#Kolumne • Der Rundumschlag

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Als Bestsellerautorin und Comedian ist Entertainerin Nina Queer es gewohnt, ihre Umgebung genau zu sondieren. Natürlich gibt es in Krisenzeiten besonders viel zu entdecken. Schamlos und mit  einem Augenzwinkern schreibt sie für männer* in ihrem Tagebuch einer Überlebenden, über Erlebtes und Gesehenes.

Mit viel Humor hilft uns Madame Queer durch dunkle Zeiten. Der Rundumschlag!  

Foto: Selfie

Gestern beim Fleischer war eine junge Frau vor mir an der Reihe, die ganz stark sächselte. Ihren heftigen Dialekt zu entschlüsseln, damit man ihn in Menschensprache umwandeln kann, hätte im Normalfall schon Ewigkeiten gedauert. Die Tatsache, dass die besagte Frau auch noch einen Mundschutz trug und sie von einer unkundigen Fachkraft in Berlin-Mitte bedient wurde, ließ diesen Vorgang unmöglich und mich an diesem Tag zur Vegetarierin werden.

Manchmal tut es auch eine trockene Scheide mit Brot, die man in ein Glas Milch eintaucht. Ich war immer schon eine Zier der Bescheidenheit. In Corona-Zeiten will man sich ohnehin nicht länger als nötig in einem Raum mit anderen Menschen aufhalten. An der Supermarktkasse wurde ich von der Kassiererin geohrfeigt, weil ich mit Bargeld bezahlen wollte. Sie trug Latexhandschuhe. Ich hasse Latexhandschuhe. Was darauf gründet, dass ich mich vor Jahren einmal auf einen Perversen eingelassen habe, der mir unbedingt die Kunst des Fistens näherbringen wollte. Nach dem vierten Finger war Schluss bei mir. Danach war mein Mokkastübchen – vor Schreck – für ein halbes Jahr geschlossen.

Viele Freunde von mir trifft die Corona-Krise mitten ins Mark. Dass sie ihre Berufe verloren haben und womöglich bald ihr ganzes Barvermögen an einer Inflation draufgeht, ist ihnen scheißegal. Sie leiden darunter, dass sie sich den ganzen Tag auf Tinder, Grindr und Co mit heißen Typen schreiben, aber niemand zum Bumsen vorbeikommen will aus Angst davor, sich anzustecken.

Es sind jene Freunde, die mir stets gesagt haben, dass, wenn alle Stricke reißen, sie sich ja immer noch mit Prostitution über Wasser halten können. Tja. Mit dem offiziellen Verbot der Herumhurerei durch unsere Bundeskanzlerin ist auch ihre letzte Geldquelle versiegt. Da kann man ja von Glück reden, dass COVID-19 keinen schlimmen Gesichtsausschlag auslöst … das würde die eitlen Tucken doch reihenweise in den Selbstmord treiben. Denn schlimmer als eine nicht mehr funktionierende Lunge oder der Tod an sich wären nur noch ein paar ungeliebte Pickel in ihren wunderschönen, selbstverliebten Gesichtern.

Seit zwei Tagen riecht es komisch im Haus

Die Dealer im Görlitzer Park sind von Koks und Hasch auf Desinfektionsmittel umgestiegen, bleiben aber auf ihrer Ware sitzen, weil die Rich Kids of Berlin denken, dass Corona vor allem von einer dunklen Hautfarbe übertragen wird. Genau so dumm wie anzunehmen, dass die Krankheit nur alte Menschen umbringt.

Foto: S. Kurfess / unsplash / CC0

Wird das Virus denn auch durch Schweiß übertragen? Dem Koch bei meinem Lieblings-Araber sind nämlich einige Perlen an Flüssigkeit von der Stirn getropft, als er meinen Koriander-Hühnchen-Wrap rollte. Was mich früher geil machte, entfacht jetzt Angst bei mir. Ich glaube, die alte Frau unter mir ist gestorben. Seit zwei Tagen riecht es komisch im Haus. Nachsehen werde ich aber erst übermorgen, weil Menschen, die an Corona sterben, noch drei Tage nach ihrem Tod ansteckend sein können. Ich hab sie ohnehin nie besonders gemocht.

Das Schlimmste zum Schluss:

Alle Millionäre, mit denen ich befreundet bin, fordern Unterstützungsgeld an oder haben vor, ihre Miete nicht mehr zu zahlen. Nicht, weil sie es sich plötzlich nicht mehr leisten können, sondern weil sie den Staat ausbeuten wollen, weil genau dies eben jetzt möglich ist. Dieses Verhalten finde ich zum Kotzen. Vor allem, weil ich seit drei Tagen in einer Online-Warteschlange für die Unterstützung von Künstlern auf Hilfe warte, die ich voraussichtlich nie bekommen werde. Augenblicklich bin ich auf Warteposition 2.000.002.

Das verhält sich genau so wie bei meinem nuttigen Ex-Freund:

Jeder bekommt was, nur ich nicht. Story of my life.

In einer Gemeinschaft müssen eben alle mal zwei Schritte zurücktreten, um dann wieder einen großen Sprung nach vorne zu machen.

Bleibt oder werdet gesund!

Eure Nina Queer

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