USA: Kommt der „Equality Act“?

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Nach der geglückten Abstimmung im Repräsentantenhaus warten LGBTIQ* in den USA auf die Entscheidung des Senats hinsichtlich der Einführung des „Equality Act“, jenes Gleichstellungsgesetz, das erstmals auch die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und/oder der Geschlechtsidentität verbietet. 

In 27 Bundesstaaten der Vereinigten Staaten darf einer Person aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität die Beherbergung verweigert werden, in 31 Bundesstaaten können LGBTIQ*-Personen vom Zugang zu Bildung ausgeschlossen werden und in 41 Bundesstaaten vom Recht, in einer Jury zu sitzen – homophobe Gesetze bestehen immer noch in den Vereinigten Staaten, denn da der Diskriminierungsschutz für LGBTIQ* ist nirgendwo einheitlich geregelt.

Zwar fallen Verstöße zum Teil unter die Kategorie Geschlecht des „Civil Rights Act“, der auf das Jahr 1964 zurückgeht. Aber erst der Equality Act würde Diskriminierung ausdrücklich auch in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität verbieten und den Diskriminierungsschutz in den Bereichen Arbeitsplatz, Wohnung, Zugang zu Bildung und öffentlichen Unterkünften (Einkaufszentren, Sportarenen und sogar Webseiten) gesetzlich verankern. Es wäre an der Zeit.

Historischer Hintergrund

Ein erster Entwurf für den „Equality Act“ wurde bereits 1974 vorgestellt. Damals wurde eine Erweiterung der bereits durch den „Civil Rights Act“ geschützten Kategorien (Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, nationale Herkunft) um die Bereiche „sexuelle Orientierung“ und „Ehestatus“ gefordert. Das Gesetz verlief aber ziemlich schnell im Sande.

Erst unter Obama wurde 2015 eine neue Fassung aufgesetzt, die den Bereich „Ehestatus“ aufgrund der nunmehr amerikaweit eingeführten Ehe für alle ausklammerte, dafür aber „Geschlechtsidentität“ einschloss und eine erweiterte Definition von geschlechtsbedingter Diskriminierung forderte. Mit dem Amtsantritt von Trump im Jahr 2017 lag das Projekt so lange auf Eis, bis die Demokraten bei den Halbzeitwahlen im November 2018 die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerlangten und den Equality Act im Jahr 2019 mit 236 zu 173 Stimmen genehmigten (wir berichteten).

Im mehrheitlich von den Republikanern kontrollierten Senat geriet der Entwurf dann erneut ins Stocken, weil der damalige Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, den Prozess hinauszögerte. „Filibuster“ nennen die Amerikaner solche parlamentarischen Blockademanöver. Im Senat der Vereinigten Staaten werden sie immer dann angewendet, wenn verhindert werden soll, dass ein Gesetzentwurf zur Abstimmung gebracht wird.

Neuer Vorstoß nach Bidens Amtseinführung

Seit Januar 2021 stellt die demokratische Partei neben dem Präsidenten auch die Mehrheit im Senat, weil die Demokraten bei der Stichwahl in Georgia beide Sitze für sich gewinnen konnten. Angesichts der neuen Möglichkeiten wagten die Demokraten einen weiteren Vorstoß und stellten am 18. Februar einen neuen Entwurf zur Einführung des „Equality Act“ vor.

Massiver Widerstand auf konservativer und religiöser Seite 

Sofort nach Vorstellung der Gesetzesvorlage regte sich im ganzen Land massiver Widerstand, angeführt von Religionsvertretern. Die American Family Association, eine US-amerikanische, ultra-konservative, christlich-evangelikale Non-Profit-Organisation, bezeichnete das Gleichstellungsgesetz als „Abrissbirne für die Religionsfreiheit“. Neben der Aufhebung religiöser Rechte und der Abschaffung von religiösen Beschäftigungsstandards fürchtet die Gemeinschaft vor allem, das Adoptions- und Pflegeeinrichtungen dazu gezwungen werden,

„Kinder in gleichgeschlechtliche Haushalte und in Häuser von Personen zu bringen, die unter Geschlechtsverwirrung leiden“.

