#Kolumne • Corona-Rentner und die Ananas des Todes

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Nina Queer ist Bestsellerautorin, Kinostar und Deutschlands bekannteste Partyveranstalterin. Neben ihren Jobs im Radio und als Comedian findet sie einmal pro Woche die Zeit, um in männer* ihre Corona-Chroniken zu veröffentlichen. Mit viel schwarzem Humor und dem Schalk im Nacken lässt sie uns für einige Minuten Sorgen und Leid vergessen und zaubert uns stets ein Lächeln ins Gesicht. Böse Satire auf unserer besten Seite. Nina Queers Tagebuch einer Überlebenden.

Was hatte ich für eine herrliche Kolumne zum Thema „Lesben und Corona“ geschrieben! Leider wurde sie abgelehnt, weil ich mich über Lesben nicht lustig machen soll. Na gut. Dann eben über alte Menschen. Ich weiß nicht, warum das besser sein soll, aber BITTE SCHÖN:

Sollten nicht gerade alte Menschen zu Hause bleiben, weil sie besonders anfällig für Corona sind? Wunschdenken! Ich sehe sie einfach überall. Beim Taubenfüttern (obwohl Taubenfedern und Taubenkot das Atmen mit kaputten oder alten Lungen noch schwieriger machen), beim Spazierengehen mit ihren Enkeln oder im Supermarkt. Und mal ehrlich: Was nützt es, wenn Omi im Supermarkt einen Ganzkörper-Schutzanzug trägt, sich dann aber die Handschuhe auszieht, um bei 47 Ananassen nachzufühlen, welche wohl weich genug ist, um sie später im Heim mit der Gabel zu zerdrücken und sie dann ruckzuck durch die Schnabeltasse zu ziehen? Welche Keime und Viren betagte Herrschaften aus Supermärkten oder von ihren Spaziergängen mit ins Heim oder nach Hause bringen, will ich hier gar nicht erst aufzählen. Nur so viel: Der Tod kommt mit der Ananas.

Wenn ich im Supermarkt länger als fünf Minuten anstehen muss, bin ich beleidigt. Dann komme ich mir so billig vor. So schäbig. Nicht gut und berühmt genug, um an der Schlange vorbeizugehen, so wie ich es seit zwanzig Jahren aus der Berliner Klubkultur gewohnt bin. Es kann doch nicht angehen, dass ich im Berghain plus DREI auf der Gästeliste stehe und an einem Türsteher bei Penny scheitere, nur weil ich einen Liter Milch und ein Kilo Schattenmorellen kaufen möchte.

Die dreckigsten Supermärkte von gestern sind die hipsten Klubs von heute. Nur eben ohne Koks und Muschis. Dafür aber mit Kartoffeln und Maultaschen. An der Fleischtheke wurde ich schon vor Corona schlecht behandelt. Da ändert sich also nichts für mich. Die Wurstabschneiderinnen haben sich aber von der Krankheit wohl erhofft, gar nichts mehr anfassen zu müssen.

Meine Rache für die jahrelange Misshandlung ihrerseits – für all die zu dick und zu langsam abgeschnittenen Wurstscheiben – ist es, nun unendlich viele kleine Bestellungen aufzugeben und ihnen jedes Mal, wenn sie mir ein kleines Tütchen mit totem Tier herüberreichen, zärtlich über ihre Latexhandschuhe zu streicheln, bis zu der Stelle, an der der Handschuh bereits zu Ende ist und der Pullover noch nicht angefangen hat.

Ich berühre sie immer und immer wieder an ihrer empfänglichsten Stelle, und das völlig ohne Schutz. Menschenhaut an Menschenhaut. Das widert sie an. Lässt ihnen einen kalten Schauer über den Rücken laufen und sie an den bevorstehenden Tod denken.

Dann lächle ich freundlich, bedanke mich und huste so trocken, wie es mir nur irgend möglich ist, in die Armbeuge. Ich lasse die unhöflichen Kühe, die mich jahrelang gequält und mir vermutlich auf unzählige Wurstplatten gespuckt haben, mit der nackten Angst zurück, wohl wissend, dass sie sich bei mir sicher nicht anstecken werden.

Und wenn schon? Als Österreicherin gehe ich mit dem Tod und dem Humor darüber ja völlig anders um als Deutsche. Am Ende werde ich es – genau wie diese Kolumne – als großes Missverständnis abtun.

Bleibt oder werdet gesund

eure „Tiger Queen“ Nina Queer

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