Ehe für alle – Schweizer Parlament verschiebt Entscheidung

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In der Schweiz stand am Mittwoch die Abstimmung über die Gesetzesänderung für die gleichgeschlechtliche Ehe auf dem Programm. Nach kurzer Diskussion im Parlament wurde die Debatte jedoch abgebrochen und die Entscheidung auf den 11. Juni vertagt. 

Dass die Einführung der Ehe für alle in der Schweiz nur noch der formalen Zustimmung des Nationalrats bedarf, war klar. Die Mehrheit im Schweizer Parlament würde für eine Gesetzesänderung stimmen, das stand schon länger fest. Entsprechend groß war am Mittwoch die Vorfreude vieler homosexueller Paare in der Schweiz über das baldige Ertönen schwul/lesbischer Hochzeitsglocken.

Doch zu früh gefreut: Sobald es um’s Kinderkriegen geht, ist es mit der Einigkeit allem Anschein nach vorbei. In der Frage, ob lesbische Paare mittels Samenspende Kinder bekommen dürfen, wollte sich im Nationalrat partout keine Einigkeit erzielen lassen. Der Streit verzögerte den Programmablauf, kurz darauf kündigte Nationalratspräsidentin Isabelle Moret an, die Debatte zu vertagen. Am 11. Juni, also zumindest noch in dieser Session, soll nun endgültig darüber entschieden werden.

Der für gestern geplanten Abstimmung ging ein jahrelanges gesetzgeberischer Hin und Her mit unzähligen Diskussionen voraus. Schon vor sieben Jahren reichten die Grünliberalen eine parlamentarische Initiative ein, in der sie forderten, dass die Ehe für alle geöffnet wird. Doch während Sozialdemokraten (SP), Grüne, Grünliberale und fast die gesamte Riege der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) seit jeher für die Einführung waren, stimmten die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) und die Schweizer Volkspartei (SVP) stets gegen eine Gesetzesänderung. 

Schweizer Bevölkerung mehrheitlich für Ehe für alle 

Erst, als eine im Oktober 2019 durchgeführte Umfrage des gfs-zürich mit 1.012 Interviews gezeigt hat, dass sogar CVP- und SVP-Wähler mehrheitlich dafür sind, dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen, kam der Stein ins Rollen.

Grafik: gfs Zürich

Während die SVP bei ihrem Nein blieb, haben die Ergebnisse der Umfrage die CVP dazu veranlasst, ihre Position zu ändern. In weiterer Folge unterstützte die CVP einen Kompromissvorschlag, die sogenannte Kernvorlage, welche die Ehe für alle und die Adoption von Kindern erlaubt, Samenspenden für lesbische Paare aber verbietet, da

„der Zugang zur Samenspende für miteinander verheiratete Frauen zu einer Ungleichbehandlung zwischen lesbischen und schwulen Ehepaaren führen würde“.

Ob das Parlament in dieser Sache eine Einigung erzielen wird oder ob die Öffnung des Zugangs zur Samenspende – wie in der Kernvorlage befürchtet – weiterhin ein politisches Risiko für die Öffnung der Ehe als Ganzes darstellen könnte, wird sich am 11. Juni zeigen.

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