Schweizer Spitzenschwinger outet sich als schwul

by

Curdin Orlik ist 27 Jahre alt und einer der ganz Großen im Schweizer Nationalsport Schwingen, einer Art Freistilringen. Nach vielen sportlichen Siegen erringt er nun einen persönlichen: Der Schweizer bekennt sich als homosexuell, redet offen über den langen Weg, den er bis zu seinem Outing zurücklegen musste.

Orlik gab dem Schweizer Tagesanzeiger ein Coming-out-Interview. Darin redet er über sich, sein Leben und seine Liebe zu Männern. Er erklärt, er wolle endlich frei sein, nicht mehr verdrängen, wer er wirklich sei. Und vor allem wolle er seinen Sohn nicht belügen.

Schwingen ist ein Schweizer Nationalsport, eine beliebte Variante des Freistilringens, die auf Sägemehl ausgeübt wird. Die Spitzenschwinger und der gekürte Schwingerkönig gelten in der Schweiz als Sportprominenz. Die diesjährige Schwinger-Saison steht kurz bevor. Höhepunkt der Saison wird Ende August das Eidgenössische Jubiläums-Schwingfest in Appenzell sein. Auch Orlik wird um den Sieg kämpfen. 

Schwul sein, anders sein – im Profisport nicht einfach. Und auch in Orliks katholischer Familie nicht einfach. Es war nie ein Thema, erzählt er. Auch sein schwuler Onkel wurde in der Familie nicht mehr erwähnt. Und Orlik selbst wollte einfach nicht der Außenstehende, der Andersartige sein – obwohl er seit seinem 12. Lebensjahr wusste, dass er schwul war.

Rückblickend fehlte ihm vor allem eines zu einem früheren Outing, einem Leben im Einklang mit sich selbst. Orlik erzählt:

„Ich hätte mir gewünscht, bereits als Kind zu erfahren, dass es viele verschiedene Lebensformen gibt und dass jede in Ordnung ist. Aber so war es nicht. In der Familie, in der Schule, in meinem ganzen Umfeld war Schwulsein etwas Verschwommenes, Unsichtbares.“


Endlich frei lieben 

Orlik versuchte, sich anzupassen. Er lachte in der Schule bei Schwulenwitzen, er schaute Frauen hinterher, suchte sich später Freundinnen. 2016 wurde er Vater, wollte das durchziehen. Aber er schaffte es nicht. Er zog nach einem Jahr aus der gemeinsamen Wohnung aus, machte mit seiner Freundin reinen Tisch. Nach und nach zog er weitere Menschen ins Vertrauen, auch seine Eltern und seine drei Brüder. Sie nahmen das Outing besser auf, als er erwartet hatte, erzählt er.

Sein öffentliches Outing plante er, um endlich die Angst hinter sich lassen zu können, endlich frei lieben und leben zu können. Zuerst wollte er lediglich in einem Interview eine Bemerkung fallen lassen, quasi im Vorbeigehen – als wäre es das Normalste der Welt. Doch schließlich entschied er sich zu dem Schritt: Alles oder nichts. Er erklärt:

„In der Welt, aus der ich komme, wird Schwulsein eben nicht als das Normalste der Welt betrachtet.“

Sein Outing trägt sicher ein wenig dazu bei, um das zu ändern. 

Back to topbutton