München zwischen Kreuzoffensive – und Beratungsstelle für „ChemSex“

Foto: privat

Wer mit offenen Augen durch die Stadt ging, hatte es ahnen können in den Tagen und Wochen vor dem Vatertag. An den Laternenmasten, S-Bahn-Eingängen, Kneipenklos dieser Stadt: #noPAG. Der Slogan gegen das Polizeiaufgabengesetz der bayerischen Staatsregierung war plötzlich überall. Hingetagt, hingeklebt, auf Transparente gepinselt. Ganz offensichtlich waren viele Leute in dieser Stadt aufgewühlt – so sehr wie wohl zuletzt rund um die Pegida-Proteste und das Flüchtlingsthema 2014 und 2015. Doch wie groß die #noPAG-Demo am Vatertag dann tatsächlich wurde, hat wohl alle überrascht. Die Polizei sprach hinterher offiziell von 30 000 Teilnehmern. Wer da war, im Vergleich Bilder von Bayern-Meisterfeiern (offiziell 20 000 Fans) auf dem Marienplatz kennt oder einfach nur schon mal auf einer 10 000er-Demo war muss wohl sagen: Es dürften viel, viel mehr gewesen sein. Und: Das Besondere dieses Vatertags 2018 in der Münchner Innenstadt war nicht nur die Zahl. Es war auch die Zusammensetzung der Demo. Denn allzu oft, wenn nach Demos etwa gegen Neonazis die Rede von einem „breiten gesellschaftlichen Widerstand“ ist, ist die Wahrheit ja doch ein wenig anders: Dann hat eben wieder die Antifa demonstriert, die Grüne Jugend, ein paar Gewerkschafter. Doch dieses Mal war das anders: Alt-68er, Fußballfans, FDPler, Familien, Hipster und Jugendliche, die wohl noch nie auf einer Demo waren - sie alle kamen zusammen.

Die CSU hat ganz offensichtlich unterschätzt, wie viele Menschen sich an der Grenze von Freiheit und Sicherheit in Bayern auch 2018 dafür entscheiden, ihre Freiheitsrechte nicht eingeschränkt haben zu wollen. Mit dem Gesetz – wenige Tage nach der Demo und einigen Folgeprotesten im Landtag durchgepeitscht – bekommt die Polizei Befugnisse, wie sie bisher nur der Geheimdienst hat, kann Waffen bekommen, die bisher dem Militär vorbehalten sind, kann Maßnahmen auch bei „drohender Gefahr“ ergreifen, ein sehr vager Begriff.

Bleibt wie bei allen Protesten die Frage, ob die CSU es wirklich mit einer Bewegung zu tun bekommt, die sich bis zur Landtagwahl hält und möglicherweise eine für die Staatspartei gefährliche Eigendynamik bekommt. Oder, ob das Thema versandet und zurücktritt hinter andere Fragen.

Im Rathaus beobachtet man die Debatte mit Interesse, hält sich aber zurück. Überhaupt kommen dort die aufgeregten Diskussionen aus dem Landtagswahlkampf nur bedingt an. Markus Söders Kreuz-Offensive in staatlichen Behörden etwa ließ OB Dieter Reiter recht lässig abtropfen. Der Mann weiß, dass in München sehr viele Menschen mit den Kirchen nichts am Hut haben. Vor Jahren schon sagte er bei einer Menschenkette aller Religionen explizit, er grüße alle, die in die Kirche, in die Synagoge oder die Moschee gehen – „und alle, die lieber im Bett bleiben“. Auf eine Stadtrats-Anfrage, wie er mit Söders Kreuz-Idee verfahre, teilte er nun lediglich mit, er sehe keinen Anlass, in städtischen Einrichtungen irgendetwas zu ändern.

Unterdessen wollen die Grünen in diesen Wochen im Stadtrat beantragen, im SUB eine Beratungsstelle für „ChemSex“ einzurichten und dort Hilfe zu diesbezüglichen Problemen anzubieten. „Es gibt natürlich Drogenberatungsstellen“, sagt Grünen-Stadtrat Dominik Krause dazu, „aber dieser Beratungsbedarf wird dort nicht abgedeckt.“ Es gehe eben nicht nur um Drogen, sondern auch um Sex, „Und das Problem ist, dass die Leute im Bezug auf übertragbare Krankheiten durch den Drogenkonsum sorgloser werden.“

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