Russland: Verbot der Ehe für alle formell bestätigt

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Am 5. April unterzeichnete der russische Präsident Wladimir Putin eine Reihe von Verfassungsänderungen, die unter anderem die Ehe formell als zwischen einem Mann und einer Frau definieren und trans* Personen von der Adoption ausschließen.

Über die bislang umfangreichste Verfassungsänderung der russischen Geschichte, die einem Verfassungsumsturz gleichkommt, war im vergangenen Sommer abgestimmt worden. Kritiker sprachen damals schon von Machtmissbrauch, dennoch stimmten rund 78 Prozent der russischen Wähler*innen am 1. Juli 2020 für die Änderungsanträge (wir berichteten).

Wie das Ergebnis des Referendums zustande kam – ob durch Druck, wie aus vielen Berichten der Opposition hervorgeht, oder durch Wahlbetrug, was angesichts der mangelnden Transparenz und der Behinderung von unabhängigen Überwachungsorganen nicht ausgeschlossen werden kann –, konnte bis jetzt nicht hinreichend geklärt werden.

Putin, Putin, Putin – immer wieder Putin

Am Ostermontag traten die weitreichenden Änderungen in Kraft. Die wesentlichsten Bestandteile der neuen Verfassung betreffen Wladimir Putin selbst. Die Änderungen erlauben ihm nämlich, bis 2036 an der Macht zu bleiben. Gemäß der alten Verfassung hätte Putin den Kreml spätestens 2024 verlassen müssen. Seit Inkrafttreten der Verfassungsänderungen am 5. April stehen dem 68-Jährigen theoretisch noch zwei weitere Amtszeiten bis 2036 offen. Ob er beabsichtigt, davon Gebrauch zu machen, steht noch nicht fest.

Wie Associated Press berichtete, gewährt die neue russische Verfassung Putin zudem für den Rest seines Lebens totale Immunität vor Strafverfolgung. Daran, dass er davon irgendwann Gebrauch machen muss, dürfte er wahrscheinlich spätestens nach den Enthüllungen Alexei Navalnys gedacht haben.

Unterdrückung queerer Rechte jetzt auch per Verfassung

Eine Reihe weiterer Verfassungsänderungen, die in dieser Woche unterzeichnet wurden, betreffen die queere Community Russlands und spiegeln die anhaltende „Sündenbock“-Kampagne, die seit 2013 gegen queere Minderheiten in Russland gefahren wird, wider. Die Änderungen verbieten die Ehe für alle und schließen trans* Personen von der Adoption aus.

Das Verbot der Ehe für alle war Putin immer schon ein großes Anliegen. Niemals, so erklärte er im Februar 2020, werde es unter seiner Führung gleichgeschlechtliche Ehen geben (wir berichteten). Die Agentur Reuters zitierte ihn mit den Worten:

„Solange ich Präsident bin, wird dies nicht passieren. Es wird Papa und Mama geben.“

Gleichgeschlechtliche Ehen waren in Russland noch nie erlaubt, nur war die Verfassung diesbezüglich nicht so klar. „Dieses Schlupfloch“, erklärte der Anwalt Mikhail Tumasov der Washington Blade, „gab der LGBTIQ*-Community Hoffnung“, eines Tages vielleicht doch noch „gleichgeschlechtliche Ehen auf dieser Rechtsgrundlage einzuführen“. Mit dem Zusatz, der die Ehe als „Vereinigung von Mann und Frau“ in der Verfassung verankert, sind auch diese Hoffnungen nun endgültig zerschlagen. 

Glaube an Gott und Kampf gegen ausländische Einmischung

Der Präsident genehmigte auch eine Formulierung, die den „Glauben an Gott“ als zentrales Element der russischen Wertvorstellung definiert. Außerdem soll der „negativen ausländischen Einmischung in den Bildungsprozess“ ein Riegel vorgeschoben werden. Was im Einzelnen damit gemeint ist, weiß aufgrund der vagen Formulierungen niemand so genau, aber Mikhail Tumasov ist sehr besorgt, dass die „Einschränkungen von Bildungsaktivitäten“ verheerende Auswirkungen auf die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen haben werden.

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