#Interview • Ghanas LGBTIQ*-Bewegung kommt raus

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Wie lebt es sich als schwuler Mann in Ghana – einem Land, in dem Sex zwischen Männern illegal ist und mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann? Alex Kofi Donkor (29) ist eines der bekanntesten Gesichter der lokalen Queercommunity. Er ist Leiter der Organisation LGBT+ Rights Ghana und auch Vorsitzender der Facebook-Seite „Ghana Gay Blackmail List“ – hier wehrt sich die Community erstmals aktiv gegen Erpresser, Gewalt und Homophobie (wir berichteten). männer* sprach mit dem 29-jährigen Aktivisten über die Situation der Community, über sein Leben und Lieben und über das, was sich ändern muss.

Du bist seit eurer Gründung im letzten Jahr Leiter der Organisation LGBT+ Rights Ghana. Wie sehen die Aufgaben aus, die du im Rahmen deiner Position erfüllen musst?

Als Leiter ist man die erste Person, die andere kontaktieren, wenn sie Probleme haben. Ich bekomme ständig Anrufe wegen Gewalttaten, Erpressungsversuchen und anderen Schwierigkeiten. Abgesehen davon kostet es viel Zeit und Energie, uns auf das Level zu bringen, auf das wir kommen wollen. Und es ist eine Volunteer-Position, für die ich kein Gehalt oder Zulagen erhalte und die ich neben meiner bezahlten Arbeit ausübe. 

Crowdfunding für LGBT+ Ghana

Aber du tust es gerne?

Auf jeden Fall. Meine Liebe zur Community treibt mich an. Die Tatsache, dass wir trotz aller Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, immer noch in der Lage sind, uns selbst und andere zu lieben, uns als Gemeinschaft zu treffen und uns zu feiern und einfach zu leben – das ist etwas, das ich an unserer Community sehr bewundere. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich die Dinge zum Besseren verändern müssen. Wir sind gleichberechtigte Bürger dieses Landes und sollten dieselben Rechte und Privilegien wie alle Ghanaer genießen! Das ist es, was mich dazu bringt, immer weiter zu kämpfen. Denn wir können nicht in Angst leben, und wir können nicht ewig Bürger zweiter Klasse in unserem eigenen Land sein.

Du lebst offen schwul, betreibst Aufklärungsarbeit und bist auch als Model tätig – wirst du auf der Straße oft erkannt? Hast du aktive Diskriminierung oder Missbrauch am eigenen Leib erlebt?

Die Reaktionen sind gemischt: Es gibt Menschen, die wirklich sehr aufgeschlossen sind – und solche, die offen homophob und gemein reagieren. Aber von Freunden und Familie habe ich noch keine negativen Reaktionen erfahren. Was Fremde denken, interessiert mich nicht – und ich glaube, das muss es auch nicht.

Anfang August haben dein Partner und du eure Beziehung in sozialen Medien öffentlich gemacht. Wie waren die Reaktionen?

Für mich war das nicht das erste Mal – er jedoch war sehr besorgt darüber, was die Menschen sagen würden. Es war für ihn dann auch etwas überwältigend, da er sehr viele Anrufe und Nachrichten bekam. Zuvor hatte er sich zwar vor einigen Freunden geoutet, aber nicht vor dem ganzen Land.

Wie war deine Kindheit und Jugend als schwuler Junge in Ghana?

Ich komme aus einer Familie, die an ihren religiösen Überzeugungen festhält. Es war schwierig für mich, mich bezüglich meiner Homosexualität niemandem anvertrauen zu können. 2016 habe ich mich geoutet, oder besser gesagt, ich wurde geoutet. Seitdem habe ich mich mit meiner Sexualität auseinandergesetzt und es geschafft, mich als schwulen Mann zu akzeptieren. Das war für mich ein Prozess. Heute bin ich glücklich mit mir selbst, meinem Leben und mit der Tatsache, dass ich geoutet bin und mich bei niemandem für meine Sexualität entschuldigen muss. Es gibt nichts an mir, was ich gerne ändern würde.

Wie ist die Situation für queere Menschen in Ghana?

Nicht gut – queere Menschen werden wegen ihrer vermeintlichen sexuellen Orientierung erpresst, missbraucht oder angegriffen. Außerdem verbreiten homophobe Politiker, Anführer oder Personen des öffentlichen Lebens ihre queerfeindlichen Ansichten in den Medien. Die Situation muss sich auf jeden Fall ändern – und wir sind bereit, dafür zu kämpfen.

Es liegt an uns als Community, gegen Gesetze vorzugehen, die uns diskriminieren – und wiederum Gesetze voranzutreiben, die uns als LGBTIQs beschützen. Wir sind voller Hoffnung, dass wir in naher Zukunft eine Änderung erreichen.

Wie hat sich die Community in den letzten Jahren entwickelt?

Unsere Queercommunity in Ghana befindet sich im Aufbau, sie wächst stetig. Früher gab es kaum Sichtbarkeit. Jetzt haben wir endlich Seiten in sozialen Medien, auf denen wir ohne Umschweife und ganz offen über unsere Probleme und andere Dinge reden, die uns beschäftigen. Wir schämen uns nicht für die Dinge, die wir dort posten. Und dass wir Räume, auch virtueller Art, wie alle anderen Bürger des Landes für uns beanspruchen, ist ein großer Fortschritt.

Dennoch ist es natürlich ein stetiger Prozess, der Zeit brauchen wird – und finanzielle Ressourcen, die wir derzeit noch nicht haben.

Wie organisiert ihr euch, wo trifft man sich?

Wegen des noch immer hohen Maßes an Homophobie im Land trauen wir uns noch nicht, deutlich sichtbar aufzutreten. Wir haben noch keinen festen Platz, an dem wir uns treffen.

Es ist eine Vorsichtsmaßnahme. Wenn bekannt wird, dass sich an einer bestimmten Location oder einem Ort viele LGBTs treffen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Menschen diesen Ort angreifen. Es gab in der Vergangenheit einige solcher Attacken gegen Locations, die als LGBT-Treffpunkte bekannt waren. Irgendwann hoffen wir, einen festen Platz zu haben, an dem wir uns treffen und als Community voneinander lernen können.

Foto: LGBT+ Rights Ghana

Als Bewegung sind wir immer noch dabei, uns zu organisieren und aufzubauen. Es ist wirklich eine Herausforderung.

Hast du je darüber nachgedacht, Ghana zu verlassen?

Nein. Ich bin im Rahmen meiner Tätigkeit schon in viele andere Länder gereist, ich war bereits drei Mal in Europa – jedes Mal bin ich gerne wieder zurückgekehrt. Natürlich wäre ich froh, wenn ich in dem Land, in dem ich geboren wurde, als schwuler Mann nicht jedes Mal über meine Schulter blicken müsste, wenn ich eine Straße entlanggehe. Aber ich kann nicht einfach die Lage hier hinter mir lassen und in einem anderen Land leben. Die Dinge müssen sich ändern. Hier. Ich fühle mich verantwortlich. Wenn ich reise, dann komme ich zurück, um damit weiterzumachen, womit wir begonnen haben. Ich konzentriere mich nur auf Ghana – und auf das, was ich dem Land bieten kann. Damit wir eines Tages an den Punkt kommen, an dem wir als gleichberechtigte Bürger dieses Landes leben können.

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