Josef Schmid: „Ich verstehe mich als Brückenbauer“

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Foto: Josef Schmid / CSU

Die Ehe für alle war dank der CSU auch ein halbes Jahr nach Inkrafttreten durch ein zumindest theoretisches Damoklesschwert bedroht. Die Landesregierung von Bayern hatte sich eine sogenannte Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht offengehalten und zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Anfang März kamen beide Gutachten zu dem Schluss, dass eine Klage kaum Aussicht auf Erfolg habe. Die Gutachter fanden kein „rechtlich zwingendes Argument, dass das Gesetz für die Ehe für alle gegen das Grundgesetz verstößt“. Ein guter Aufhänger, um beim Zweiten Bürgermeister der Landeshauptstadt, Josef Schmid, nachzufragen.

Herr Schmid, wie bewerten Sie persönlich die Entscheidung der Landesregierung, nun doch keine Verfassungsklage einzureichen?

Aus meiner Sicht spricht das Grundgesetz für die Verfassungsmäßigkeit der Ehe für homosexuelle Paare. Deswegen finde ich diese Entscheidung richtig. Die Ehe genießt besonderen Schutz in unseren Grundrechten. Dass dieser Schutz jetzt auch für gleichgeschlechtliche Ehen gilt, ist im Rahmen der Verfassungs- und Lebenswirklichkeit nur folgerichtig.

Wie war Ihre Einstellung zum Thema Öffnung der Ehe vorher? Hat sich durch die langjährige Diskussion darüber bei Ihnen oder in Ihrer Familie etwas verändert?

Ich habe mich bereits beim CSD 2015 für die Öffnung der Ehe ausgesprochen. Zugegeben: Ich war noch 2008 anderer Meinung, allerdings hat sich meine Einstellung geändert, nachdem ich auch im privaten Umfeld gesehen habe, dass der Wunsch, gegenseitig Verantwortung zu übernehmen, in einer zwischenmenschlichen Beziehung nicht davon abhängt, ob beide Partner unterschiedlichen Geschlechts sind. Es entspricht im Grunde einer urkonservativen Wertvorstellung, wenn sich Menschen dauerhaft binden und gegenseitig Verantwortung füreinander übernehmen. Gerade als Konservativer kann ich deswegen nur begrüßen, wenn zwei Menschen gegenseitige Verantwortung mit allen Rechten und Pflichten übernehmen wollen.

München setzt auch unabhängig vom Oktoberfest stark auf den Tourismus als wirtschaftliches Standbein. Die Weltoffenheit gegenüber anderen Religionen oder Lebensentwürfen ist dabei ein Markenkern. Wie sehen Sie die Stadt in diesem Bereich aktuell aufgestellt?

Weltoffenheit ist in der Tat ein Markenzeichen unserer Stadt. Nicht umsonst sind wir die Weltstadt mit Herz. Wir sind insgesamt als Stadt sehr gut aufgestellt. Die typisch Münchnerische Gelassenheit und die Liberalitas Bavariae prägen den Charakter unserer Stadt und machen uns beispielsweise zusammen mit unserem hervorragenden Kulturangebot interessant für Menschen aus aller Welt. Darauf können wir stolz sein.

Wo sehen Sie dennoch Verbesserungsmöglichkeiten? Wo soll München 2020 stehen?

Das gesellschaftliche Klima in München ist grundsätzlich gut, München ist eine weltoffene und tolerante Stadt. Gleichzeitig sollte man manchmal aufpassen, dass die Toleranz auch für Menschen gilt, die in bestimmten Fragen vielleicht anders denken. Beispiel Ehe für homosexuelle Paare: Für viele, gerade christlich orientierte Menschen, ist es nicht leicht, sich von der traditionellen Definition der Ehe zu lösen. Das hat in den seltensten Fällen etwas mit Ressentiments und Vorurteilen zu tun. In den allermeisten Fällen hat das seine Ursache in starken kulturellen Prägungen. Auch diese Einstellungen sind zu akzeptieren. Ändern kann dies nur der Dialog und die Toleranz gegenüber allen, nicht nur gegenüber denjenigen, die das gleiche Weltbild vertreten wie man selbst.

Welchen Stellenwert hat der CSD für das Bild, das München in die Welt sendet?

Der CSD ist mittlerweile nicht nur ein Highlight für die Szene, sondern für die gesamte Stadt. Als Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft, dem gleichzeitig auch der Tourismus untersteht, sehe ich natürlich auch hier die positiven Wirkungen für das Image Münchens in aller Welt. Vielfalt wird bei uns tagtäglich gelebt und beim CSD einmal im Jahr groß gefeiert. Das ist schon ein starkes Signal für die Weltstadt mit Herz.

Werden Sie selbst am CSD oder an queeren Veranstaltungen im Umfeld teilnehmen?

Seit 2012 trete ich jetzt schon bei dem politischen Teil des CSD für meine Partei auf. Anfangs war das nicht immer einfach, da die Vorbehalte gegen einen CSUler doch enorm waren und zum Teil heute noch sind. Aber ich verstehe mich als Brückenbauer und habe damit, glaube ich, auch schon viel erreicht. Mittlerweile hat die Münchner LSU (Lesben und Schwule in der CSU) sogar einen eigenen Wagen, auf dem ich natürlich mitfahre und mitfeiere.

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