El Salvador: Schwuler Politiker will Geschichte schreiben

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Erick Iván Ortiz plant, El Salvadors erster offen schwuler Abgeordneter zu werden. Der 29-Jährige von der neuen Partei Nuestro Tiempo gilt als einer der ambitioniertesten Kandidaten für die bevorstehenden Wahlen im Februar 2021.

Das Parlament von El Salvador, die Asamblea Legislativa de la República de El Salvador, besteht aus nur einer Kammer mit 84 Abgeordneten, die für jeweils drei Jahre gewählt werden. In den letzten drei Jahrzehnten bestimmten die rechtskonservative ARENA (Alianza Republicana Nacionalista de El Salvador) und die aus der ehemaligen Guerilla entstandene linke Partei FMLN (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional) die Politik des Landes. Bis zur Wahl von Nayib Bukele im Jahr 2019 stellten die beiden Parteien abwechselnd den Präsidenten. Bei den kommenden Wahlen, die am 28. Februar 2021 stattfinden sollen, dürfte die Konkurrenz für das alteingesessene Zweiparteiensystem noch größer werden – zumindest, wenn es nach Erick Iván Ortiz von der Partei Nuestro Tiempo geht.

Am 7. August präsentierte der offen schwul lebende Politiker dem Magazin The Blade seine Pläne für den Aufbau einer neuen salvadorianischen Gesellschaft.

Die politische Karriere des 29-Jährigen, der Wirtschaftswissenschaften an der Higher School of Economics and Business in Santa Tecla, El Salvador, und Menschenrechte an der katholischen Universität Luis Amigó in Medellín, Kolumbien, studierte, begann vor rund einem Jahrzehnt im Jugendflügel der rechtskonservativen Republikanischen Nationalistischen Allianz (ARENA). Auf die Frage, wie es dazu kam, dass die ersten politischen Gehversuche im rechten Lager stattfanden, erklärte Ortiz, dass die Herausforderung „nicht darin besteht, mit denen zu sprechen, die überzeugt sind, sondern dort, wo die Dinge komplizierter sind“. Es sei wichtig gewesen, eine interne Auseinandersetzung über bestimmte Themen anzuregen.

Ortiz, der sich in diesen Jahren selbst als Akteur des Wandels gesehen hatte, leitete seit 2011 Räume und Plattformen für Jugendliche und zivile Vereinigungen, die sich mit der Förderung und Verteidigung von Menschenrechten der LGBTIQ*-Bevölkerung befassten. Als Ortiz während der Präsidentschaftskampagne 2014 aber mit ansehen musste, wie mit queeren Themen negativer Wahlkampf gemacht wird, habe er erkannt, dass die sexistische, gewalttätige und homophobe Gesellschaft El Salvadors „eine soziale Konstruktion ist, die wir geschaffen haben“.

Dieses Erlebnis gab den Anstoß, sich zu organisieren. 2015 gründete Ortiz gemeinsam mit anderen das Colectivo Normal, eine kulturelle und politische Interessenvertretung, die den Diskurs über die LGBTIQ*-Community mithilfe von Kunst und Kultur zu verändern versucht. Das sei ein ständiger Lernprozess, auch innerhalb der Community.


»Ha llegado nuestro tiempo. El tiempo de la ciudadanía.« (Unsere Zeit ist gekommen. Die Zeit der Staatsbürgerschaft.)

„Angesichts einer offen gegen die Rechte gerichteten Regierung, die uns unsichtbar gemacht und LGBTI-Themen heruntergespielt hat, habe ich beschlossen, den Sprung zu wagen und die Regierungsgeschäfte unserer Vertretung zu übernehmen und mich an vorderster Front in der Politik zu engagieren“, sagte Ortiz gegenüber The Blade. Er wechselte zur Partei Nuestro Tiempo, „weil es eine Partei ist, die Vielfalt als einen ihrer sieben Grundsätze definiert“.

Mit dem Slogan „Ha llegado nuestro tiempo. El tiempo de la ciudadanía“ verspricht Nuestro Tiempo den Anbruch einer neuen Zeit der Gleichberechtigung:

„Wir wollen keine besonderen Rechte. Es geht darum, den Zugang zur Justiz zu gewährleisten, die Straflosigkeit gegen Hassverbrechen zu bekämpfen und sicherzustellen, dass es keine Diskriminierung im Arbeitssektor, im Gesundheitswesen und in der Bildung gibt, um nur einige zu nennen.“ 

Wie viele lateinamerikanische Länder ist El Salvador historisch stark von Sexismus und Homophobie geprägt. Gewalt gegen Frauen und LGBTIQ*s stehen in der salvadorianischen Gesellschaft an der Tagesordnung. El Salvador hat auch eine der weltweit höchsten Raten an Transvestiziden und Transfemiziden. Es geht sogar so weit, dass Trans*menschen von der Polizei ermordet werden (wir berichteten).

Dass er als schwuler Mann nicht alle Segmente der queeren Community vollständig repräsentieren kann, ist ihm klar. Aber „Ich konnte von El Salvadors besten Trans-Aktivisten wie Karla Avelar, Karla Guevara, Ambar Alfaro, Paty Hernández und anderen lernen und mich an ihrer Seite verbessern“, sagte Ortiz The Blade.

„Letztendlich geht es beim LGBTI-Kampf darum, für einen El Salvador zu kämpfen, das integrativer, gerechter und friedlicher ist“, erklärte Ortiz, und stellt klar, dass er die gesamte Gesellschaft meint. „Das einzige, was wir fordern, ist Gleichberechtigung“, sagte er. 

„Unser Ziel ist der Aufbau eines besseren Landes; eines Landes, das alle Salvadorianer einschließt, das durch eine neue Führung und die Beteiligung der Bürger am öffentlichen Leben aufgebaut wird.“ 

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