Gedenken: Alan Turing statt Stephen Hawking verewigt

by

Die Bank of England hat die neue 50-Pfund-Note vorgestellt, auf der der Mathematiker und Informatikpionier Alan Turing abgebildet ist. Damit wird dem schwulen Genie, das heute besonders für seine Mitarbeit an der Entschlüsselung deutscher Funksprüche im zweiten Weltkrieg bekannt ist, erneut eine große Ehre zuteil – und zugleich das Unrecht weiter aufgearbeitet, das die britische Regierung ihm Zeit seines Lebens zufügte. 

Diese Woche stellte die Bank of England die neue Banknote vor, die Alan Turing zeigt und offiziell am 23. Juni in Umlauf gebracht wird – der Tag wäre Turings 99. Geburtstag gewesen. Doch Turing starb am 7. Juni 1954 im Alter von nur 41 Jahren durch Suizid, nachdem er von der britischen Regierung wegen seiner Homosexualität verfolgt und chemisch kastriert wurde.

Andrew Bailey, der Gouverneur der Bank of England, bemerkte in seiner Rede anlässlich der Ehrung Turings:

„Alan Turing war ein schwuler Mann, dessen transformative Arbeit auf den Gebieten der Informatik, des Codeknackens und der Entwicklungsbiologie noch immer nicht genug war, um ihm die entsetzliche Behandlung zu ersparen, der er ausgesetzt war. Indem wir ihn auf dieser neuen 50-Pfund-Banknote abbilden, feiern wir ihn für seine Leistungen und die Werte, die er symbolisiert und auf die wir alle sehr stolz sein können.“


Turing setzte sich gegen Stephen Hawking durch

Vor zwei Jahren wurde ein Aufruf an die britische Bevölkerung gestartet: Sie sollten Wissenschaftler nominieren, die sie gerne auf der neuen Banknote sehen würden. Laut Bailey gingen fast 250.000 Antworten ein. Der Beratungsausschuss der Bank of England, das Banknote Character Advisory Committee, wählte aus rund 1.000 Nominierungen eine kurze Liste von 12 Personen aus und entschied sich schließlich für Turing, der sich gegen Rosalind Franklin, Ada Lovelace und Stephen Hawking durchsetzte.

Nun enthüllte die Bank das Design und die Merkmale der Banknote. Sie zeigt ein Bild von Turing und seine Unterschrift. Hinzu kommen mehrere visuellen Referenzen zu Turing und seiner Arbeit – zum Beispiel mathematische Formeln aus seinen Veröffentlichungen oder Zeichnungen der Dechiffriermaschine, sowie ein Tickerband, das sein Geburtsdatum in Binärcode darstellt.

Bailey bemerkte in seiner Rede, dass Turings Pionierarbeit im Bereich der Computertechnik und der künstlichen Intelligenz einen enormen Einfluss darauf gehabt habe, wie wir heute alle leben. Passend dazu prangt ein Zitat von Turing aus dem Jahr 1949 auf dem Geldschein, mit dem sich Turing Bailey zufolge als prophetisch erwiesen habe. Es stammt aus einem Interview, in dem Turing über seine bahnbrechende Maschine Pilot ACE sprach, einen der ersten Computer der Welt:

„Dies ist nur ein Vorgeschmack auf das, was kommen wird, und nur der Schatten dessen, was sein wird.“

Statt aus Papier besteht die neue Banknote aus Polymer, das länger haltbar und schwieriger zu fälschen ist. Die Banknote mit dem Technikgenie Turing darauf schließt sich damit der Serie der anderen Polymer-Banknoten an – auf der £5-Note ist Politiker Winston Churchill zu sehen, auf der £10-Note Schriftstellerin Jane Austen und auf dem £20-Schein William Turner, einer der bedeutendsten Maler Englands in der Romantik.


Die Wiedergutmachung dauert an

Turing steht als Symbol für Generationen schwuler Männer, denen von ihrer Regierung Unrecht angetan wurde oder die aufgrund ihrer Sexualität für ihre Leistungen nicht die Anerkennung bekamen, die ihnen gebührte. 2014 wurde seine Lebensgeschichte mit Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle verfilmt. Der Film The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben befasst sich mit Turings Rolle in der Beendigung des zweiten Weltkrieges durch die Entschlüsselung von deutschen Funksprüchen, die mithilfe der Rotor-Chiffirermaschine Enigma codiert wurden.

Die besondere Tragik in Turings Geschichte liegt in den Jahren nach dem Weltkrieg: Statt Dank und Ehre zu erhalten, wurde Turing von der britischen Regierung verfolgt – weil er homosexuell war. Da Homosexualität damals unter Strafe stand, wurde Turing im März 1952 schließlich vor die Wahl gestellt: Gefängnis oder chemische Kastration. Er wählte die Hormontabletten und nahm sich zwei Jahre später das Leben, vermutlich aufgrund von durch die Tabletten hervorgerufenen Depressionen.

2009 – mehr als 5 Jahrzehnte danach – entschuldigte sich der damalige britische Premierminister Gordon Brown im Namen der Regierung offiziell bei dem verstorbenen Informatiker und würdigte seine Verdienste während des Krieges. Am Heiligabend 2013, sieben Jahre vor Verkündigung des Brexitdeals, sprach Königin Elisabeth II. für Turing eine königliche Begnadigung aus, ein sogenanntes „Royal Pardon“. Doch die Aufarbeitung und Wiedergutmachung ist damit noch nicht abgeschlossen. Erst Ende letzten Jahres wurde Turing eine große Ehre zuteil – wenn auch eine in sozialen Netzwerken stark kritisierte:

Die britische Regierung gab im Rahmen des Brexit-Deals bekannt, dass das Studentenaustauschprogramm Erasmus für die Briten gestrichen und ein geplanter Ersatz nach Alan Turing benannt wird (wir berichteten). 

Back to topbutton