„Auch wir sind ein Querschnitt der Gesellschaft“ – schwul in der Polizei

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Im täglichen Polizeieinsatz wird von LGBTIQ*-Netzwerken profitiert. Zum CSD treffen sich die bundesweiten Landesverbände von VelsPol, dem Verein lesbischer und schwuler Polizisten, zum Seminar in Hamburg. Lutz Lorenz sprach mit Kriminalkommissar-Anwärter Tobias und nutzt die Gelegenheit, einen Rückblick auf G20 zu werfen.

Foto: Peter H. / CC0/ Public Domain

G20 verändert das Bild Hamburgs auf lange Zeit

Bis vor wenigen Wochen war noch alles ganz anders. In der Wahrnehmung der Welt war Hamburg eine florierende Hafenmetropole, spannende Shoppingmeile und ein touristisches Highlight mit traditionsreichen Angeboten zwischen Alster und Speicherstadt. Die Bilder der neuen Elbphilharmonie gingen live über alle Kontinente. Kaum eine andere deutsche Metropole zeichnete sich durch so beständige politische Stabilität aus wie Hamburg.

Dann der G20-Gipfel. Was in diesen Tagen über weltweite Nachrichtenkanäle und soziale Medien beschrieben wurde, ist eigentlich unbegreiflich. Es hat nur wenige Stunden an Gewaltbereitschaft und schließlich Gewalt selbst gebraucht, um das Bild Hamburgs auf lange Zeit zu verändern. Vielleicht auch das Bild seiner Polizei.

Doch es waren nicht die Hamburger, nicht einmal die Linken, in deren bevorzugten Wohnlagen der Stadt sich Dutzende von Rauchsäulen in den Himmel bohrten, Autos in Flammen aufgingen und Fensterscheiben zerplatzten. Eine bislang noch nicht feststehende Zahl an Personen wird verletzt, teilweise schwerste Schäden, die sie ihr Leben lang mit sich herumtragen muss.

Schnell, sehr schnell, wurden aus beinahe allen politischen Strömungen Schuldzuweisungen ausgesprochen. Auch aus den Reihen der Polizei. Der Verein VelsPol e. V. für Polizeibedienstete sowie Mitarbeiter der Justiz und des Zolls hat sich daran nicht beteiligt. Vorerst. Im Rahmen seines 23. Bundesseminars, das Anfang August in Hamburg stattfindet, werden sich möglicherweise der Bundesvorstand und einige Landesverbände dazu äußern. Die Homepage des Verbandes wurde bislang nicht geändert. Noch immer und ganz bewusst liest man auf der Startseite „Was zählt ist der Mensch!“ als Motto des Seminars. Der Mensch, in dessen Mittelpunkt in den meisten Fällen sein Job steht. Bei Polizistinnen und Polizisten in ganz besonderer Weise, dem Staat verpflichtet – im wahrsten Sinne des Wortes.

Es muss also weitergehen. Auch nach dem Gipfel, auch in Hamburg und ganz Norddeutschland, wo viele der Kolleginnen und Kollegen herstammen, die ihr Bestes zur Sicherung des Gipfels gegeben haben. Einer von ihnen ist Polizeiobermeister und Kriminalkommissars-Anwärter Tobias, 28 Jahre alt. Wir haben ihn eingeladen, mit uns darüber zu sprechen, was es hierzulande heißt, als Polizist schwul zu sein.

Foto: Privat

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Coming-out als Polizist: „Es hat auch unangenehme Situationen gegeben“

Zu seinem beruflichen Coming-out erzählt uns Tobias von ersten Reaktionen in seinen Dienststellen:

„Ich hatte mich bereits bei guten Freunden geoutet, mit denen ich die Ausbildung zum Polizisten absolviert habe. Hier war mein Coming-out nicht sonderlich erwähnenswert, da es als ‚normal‘ angesehen wurde. Anders war es jedoch am Anfang meiner Laufbahn als Polizist in den Dienststellen. Hier war ich schon ziemlich nervös und machte mir einen Kopf darüber, wie die Kollegen reagieren könnten. Das änderte sich im Laufe der Zeit, da ich mehr und mehr bemerkte, dass es keinen Unterschied macht, hetero oder schwul zu sein. Die Kollegen haben mich als Mensch akzeptiert, dienstlich wie auch privat.“

Es habe aber auch unangenehme Situationen gegeben, so Tobias weiter. Zum Beispiel gleich am Anfang seines Berufslebens, unmittelbar nach der Ausbildung.

