Schweiz: Bangen um Ehe für alle geht weiter

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In der Schweiz ist die Zitterpartie um die Einführung der Ehe für alle noch nicht ausgestanden. Gegner*innen der Gleichstellung haben genügend Unterschriften gesammelt, um das Volk in einem Referendum abstimmen zu lassen.

Als am 18. Dezember 2020 die Einführung der Ehe für alle im Schweizer National- und Ständerat beschlossen wurde (wir berichteten), kündigten Ultrakonservative bereits an, die Ehe für alle per Volksentscheid stürzen zu wollen. Innerhalb von 100 Tagen mussten die Gegner*innen der Gesetzesvorlage 50.000 Unterschriften sammeln, damit ein Referendum zustande kommt.

Seit Freitag steht fest: Der Aufruf zur Volksabstimmung war erfolgreich. Etwa 60.000 Schweizer*innen sollen Schätzungen zufolge bis 10. April unterzeichnet haben. Die beglaubigten Unterschriften will das Referendumskomitee heute bei der Bundeskanzlei einreichen. Befürworter*innen der Ehe für alle haben sich schon formiert, um dagegen zu protestieren.

Über das Datum der Abstimmung wird der Schweizer Bundesrat entscheiden. Maria von Känel, Geschäftsleiterin des Verbands Regenbogenfamilien und Co-Präsidentin des nationalen Komitees Ehe für alle erwartet das Referendum im Herbst: „Wir gehen davon aus, dass es im September oder November sein wird“, sagte sie dem Schweizer Nachrichtenportal Watson.

Ehe für alle als „destruktives Gesellschaftsexperiment?

Gegner*innen der Gesetzesvorlage sehen in der Ehe für alle eine Mogelpackung oder Fake-Ehe, wie es auf der Webseite des Referendumskomitees „Nein zur Ehe für alle“ heißt. Die Gleichstellung homosexueller Ehepaare sei eine historische Weichenstellung mit einschneidenden Konsequenzen für die Gesellschaftsordnung:

„Das bewährte Gleichgewicht, wonach die Verbindung zwischen Mann und Frau im besiegelten Bund der Ehe das Rückgrat von Staat und Gesellschaft bildet, steht durch die ‚Öffnung‘ der Ehe für alle ernsthaft auf dem Spiel.“

Zum Referendumskomitee gehören neben Mitgliedern der nationalkonservativen, rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) auch Nationalrät*innen und Politiker*innen der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) und der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP).

Auch von religiöser Seite erhielt die Volksinitiative „Nein zur Ehe für alle“ Unterstützung. Das als erzkonservativ geltende Bistum Chur hatte in einer E-Mail alle Priestern, Diakonen und kirchlichen Mitarbeiter*innen dazu aufgerufen, sich für das Referendum zu engagieren. Die Schweizerische Evangelische Allianz, die sich vor allem am Adoptionsrecht inklusive Samenspende für lesbische Paare stört, sprach sich in einer Stellungnahme mit dem Titel „Ein Kind braucht Vater und Mutter“ ebenfalls gegen die Ehe für alle aus. Der Verband, der vor allem evangelikale Kirchengemeinden vertritt, sieht auch gar keinen Grund für eine Gleichbehandlung von hetero- und homosexuellen Partnerschaften, schließlich würden sich diese in der Fähigkeit zur natürlichen Fortpflanzung ja auch unterscheiden.

Referendumskomitee reicht Strafanzeige ein

Unterdessen hat der Trägerverein des Referendumskomitees gegen die Raiffeisenbank Zug eine Strafanzeige wegen Diskriminierung eingereicht. Mehrere Schweizer Banken hatten dem Komitee die Eröffnung eines Kontos (vereinzelt mit der Begründung, man befürchte einen Reputationsschaden) verweigert. Nach Einschätzung des Vereins haben die Banken damit die Rassismus-Strafnorm (Art. 261bis StGB) verletzt.

Art. 261bis des Schweizer Strafgesetzbuchs verbietet die „Diskriminierung und Aufruf zu Hass“ aufgrund von Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung:

„[...] wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verweigert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft“.

Ob sich das Referendumskomitee selbst eher als Rasse, Ethnie, Religionsgemeinschaft oder sexuelle Orientierung versteht, wird erst noch zu klären sein.

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