„ES GEHT UM DAS RESPEKTVOLLE ZUSAMMENLEBEN.“

© LSVD

Gewalt gegen Schwule, Lesben und Trans* gehört immer noch zum Alltag. Unlängst wurde ein Gesetzentwurf gegen Hasskriminalität vorgelegt. Doch der stößt auf Kritik. Mit uns sprach Markus Ulrich vom LSVD-Bundesverband.

WAS IST GENAU DAS PROBLEM BEIM GESETZENTWURF?

Der Gesetzentwurf gegen Hasskriminalität benennt Homo- und Transphobie nicht explizit. Stattdessen geht er davon aus, dass Polizei und Justiz wissen, dass diese sehr häufig vorkommende Ursache für Gewalt durch den Zusatz „sonstige menschenverachtende“ Motive mitgemeint ist. Unsere Erfahrung zeigt jedoch: Wenn homo- und transphobe Hasskriminalität nicht ausdrücklich genannt ist, finden diese Beweggründe in der Praxis der polizeilichen Ermittlungen und strafrechtlichen Bewertung zu wenig Beachtung.

WIE KÖNNTE MAN DIES ÄNDERN?

Indem man sich an die Kriterien zur Erfassung politisch motivierter Kriminalität orientiert. Dort wird Hasskriminalität definiert als alle Straftaten, die „sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richten“. Ein Gesetz gegen Hasskriminalität, das alle Erscheinungsformen klar benennt, würde zu mehr Sensibilisierung in Polizei und Justiz führen und damit auch die Opfer dieser Straftaten ernst nehmen.

WÄRE ES FÜR EUCH WÜNSCHENSWERT, DASS DER BUND SICH BEIM AKTIONSPLAN GEGEN HOMOPHOBIE AN BERLIN ORIENTIERT?

Ein Aktionsplan des Bundes sollte auf alle Fälle Impulse und Erfahrungen aus den Ländern aufgreifen. Berlin ist dabei ein wichtiger Vorreiter und Vorbild. Bei einem Aktionsplan auf Bundesebene muss es um gleichberechtigte Teilhabe am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben gehen. Er darf sich auch nicht in staatlichen Absichtserklärungen erschöpfen, sondern muss breit in die Gesellschaft getragen werden. Alle gesellschaftlichen Kräfte sind aufgefordert, sich hier einzubringen: Vereine und Verbände, Gewerkschaften und Unternehmen, Medien, Wissenschaft, Kultur und Sport, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Es geht um das respektvolle Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft. Klar ist ebenso, dass dazu etwa auch die Öffnung der Ehe inklusive gemeinsamen Adoptionsrechts gehören muss. Es passt schlecht zusammen, einen Aktionsplan gegen Homophobie aufzustellen und gleichzeitig gleichgeschlechtliche Paare weiterhin als Staatsbürger/innen zweiter Klasse zu behandeln.

UND WIE KANN DER LSVD EINFLUSS AUF DIE POLITIK NEHMEN?

Wir gehen davon aus, dass der Aktionsplan nicht über die Köpfe von LSBT konzipiert wird und damit auch wir beteiligt sind. Beim geplanten Gesetz gegen Hasskriminalität werden wir eine Stellungnahme einreichen und bei den Anhörungen unseren Standpunkt verdeutlichen. Die SPD hat im Wahlkampf 100 % Gleichstellung versprochen. Das gilt es auch gegen den homophoben Widerstand der CDU/CSU durchzusetzen. Insbesondere dort, wo das Justizministerium mit einfachen gesetzlichen Regelungen und Verordnungen Gleichberechtigung herstellen kann, zum Beispiel im Abstammungsrecht. Die Bundesregierung muss nun auch mal liefern.

WAS SIND EURE PLÄNE FÜR 2015?

2015 wird der LSVD 25 Jahre alt. Das wird für uns Anlass sein, uns neben der rechtlichen Gleichstellung von LSBT verstärkt auf die gesellschaftliche Akzeptanz zu konzentrieren. Was heißt es heute eigentlich, lesbisch, schwul, bisexuell oder trans* zu leben? Dabei macht es einen Unterschied, ob man zum Beispiel lesbisch oder schwul lebt, in der Großstadt lebt oder auf dem Land, alt ist oder jung, weiß ist oder nicht, die deutsche Staatsbürgerschaft hat oder hier um Asyl und Aufenthalt kämpft, Kinder hat oder nicht. Aus dieser Vielfalt innerhalb der Community ergeben sich dann auch unterschiedliche Forderungen an die Politik und Öffentlichkeit. Mit unseren neuen Räumen hier in Berlin haben wir nun auch die Möglichkeit, mehr Veranstaltungen und Diskussionen zu diesen Themen durchzuführen.

•Interview: Michael Rädel

Internet: WWW.LSVD.DE

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