Ruth Bader Ginsburg: Amerikas liberales Gewissen ist tot

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Die Hoffnung, dass die schwerkranke Richterin am Supreme Court noch durchhält bis die Mehrheit der Trump-Partei gebrochen ist, konnte Ruth Bader Ginsburg nicht mehr erfüllen. Gestern verstarb die 87-jährige Kämpferin für Gleichberechtigung.

Ginsburg kämpfte sich im Studium (Abschluss an der Columbia Law School“ als Klassenbeste) und danach durch den bis dahin fast ausschließlich männerdominierten Justizsektor der USA. Ihre eigene Benachteiligung erklärte sie rückblickend damit, dass sie für die damalige Zeit in dreierlei Hinsicht auffällig gewesen sei: als Jüdin, als Frau und als Mutter. Nur mit Hilfe ihres Professoren, Gerald Gunther, schaffte sie es nach zahllosen Bewerbungen schließlich, einen Job bei einem Bundesrichter zu finden. 1963 wurde sie dann die erste Dozentin an der Rutgers Law School“ – freilich mit geringerem Gehalt als ihre männlichen Kollegen, denn sie habe ja einen Mann, der für das Familieneinkommen zuständig sei. 

Eigene Diskriminierungserfahrung beeinflusste Arbeit

Foto: Lynn Gilbert, CC BY-SA 4.0, wikimedia.org

Ab den 1970ern wurde Ginsburg dann eine der wichtigsten juristischen Stimmen für die Gleichberechtigung von Frauen, so spielte sie eine wichtige Rolle beim Start des Projekts Women’s Rights der American Civil Liberties Union (ACLU)“, deren Anwältin sie bis 1980 blieb – eine Rolle, in der sie wegweisende Verfahren vor dem Supreme Court vertrat, dem sie ab 1993 selbst angehören sollte. 

LGBTIQ*, Abtreibung, Todesstrafe und Obamacare

In ihrer Zeit am Supreme Court gehörte Ruth Bader Ginsburg dem liberalen Flügel an und unterstützte die Mehrheitsmeinungen zu Abtreibungsrechten, dem Urteil zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und zur allgemeinen Gesundheitsversicherung (Obamacare). Besonders berüchtigt waren aber die Fälle, in denen Ginsburg die Minderheitenmeinung vertrat und in sachlicher, aber juristisch vernichtend deutlicher Sprache deren Stellungnahmen verfasste, unter anderem beim Urteil zur Todesstrafe von 2008. In diesem Zusammenhang entstand das geflügelte Wort: 

 You can't spell the truth without Ruth“ 

Foto: Lorie Shaull / CC BY-SA 2.0, / wikimedia.org

Überhaupt erlangte Ginsburg in den letzten zehn Jahren fast Popstar-Charakter. In Anlehnung an den Rapper Notorious B.I.G. wurde sie gerne Notorious RBG genannt, was besonders in den letzten zwei Jahren zur Durchhalteparole wurde: 2018 wurde bekannt, dass Ginsburg unter Bauchspeicheldrüsenkrebs litt. Sie sprang dem Tod nur knapp von der Schippe und setzte trotz Chemotherapie ihre Arbeit am Supreme Court fort. Auch, weil der liberale Flügel des Gerichtes durch die Ernennung von konservativen Richtern durch US-Präsident Donald Trump bereits unterrepräsentiert war.

Das progressive Washington fieberte mit ihr und ihrem Kampf ums Überleben. In der Corona-Krise sorgte ein Plakat für Aufsehen, auf dem zu lesen war: 

RBG arbeitet weniger als 5 Meilen von hier entfernt. Wenn Du keine Maske trägst, um Deine Freunde und Familie zu schützen, tu es, um RBG zu schützen."

Geholfen hat es leider nicht. Nachdem im Juli bekannt wurde, dass der Krebs zurückgekommen ist, verstarb Amerikas Stimme der Gleichberechtigung am 18. September 2020.

US-Präsident Donald Trump kündigte noch in der Todesnacht an, sie vor der Wahl im November durch einen weiteren erzkonservativen Richter ersetzen zu wollen. 


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