Großbritannien begnadigt mehr Opfer der Homosexuellenverfolgung

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In einem lang erwarteten Schritt kündigte die britische Regierung an, alle Personen, die wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen nach nicht mehr geltenden Gesetzen verurteilt wurden, demnächst zu begnadigen und ihre Vorstrafen aus dem Strafregister zu streichen.

Wie The Guardian berichtete, kündigte das britische Innenministerium am 4. Januar an, das bislang auf wenige Straftaten beschränkte „Alan Turing-Gesetz“ auszuweiten und alle Verurteilungen, die allein aufgrund einvernehmlicher homosexueller Handlungen im Rahmen der inzwischen abgeschafften Gesetze erfolgten, aus dem Strafregister zu streichen.

Das „Alan Turing-Gesetz“ – benannt nach dem brillanten Informatiker, der während des Zweiten Weltkriegs wegen Homosexualität verfolgt wurde – ist eine informelle Bezeichnung für ein Amnestiegesetz im Vereinigten Königreich, das im Policing and Crime Act 2017 enthalten ist (wir berichteten). Es beschränkt sich derzeit auf neun ehemalige Straftaten, die sich nach Angaben des Innenministeriums „größtenteils auf die aufgehobenen Straftaten der Unzucht und der groben Unzucht zwischen Männern“ konzentriert. Mit der neuen Änderung werden die Kriterien auf alle Personen ausgeweitet, die wegen eines nunmehr abgeschafften zivilen oder militärischen Vergehens verwarnt oder verurteilt wurden, das aufgrund von einvernehmlichem schwulen Sex verhängt wurde.

Betroffene Personen können – unter der Bedingung, dass die sexuelle Handlung nach aktuellem Recht legal ist und alle Beteiligten zum Zeitpunkt des Vorfalls 16 Jahre oder älter waren – die Streichung ihrer Vorstrafe aus dem Strafregister beantragen, sodass diese nicht mehr offengelegt werden muss. Der Plan sieht auch eine posthume Begnadigung für diejenigen vor, die vor und innerhalb von 12 Monaten nach Inkrafttreten der Änderungen gestorben sind.

Innenministerin Priti Patel erklärte, es sei folgerichtig, dass dort, wo Straftaten abgeschafft wurden, „Verurteilungen für einvernehmliche Aktivitäten zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern ebenfalls außer Acht gelassen werden sollten“. Die Ausweitung der Begnadigungsregelung werde hoffentlich dazu beitragen, so Patel

„das Unrecht der Vergangenheit zu korrigieren und den Mitgliedern der LGBT-Community die Gewissheit zu geben, dass Großbritannien einer der sichersten Orte der Welt ist, an dem sie zu Hause sind.“

Foto: EyePress News / EyePress via AFP

Kritik von Interessengruppen

LGBTIQ*-Organisationen sehen in der Ausweitung des "Turing-Gesetzes" einen längst überfälligen, aber begrüßenswerten Schritt. Die LGBT Foundation forderte die Regierung jedoch dazu auf, sich offiziell bei den von den ungerechtfertigten Verurteilungen Betroffenen zu entschuldigen. „Die posthume Begnadigung ist nur eine symbolische Geste für diejenigen, die seitdem gestorben sind, ohne ihren Namen reinzuwaschen“, heißt es in einer entsprechenden Erklärung. Die Regierung müsse „den Schmerz, das Trauma und die lebenslange Schuld und das Stigma anerkennen [...], die diese Verurteilungen für viele LGBTIQ-Menschen bedeuteten, die einfach nur versuchten, ihr Leben zu leben.“ 

Betroffene sollten zudem nicht dazu gezwungen werden, die Aufhebung ihrer Verurteilung selbst beantragen zu müssen, das habe das Potenzial, „vergangene Traumata wieder aufleben zu lassen“. Alle historischen Verurteilungen sollten automatisch gelöscht werden, schlug die LGBT Foundation vor.

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