„Wehret den Anfängen!“ Liechtensteinischer Erzbischof protestiert gegen „Ehe für alle“

by

Als eines der letzten mitteleuropäischen Ländern will endlich auch Liechtenstein die bestehende rechtliche Diskriminierung homosexueller Paare beseitigen. Dem Erzbischof von Vaduz, Wolfgang Haas, passt das gar nicht. Wegen der parlamentarischen Unterstützung des Antrags „Ehe für alle“ sagte Haas eine Messe zur Eröffnung des Liechtensteiner Landtags am 26. Januar ab.

Die Schweiz hat die Ehe für alle mit Volksabstimmung im Herbst 2021 eingeführt (männer* berichtete), in Österreich hatte der Verfassungsgerichtshof die Ehe schon zwei Jahre vorher für alle geöffnet (männer* berichtete). Im dazwischen liegenden Liechtenstein gibt es seit einer Volksabstimmung im Jahr 2011 zwar eine eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare, von der gleichgestellten zivilrechtlichen Ehe bleiben homosexuelle Paare aber bis heute ausgeschlossen. Das beschert Liechtenstein im Rainbow-Index der ILGA-Europe den traurigen 38. Platz von insgesamt 49 europäischen Ländern.

Das Inseldasein zwischen den beiden progressiven Nachbarländern soll nun ein Ende haben. Schon im Mai 2022 hatte der Landtag einen Gesetzesartikel aufgehoben, der die Adoption und die Fortpflanzungsmedizin für Paare in eingetragener Partnerschaft aufhob, und am 21. September 2022 reichten 15 Abgeordnete – darunter alle Abgeordneten der Fortschrittlichen Bürgerpartei (FBP) und der Freien Liste sowie zwei Parlamentarierinnen von der Vaterländischen Union (VU) – eine Motion zur Einführung der zivilrechtlichen „Ehe für alle” ein. Bei insgesamt 25 Abgeordneten ist die Mehrheit im Landtag damit bereits gesichert.

Foto: facebook.com/flay.liechtenstein

Über die Pflichten eines katholischen Parlamentariers

Ewig gestrigen Vertretern des liechtensteinischen Klerus wie dem Vaduzer Erzbischof Wolfang Haas ging das zu weit. Noch vor der Einreichung der Motion zeigte sich Haas in einer öffentlichen Erklärung darüber empört, dass das mehrheitlich katholische Liechtenstein sich diese Frage überhaupt zu stellen wagt. Schließlich habe er schon 2010 deutlich gemacht, dass eine rechtliche Institutionalisierung für die katholische Kirche, ganz besonders aber für das Erzbistums Vaduz unannehmbar sei.

Zur Untermauerung seiner Ablehnung verwies Haas auf ein 20 Jahre altes Schreiben von Papst Johannes Paul II. Dieser schrieb 2003 in seinen Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen, dass der

„katholische Parlamentarier die sittliche Pflicht [hat], klar und öffentlich seinen Widerspruch zu äußern und gegen den Gesetzentwurf zu votieren. Die eigene Stimme einem für das Gemeinwohl der Gesellschaft so schädlichen Gesetzestext zu geben, ist eine schwerwiegend unsittliche Handlung“.

„Wehret den Anfängen!“

Weil seine kirchenamtliche Klarstellung bezüglich der „Ehe für alle“ aber nicht die erhoffte Wirkung im Liechtensteiner Landtag erzielte und die Abgeordneten weiterhin gewillt waren, die Motion zur Ausarbeitung einer entsprechenden Gesetzesvorlage an die Regierung zu überweisen, musste der Erzbischof nachlegen. Darüber verärgert, dass seine Schäfchen so gar nicht gehorchen wollen, sagte Haas den „Heilig-Geist“-Gottesdienst, der traditionell zu Beginn der Eröffnungssitzung des Liechtensteiner Parlaments am 26. Januar stattfindet, ab. Die Messe wird üblicherweise von Gesetzgebern und Regierungsmitgliedern besucht.

Über das offizielle Bulletin der Erzdiözese Vaduz – veröffentlicht auf dem Portal kath.ch – ließ Haas verlautbaren, er sehe sich gezwungen, die Messe abzusagen, „da eine solche liturgische Feier im Hinblick auf das parlamentarische Verhalten der weit überwiegenden Mehrzahl unserer Landtagsabgeordneten […] keinen Sinn mehr ergibt“.

„Grossmehrheitlich wurde [...] für die Einführung dieser sowohl dem natürlichen Empfinden, dem vernunftgemässen Naturrecht wie insbesondere dem christlichen Verständnis des Menschen, wie es der göttlichen Schöpfungsordnung entspricht, widersprechende Pseudo-Ehe votiert.“

Es zeige sich einmal mehr, so Haas, „wie notwendig es im Sinne der religiösen Glaubwürdigkeit ist, jeder Form einer öffentlichen bzw. institutionellen kirchlichen Verbrämung zu wehren und eine solche zu vermeiden“.

„Ein stets gültiges Prinzip lautet nämlich: Wehret den Anfängen! Die Folgen sittlichen Fchlverhaltens sind erfahrungsgemäss katastrophal. Die Einführung der sogenannten ‚Ehe für alle‘ mit all den damit verbundenen Auswüchsen wird nicht zuletzt auch im erzieherischen Bereich zu einem moralischen Dammbruch führen, wie dies bereits in verschiedenen Ländern festzustellen ist, wo die Gender- und LGBT-Propaganda bis in die Schulen hinein gelangt ist.“

Ärger wegen Pride

Es ist nicht das erste Mal, dass der Erzbischof mit der Vorenthaltung seiner kirchlichen Gnaden gegen LGBTIQ*-Rechte protestiert. Laut kath.ch sagte Haas im Juni letzten Jahres ein Mittagessen mit Daniel Hilti, dem Vorsteher der Gemeinde Schaan, aus Protest gegen eine Pride-Veranstaltung in Schaan ab. Es war der erste Pride in der Geschichte des Fürstentums Liechtenstein.

Wer ist Wolfgang Haas?

Das Erzbistum Vaduz gibt es erst, seit Papst Johannes Paul II. das bis dahin nicht existente Erzbistum vor 25 Jahren ins Leben rief, indem er es vom Territorium des Schweizer Bistums Chur abtrennte. Es gehört zu keiner Bischofskonferenz und untersteht direkt dem Heiligen Stuhl. Zum Erzbischof der neuen Erzdiözese ernannte Johannes Paul II. den Churer Bischof Wolfgang Haas, der laut katholisch.de aufgrund seiner äußerst konservativen Amtsführung und seines Kommunikationsstils im Bistum Chur nicht mehr zu halten war.

Foto: Michelle Limina / Keystone / Keystone via AFP

Gegen die Amtseinsetzung von Wolfgang Haas als Erzbischof wurde in Liechtenstein mit einem Schweigemarsch protestiert. Rund 300 Personen gingen am 21. Dezember 1997 auf die Straße. An der Protestkundgebung ergriffen Vertreter*innen aus den Bereichen Kirche, Politik sowie Kultur und Gesellschaft das Wort und äußerten die Befürchtung, der neue Erzbischof könnte einen Keil in die Landeskirche treiben.

Tröstlich: Im August wird Erzbischof Haas 75 Jahre alt. Laut Kirchenrecht muss er dann altersbedingt dem Papst seinen Rücktritt anbieten.

Back to topbutton