„Es war meine erste Demonstration, die es zu schützen galt, witzigerweise beim CSD in Hamburg. Schmunzelnd saß ich im Gruppenwagen und lauschte den Kommentaren meiner Kollegen. Keiner äußerte sich negativ, ausgenommen ein Kollege. Sein homophober Kommentar war hoffentlich nicht ernst gemeint, sorgte jedoch kurzzeitig für entsetzte Gesichter.“

Foto: Privat

Im Laufe seiner bisherigen Dienstjahre blieb das nicht der letzte Einsatz mit schwulem Bezug. Neben weiteren CSDs war es auch das eine oder andere Eingreifen bei häuslicher Gewalt in schwulen oder lesbischen Beziehungen.

„In diesen Einsätzen und auch danach erlebte ich bisher keinen Kollegen, der unprofessionell oder gar homophob gegen die Opfer oder Demonstranten vorging.“

Es sei klar, dass auch die Polizei schon lange nicht mehr der „Männerverein“ ist, der er einmal war. „Unsere heutige Polizei ist ein Querschnitt der Gesellschaft, was sie offener, moderner und bürgernäher macht. Jedoch habe ich manchmal das Gefühl, dass gerade diese Wandlung noch nicht ganz in der LGBTIQ*-Community verstanden wird. Noch immer ist die Dunkelziffer von homophoben Gewalttaten oder Beziehungsgewalt in homosexuellen Partnerschaften viel zu hoch.

Im Laufe der Zeit lernte Tobias natürlich auch weitere Kollegen und Kolleginnen kennen, die homosexuell sind. „Es hätte mich auch stark gewundert, wenn ich der Einzige wäre“, ergänzt er. So kam es zum Kontakt mit VelsPol.

„Ich finde den Beitrag solcher Verbände beachtenswert und wichtig. Hier werden Kollegen und Kolleginnen neben ihrem Dienst tätig und sorgen für eine gute Kooperation zwischen den Verbänden. Sie unterstützen oder initiieren Aktionen innerhalb und außerhalb der Polizei zur Bekämpfung von Vorurteilen und zur Unterstützung lesbischer und schwuler Polizistinnen und Polizisten.“

VelsPol wirkt dabei innerhalb aller Kommandoebenen der Polizei, von Ausbildungsstätten bis zu höchsten Führungsebenen, um für die Anliegen von LGBTIQ* zu sensibilisieren. Vorträge in Dienststellen, Veröffentlichungen in Publikationen der Polizei, Plakataktionen oder die uniformierte Teilnahme an Veranstaltungen, vom schwul-lesbischen Straßenfest bis zum Regenbogenball, gehören dazu.

„Schließlich geht es auch um die Opfer homo- und transphober Straftaten und Gewalt mit ihren oft sehr tief sitzenden Wunden. Und das meinen wir durchaus so doppeldeutig, wie ich das hier sage“, erklärt Tobias eindringlich.

Foto: Privat

Vor allem in seiner täglichen polizeilichen Arbeit profitiere er von diesen Kooperationen, denn Opfer seien in allen sozialen Schichten, Berufsgruppen oder Interessengebieten zu finden. Da helfe es sehr, die Arbeit der LGBTIQ*-Netzwerke und deren Denkansätze und Aktionen zu kennen, um Ansatzpunkte für Hilfestellungen geben zu können, denn nicht immer werde die Polizei von den Opfern als das gesehen und angenommen, was sie sein soll: die staatliche Gewalt, deren erste Aufgabe es ist, gewalttätige Handlungen zu verfolgen, im besten Fall präventiv auf potenzielle Straftäter einzuwirken, um Straftaten zu verhindern und Gefahren abzuwehren.

Netzwerktreffen für Erfahrungsaustausch

In den bundesweiten Landesverbänden von VelsPol gibt es dazu unterschiedliche Erfahrungen. Die Arbeit im ländlichen Raum ist anders geprägt als die in Großstädten und Ballungszentren. Die jährlichen Bundestreffen dienen dem Austausch, zumeist auch über die Bundesgrenzen hinweg. So sind Kolleginnen und Kollegen aus der Schweiz und Österreich in Hamburg dabei. Sie alle gemeinsam werden ein dreitägiges Workshop-Programm absolvieren, am Hamburger CSD teilnehmen und schließlich auch die Sehenswürdigkeiten der Hansestadt kennenlernen – die polizeilichen wie die touristischen. Deshalb reicht das Rahmenprogramm vom Besuch des Polizei- oder des Zollmuseums bis zur klassischen Hafenrundfahrt.

Die Hansestadt bringt ihren Gästen in Uniform erfreulicherweise Respekt und Anerkennung entgegen. Der Eröffnungsempfang im Kaisersaal des Hamburger Rathauses und die Durchführung der Kongressveranstaltungen im Hamburger Polizeipräsidium sind Ausdruck dafür.

„Denn unser Hamburg ist und bleibt das, was es war: eine weltoffene, tolerante und gastfreundliche Stadt, auch und gerade nach den Vorkommnissen um den G20-Gipfel“, so Tobias, dem man den Stolz auf seine Heimat durchaus anmerkt.

*Lutz Lorenz

www.velspol.de

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