Minderheitenrechte betreffen die Gesamtgesellschaft

by

Foto: Mark Kamin

Zum CSD zeigte das israelische Generalkonsulat Regenbogenflagge. Warum das selbstverständlich sein sollte und warum angefeindete Minderheiten zusammen gegen Hass und Diskriminierung aufstehen sollten, erklärt uns Sandra Simovich, Generalkonsulin des Staates Israel

Warum ist das israelische Generalkonsulat beim CSD in München dabei?

Ich würde eher fragen, warum sollten wir nicht dabei sein? Als diplomatische Vertretung des Staates Israel gibt es uns nun seit 2011 in München und wir möchten aktiv am Leben der Stadt teilnehmen. Wie sie vielleicht wissen, ist Israel, insbesondere Tel Aviv, sehr offen, wenn es um sexuelle Identität und Vielfalt geht. Dies trifft auch auf das Team im Generalkonsulat zu und uns sind die Rechte der LGBTIQ*-Gemeinde überall auf der Welt sehr wichtig, natürlich auch in München. Für uns ist es von besonderer Bedeutung, es macht uns wirklich stolz, dieses Jahr das erste Mal beim CSD und der PrideWeek in München dabei sein zu können.

Dass die Situation der LGBTIQ* -Community in Israel gut ist, überrascht vielleicht den einen oder die andere, wenn man sich die Situation für LGBTIQ* in der Region ansieht, in der Israel liegt. Wie sieht die Lage in Israel wirklich aus?

Da haben Sie recht. Israel liegt nicht im friedlichen und aufgeklärten Europa und hat in der Region eine klare Sonderstellung hinsichtlich der Rechte für die LGBTIQ*-Community. Tel Aviv wird aufgrund seiner Offenheit gegenüber Homosexuellen bereits seit 1998 als „Schwulenhauptstadt“ des Nahen Ostens genannt. Lassen Sie mich Ihnen sagen, Schwule und Lesben spielen eine ganz aktive und führende Rolle in Israel, insbesondere in Bereichen wie Fernsehen, Kultur, Medien, Filmindustrie und Theater. Wie sicherlich bekannt ist, gewann bereits 1998 Dana International, ein transsexueller Popstar, den Eurovision Song Contest für Israel. Dana ist seitdem eine Ikone der israelischen LGBTIQ*-Gemeinschaft und sehr populär in der gesamten Nation. Im selben Jahr wurde auch die erste Schwulenparade in Tel Aviv gefeiert und ab 2002 auch in den Straßen von Jerusalem. 2002 wurde Prof. Uzi Even als erster schwuler Abgeordneter in das israelische Parlament, die Knesset, gewählt. In vielen Städten Israels sind eine beträchtliche Anzahl von Vertretern der LGBTIQ*-Gemeinde in den Stadtrat gewählt worden. Zahlreiche offen homosexuelle Diplomaten vertreten Israel weltweit, wobei ihre Partner und Kinder voll vom Außenministerium anerkannt werden. Seit 2007 können gleichgeschlechtliche Partner ihre im Ausland geschlossene Ehe in Israel registrieren lassen und seit 2008 haben sie die gleichen Adoptionsrechte wie heterosexuelle Paare.

Natürlich ist die Situation für die LGBTIQ*-Gemeinde in Israel nicht perfekt und auch wir müssen noch einiges verbessern. Doch wir arbeiten daran und können damit hoffentlich auch in der gesamten Region des Nahen Ostens Positives bewirken.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen hiermit einen groben Überblick zu der Situation der LGBTIQ*-Gemeinde in Israel geben. Am besten wäre es aber, wenn Sie uns besuchen. Kommen Sie nach Israel und erleben Sie die gelebte Offenheit und Natürlichkeit gegenüber anderen Lebensstilen selbst.

Queeres Leben ist, ähnlich wie jüdisches, immer wieder Anfeindungen im öffentlichen Raum ausgesetzt. Sollten „Minderheiten“ gemeinsam dagegen vorgehen, um Kräfte zu bündeln?

Zusammenhalt ist immer gut und wichtig. Allerdings muss man verstehen, dass sowohl Antisemitismus wie auch Anfeindungen queeren Lebens uns alle, die gesamte Gesellschaft, angehen. Dies ist nicht nur das Problem der jeweiligen Gemeinde oder Minderheit, sondern das Problem der gesamten Gesellschaft. Genauso sind natürlich unter anderem Fremdenhass, Gewalt gegen Frauen und Mobbing an Schulen Probleme, die wir alle gemeinsam angehen müssen.Wir müssen mit offenen Augen, Ohren und Herzen durch das Leben gehen, Zivilcourage zeigen und füreinander einstehen. Wir haben das Glück, dass wir, in Deutschland wie in Israel, in starken Demokratien leben. Zivilcourage zeigen fängt schon damit an, bei Ungerechtigkeit nicht einfach wegzusehen, und bedarf nicht immer großen Mutes. Manchmal genügt es vielleicht schon, das Mobiltelefon in die Hand zu nehmen und die 110 zu wählen.

Daher spreche ich mich akut für eine Gemeinschaft und einen starken Zusammenhalt der gesamten Zivilgesellschaft aus.

Wie eng sind Ihre Verbindungen zur Deutsch-Israelischen Gesellschaft bzw. zum Jungen Forum der DIG? Sind außer dem CSD-Stand und der Demo weitere Aktivitäten geplant?

Unsere Beziehungen zur DIG und dem Jungen Forum sind sehr tief greifend und eng. Als Generalkonsulat des Staates Israel sind wir bemüht, mit möglichst vielen Menschen in Kontakt zu sein und ein wenig Israel nach Deutschland zu bringen. In beiden Gruppen haben wir treue Freunde gefunden, die uns hierbei unterstützen, eigene Informationsveranstaltungen planen und durchführen und sich für die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern sowie gegen Vorurteile, Israelhass und Antisemitismus einsetzen. Gemeinsam werden wir sicherlich noch viele gemeinsame Aktivitäten planen. Heute sind wir besonders froh und stolz, dass engagierte Vertreter des Jungen Forums der DIG aus München, Augsburg, Passau, Regensburg und sogar Frankfurt mit uns in der Polit-Parade laufen, um ein positives Zeichen für Vielfalt zu setzen.

Back to topbutton