Orban und der Papst: Brüder im Geiste?

Orban und der Papst sehen das Christentum unterschiedlich – Franziskus besucht ungarischen Regierungschef das zweite Mal binnen zwei Jahren.

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Orban bezeichnet sich als „Verteidiger des christlichen Europas“, wich aber schon häufig von den Botschaften des Papstes ab, etwa bei den Themen Migration oder Rechte von Homosexuellen. Bei der Migration beschreibt sich der rechtsnationalistische ungarische Regierungschef als Wächter eines „christlichen Europas“ gegen Einflüsse aus dem arabischen Raum.

Papst liberaler als Orban?

Der Papst hingegen ruft regelmäßig zur Hilfe für Menschen aller Konfessionen auf, die vor Krieg und Armut flüchten.  Beim Thema Rechte von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten steht Orbans strikte Anti-LGBTIQ*-Politik im Kontrast zur relativ liberalen Haltung des Papstes. Franziskus hatte in Dokumentarfilmen gesagt, Homosexuelle seien „Kinder Gottes“. Im Jahr 2020 sprach er sich für den Schutz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften aus - auch Homosexuelle hätten das Recht auf eine Familie. 

Orbans Regierung verbot dagegen unter anderem die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare und den Eintrag von Geschlechtsumwandlungen im Personenstandsregister. Seit 2021 ist es in Ungarn auch verboten, mit Minderjährigen über Homosexualität oder Geschlechtsangleichungen zu sprechen. Der ungarische Regierungschef hat es sich zum Ziel gesetzt, Religion und Politik in dem weitgehend säkularen Land wieder stärker zusammenzuführen. Orban verstärkte in den vergangenen zwei Jahren seine Verbindungen zur katholischen Kirche, auch wenn er sich zuvor als nicht-religiös bezeichnet hatte und einen calvinistischen Hintergrund hat. Insbesondere die sogenannte Re-Christianisierung der Schulen hat Orban vorangetrieben. Vor der Zeit des Kommunismus in Ungarn waren 20 Prozent der Schulen katholisch – bis in die frühen 2000er-Jahre fiel der Anteil auf fünf Prozent. Seither ging die Zahl der katholischen Schulen wieder nach oben und liegt mittlerweile bei 17 Prozent im Grundschulbereich und 25 Prozent bei weiterführenden Schulen.  

Solche Maßnahmen, wie auch die Renovierung von religiösen Stätten, „könnte der Heilige Stuhl mit Wohlwollen verfolgt haben“, sagt die Theologieprofessorin Rita Perintfalvi von der Universität Graz. Perintfalvi sieht in diesem Bereich aber auch einen Auslöser von Verstimmungen zwischen der ungarischen Führung und dem Vatikan.

Krach in der Flüchtlingsfrage

Foto: Attila Kisbedenek / AFP

„Der Staat erwartet die bedingungslose Unterstützung“ durch örtliche Kirchen, als Gegenleistung für die Gelder und Ressourcen, die in die religiösen Einrichtungen und ins Bildungswesen gesteckt würden, erläutert Expertin. Infolge dieser politischen Einflussnahme hätten die meisten ungarischen Kleriker sich nicht dem Aufruf des Papstes angeschlossen, Flüchtlinge während der Flüchtlingskrise 2015 willkommen zu heißen.  

Vor dem Besuch des Papstes in Budapest betonten Orban-Anhänger jedoch, was die beiden verbinde. Mark Aurel Erszegi, Ex-Mitarbeiter der ungarischen Botschaft im Vatikan, nennt als Beispiele ihre Aufrufe zum Frieden in der Ukraine und die Sicht auf die Familienpolitik. Sowohl der Papst als auch der ungarische Regierungschef lehnen die gleichgeschlechtliche Ehe mit der Begründung ab, die Ehe sei Mann und Frau vorbehalten.  

Kritiker wie Perintfalvi sehen allerdings nicht viele Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Männern. Die Theologin vermutet als Motiv für den zweiten Besuch des Papstes in kurzer Zeit, dass er Ungarn vor „dem moralischen Zerfall, der in den vergangenen 13 Jahren stattgefunden hat“, retten wolle. Während seines kurzen Besuchs in Budapest im September 2021 hatte Franziskus die Ungarn dazu aufgerufen, allen Menschen gegenüber „offen“ zu sein. *AFP/ahe/dja

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