mal organisierten die oft ehren- oder nebenamtlichen Orga-Teams Hygienekonzepte, die die Grenzen der Selbstachtung aller Beteiligten strapazierten. Für Shows vor ausgedünntem Publikum, um sie dann entlang der Inzidenzkurven immer wieder kurzfristig absagen zu müssen. Nur die wenigsten Showformate ließen sich sinnvoll ins Internet übertragen. Rückblickend überrascht es mich, dass sich Künstler*innen überhaupt immer wieder motivieren konnten, obwohl oft abzusehen war, dass alles auf tönernen Füßen stand. Die Nähe zur Tragödie, in der das Scheitern des*der Held*in unausweichlich ist, war oft unübersehbar.

Business as Usual?

Während Handel und Wandel allmählich in bescheidene Normalität zurückkehren und die Pandemie zumindest vorläufig ihren Schrecken verloren hat, darf nicht vergessen werden, dass in der Veranstaltungsbranche von Rückkehr zur Tagesordnung noch lange keine Rede sein kann. Unabhängig von gewissen Lockerungen der Pandemie-Restriktionen ist es doch eine Sache, sich mal zu einer Lesung, Kleinkunst oder einem Bar-Abend zusammenzufinden. Mir kommt kaum jemand in den Sinn, der sich das nicht demnächst wieder trauen würde. Eine andere Sache ist es, mit vielen Tausenden CSD zu feiern, als wäre es 2019, oder unbefangen über ein queeres Straßenfest zu schlendern.

Foto: Flickr Nutzer Miki Yoshihito/CC BY 2.0

Zwei Jahre haben ausgereicht, dass man es sich fast nicht mehr vorstellen kann. Ob hier unsere Kultur nicht zumindest vorläufig beschädigt ist, wird sich zeigen. Im Kleinen lässt sich jedoch absehen, dass die Resilienz queerer Communitys robuster war als befürchtet und vielleicht sogar an den Herausforderungen gewachsen ist. Überraschend ist das nicht, denn natürlich hat queeres Leben in diesem Land schon unfassbar Schlimmeres erdulden, überleben und überwinden müssen als Corona.

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