Späte Gerechtigkeit nach Polizeirazzia in Georgien

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2009 stürmte die georgische Polizei das Büro einer bekannten LGBTIQ*-Organisation in Georgiens Hauptstadt Tiflis und demütigte die Anwesenden vor Ort. Fast 11 Jahre später verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Georgien für das Vorgehen der Polizei.

Es war der 15. Dezember 2009. Einige Mitglieder der Inclusive Foundation, einer bekannten georgischen LGBTIQ*-Organisation, saßen gerade bei ihrem regelmäßigen Treffen des „Frauenclubs“ in Tiflis zusammen, als plötzlich Beamte der georgischen Polizei das Büro der Organisation stürmten.

Die bewaffneten Männer, die keine Polizeiunform trugen, verwüsteten das komplette Büro (Fotos, die kurz nach der Razzia gemacht wurden, findet ihr HIER), durchsuchten die Taschen der anwesenden Frauen und beschlagnahmten ihre Handys. Die Frauen wurden ausgelacht und beschimpft, Wörter wie „Perverse“, „Kranke“, „Satanisten“ sollen gefallen sein. Mehrere Männer drohten, Fotos von den Frauen zu machen und sie öffentlich zu verbreiten, um ihre sexuelle Orientierung zu offenbaren.

Die Mitglieder der Organisation gaben an, die Beamten hätten ihnen gedroht, sie zu „töten“, wenn sie nicht aufhörten, Durchsuchungsbefehl und Ausweisdokumente der Polizei zu fordern. Einer der Beamten habe gesagt, er werde „den ganzen Ort niederbrennen“. Fast alle Frauen wurden gewaltsam in ein Badezimmer gebracht, wo sie sich nackt ausziehen mussten und von Polizistinnen durchsucht wurden.

Zwei der geschädigten Frauen, Ekaterine Aghdgomelashvili und Tinatin Japaridze, erhoben 2010 mithilfe des European Human Rights Advocacy Centre vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Anklage gegen die Polizisten.

Späte Gerechtigkeit für die Opfer

Am 8. Oktober 2020 – mehr als ein Jahrzehnt später – gab der EGMR den beiden Frauen recht. Das Gericht entschied, dass Georgien gegen Artikel 3 und Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen hat, die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung sowie Diskriminierung verbieten.

In seinem Urteil erklärte der EGMR einstimmig, dass das Verhalten der Beamten grob unangemessen, homophob und/oder transphob gewesen ist und die Antragstellerinnen aus keinem anderen Grund durchsucht worden seien, als um sie zu beschämen und dafür zu bestrafen, der LGBTIQ*-Gemeinschaft anzugehören.

Der EGMR stellte außerdem fest, dass Georgien den Fall nicht ordnungsgemäß untersucht hat und die Behörden des Landes nicht bereit waren, ihr Fehlverhalten und die homophobe bzw. transphobe Polizeigewalt während der Razzia aufzuklären. Georgien wurde verurteilt und muss den Antragstellerinnen 2.000 Euro Schadenersatz für immaterielle Schäden zahlen.

So viele Jahre später doch noch Gerechtigkeit zu erfahren, bedeutet der Anklägerin Tinatin Japaridze sehr viel. Nach der Urteilsverkündung sagte sie:

„Es war ein langer Kampf um Widerstand. Ich glaube, dass dieses Urteil für alle Personen wichtig ist, die aufgrund von Homophobie diskriminiert und misshandelt werden oder wurden. [...] Ich bin stolz darauf, dass unsere Antwort auf Belästigung, Demütigung und diese lange Zeit der Überwachung und Bedrohung darin bestand, für unsere Rechte einzutreten und uns nicht zum Schweigen bringen zu lassen.“

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