Russland: Musiksender wegen „LGBT-Propaganda“ verurteilt

by

Ausgerechnet ein Musiksender, der zur Mediensparte des russischen Energieriesen Gazprom gehört, wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er durch die Ausstrahlung eines Musikvideos aus den 90er Jahren, in dem zwei sich küssende Frauen zu sehen sind, „LGBT-Propaganda unter Minderjährigen“ verbreitet haben soll.

Bei dem Video handelt es sich um ein Musikvideo der 1999 erschienenen Single „Gorod“ (russisch für „Stadt“) der russischen Rockband Tantsy Minus.

Wie die unabhängige Nachrichtenagentur Vyorstka und später The Moscow Times berichteten, war das Musikvideo mit dem Kuss im Juli 2023 auf dem Musiksender Lya-Minor TV ausgestrahlt worden. Lya-Minor TV gehört der Red Media, die wiederum Teil von Gazprom Media ist.

Im September reichte die staatliche russische Medienaufsichtsbehörde aufgrund eines 9-sekündigen Ausschnitts im Video eine Beschwerde gegen den Sender ein.

Identifizierung per „Kuss-Klassifizierungssystem“

Die Medienaufsichtsbehörde stellte fest, dass ein 9-sekündiger Ausschnitt „Gesten der Zuneigung und taktile Gesten, sowie Kussszenen zwischen zwei Personen desselben biologischen Geschlechts“ zeigt. Somit enthalte das Musikvideo visuelle Informationen, „die den Anzeichen entsprechen, nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen und (oder) Vorlieben zu demonstrieren“. Dementsprechend hätte der Sender das Video als Information einstufen müssen, deren Verbreitung an Kinder verboten ist, und mit der Bezeichnung „‚18+‘ und (oder) einer Textwarnung in Form des Satzes ‚verboten für Kinder‘“ kennzeichnen.

Wie aus den Gerichtsakten hervorgeht, hat die Aufsichtsbehörde zur Analyse des Kusses im Musikvideo ein „Kuss-Klassifizierungssystem“ verwendet. Küsse werden

„in soziale und sinnliche [Küsse] unterteilt, letztere unterscheiden sich je nach Art der Gefühle, die hinter den Kusszeichen stehen (Küsse der Liebkosung, Küsse der Zärtlichkeit, Küsse des Respekts und Küsse der Liebe)“.

Die Anwalt des Senders Lya-Minor TV argumentierte vor Gericht, der Kuss sei nicht als sinnlich einzustufen. Vielmehr sei er „freundlich, sozial und fördere keine nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen“, sondern

„die Liebe zu Russland und seinen Städten – St. Petersburg und Moskau; die Heldinnen-Mädchen, die sich im Video küssen, verkörpern die Schönheit und den Reiz der Großstadt, freuen sich über die weißen Nächte, das gute Wetter“.

Das Moskauer Bezirksgericht Taganskij lies sich davon nicht beeindrucken, befand den Sender der Verbreitung von „LGBT-Propaganda“ für schuldig und verhängte eine Verwaltungsstrafe in Höhe von 1 Million Rubel (10.401 Euro).

Back to topbutton