Die katholische Kirche brachte ebenfalls höchst sonderbare Gerüchte in Umlauf. Auf der Webseite der US-Bischofskonferenz ist unter anderem zu lesen, der Equality Act

– gefährdet bestehende Verbote der Verwendung von Bundessteuergeldern für Abtreibungen, setzt wahrscheinlich die Durchführung von Abtreibungen durch Gesundheitsdienstleister unter Verstoß gegen ihr Gewissen unter Druck oder schreibt sie sogar vor und beendet letztendlich mehr Menschenleben;

– behindert eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung, indem sie Angehörige der Gesundheitsberufe gegen ihr bestes medizinisches Urteilsvermögen dazu zwingt, Behandlungen und Verfahren im Zusammenhang mit dem „Geschlechtswechsel“ zu unterstützen;

– fordert ein, dass Frauen im Sport gegen Männer und Jungen antreten und Umkleideräume und Duscheinrichtungen mit Männern und Jungen teilen.

Andere Konservative äußerten Bedenken, die Gesetzgebung könnte zu einer Ungleichheit bei sportlichen Wettkämpfen führen, zum Beispiel, wenn trans* Frauen gegen cis* Frauen antreten. Marjorie Taylor Greene, eine republikanische Abgeordnete mit Verbindungen zur QAnon-‚Bewegung‘ nannte den Equality Act „unmoralisch, böse und ekelhaft“. Er sei nur eine Tarnung, insgeheim gehe es den Befürwortern darum, neben der Religion vor allem die Frauenrechte und das Recht auf Leben von Ungeborenen abzuschaffen.

Für Aufsehen sorgte Greenes Angriff gegen die demokratische Abgeordnete Marie Newman. Mehrmals wurde Newman von Greene wegen ihrer trans* Tochter belästigt. Der Vorfall sorgte sogar unter Republikanern für Empörung. Denn die meisten Republikaner lehnen den Equality Act nicht wegen ihrer Haltung gegenüber LGBTQ-Personen ab, sondern weil sie tatsächlich um die Religionsfreiheit ‚fürchten‘.

Newman, die weiß, wie man Diffamierung mit Stolz begegnet, stellte kurzerhand eine Transgender-Flagge vor ihrem Büro auf, „damit sie [Greene] sie jedes Mal sehen kann, wenn sie ihre Tür öffnet“.

Repräsentantenhaus sagt Ja, Entscheidung des Senats noch ungewiss

Am 25. Februar wurde der Entwurf mit einer Zustimmung von 224 Abgeordneten bei 206 Gegenstimmen vom Repräsentantenhaus genehmigt und auf den Weg zur Abstimmung im Senat gebracht.

Während die demokratischen Abgeordneten das Vorhaben einstimmig unterstützten, haben sich nur drei Republikaner aus New York und Pennsylvania den Demokraten angeschlossen und die Gesetzesvorlage gebilligt – weniger als die Hälfte jener konservativen Stimmen, die das Gesetz noch 2019 von den Republikanern erhalten hatte. 

Im Senat braucht es jetzt die Unterstützung von 10 Republikanern, um die erforderlichen 60 Stimmen zu erreichen und der Einführung des Gesetzes keine weiteren Verzögerungen in Form von Filibustern zu bescheren. Die Befürworter des Equality Act hoffen hierfür auf die Unterstützung moderater Republikaner wie Mitt Romney. Doch das ist längst nicht garantiert. Romney zum Beispiel ließ über seine Sprecherin Arielle Mueller per E-Mail an die Washington Blade mitteilen:

„Sen. Romney ist der Ansicht, dass ein starker Schutz der Religionsfreiheit für jede Gesetzgebung zu diesem Thema von wesentlicher Bedeutung ist, und da diese Bestimmungen in diesem Gesetzentwurf nicht enthalten sind, kann er ihn nicht unterstützen.“

Ob also die knappe Mehrheit der Demokraten im Senat für eine Verabschiedung ausreicht, ist noch nicht ausgemacht. Zumal die Washington Blade feststellte, dass 2019 nicht einmal alle Demokraten für den Equality Act gestimmt hatten. Der demokratische Senator Joe Manchin aus West Virginia hatte den Gesetzentwurf nicht unterstützt. Wie der 73-Jährige diesmal entscheiden wird, ist noch unklar.

Popsängerin Taylor Swift startet Petition

Unterstützung kommt indes von ganz anderer Seite. Popsängerin Taylor Swift hat eine Petition an US-Senat gestartet, in der sie sich für LGBTIQ*-Rechte stark macht:

„Let’s show our pride by demanding that, on a national level, our laws truly treat all of our citizens equally.“

Mehr als 830.000 Unterzeichner*innen gibt es bereits, HIER könnt Ihr Euch dazugesellen!

Foto: Universal Music

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