#BERLINWAHL • GASTKOMMENTAR: EXPERTE BEI DER CDU?

by

Ausgerechnet zu den Berliner CSD-Tagen kündigt die „CDU Prenzlauer Allee“ für den 21. Juli unter dem Titel „Freiheit statt Islamismus und Zensur“ eine Veranstaltung mit David Berger an und erweckt dabei den Eindruck beim schwulen Referenten handele es sich um einen Islam-Experten und Kämpfer für die Meinungs- und Pressefreiheit. Das Gegenteil ist der Fall.

Foto: Screenshot Facebook

Der Rechtskatholik David Berger wurde nicht müde, nahezu täglich auf seinem Internetmedium „gaystream“ plumpste antimuslimische Propaganda zu betreiben, die er in hysterische Panikhöhen trieb als lauere hinter jeder Häuserecke bereits ein Islamist oder der IS stünde schon vor Wien. Seine Islam-Expertise funktioniert nur über einen Umweg – über seinen fundamentalistischen Katholizismus, der zu Zeiten, als er noch Theologe war, selbst konservativen Kollegen aufstieß. Seine rasante Karriere in reaktionärsten Kirchenkreisen nahm immer mehr an Fahrt auf, je vorkonziliarer er sich gerierte. Den Islam betrachtet Berger eigentlich bloß als eine Konkurrenzreligion. Inzwischen ist ihm kein Anlaß zu gering, um in Unkenrufe über den Untergang des Abendlandes durch marodierende Muslime auszubrechen.

„Abendland“ – ja, er benutzt inzwischen diesen Begriff wie die PEGIDA-Führung und behauptete kürzlich sogar, das“ Abendland“ beruhe auf dem abergläubischen Ritualen der tridentinisch, mithin „katholischen“ Eucharistie, jenem Akt des Verzehrens seines eigenen Gottes –und zwar nicht symbolisch, sondern durchaus real. Soviel also zur Zivilisiertheit, die das Christentum dem Islam voraushaben soll. Dass es sich bei Bergers Aktionen um fundierte Islamkritik handelt, ist also ein großer Irrtum. Nach dem Beispiel anderer Rechtspopulisten ist er sich nicht zu schade um jeden Preis Aufmerksamkeit zu erregen. Denn darum geht es ihm vor allem, um die Beachtung seines Egos.

Sein spektakuläres Outing wurde möglich durch dreißig Jahre Emanzipationsarbeit, die er - inzwischen als Verteidiger der AfD - denunziert wenn er politisch engagierte Einzelpersonen und Gruppen als Links-Grün verächtlich macht. Mehr noch: er sucht bewußt den Schulterschluß mit den Feinden homosexueller Menschen wie Birgit Kelle oder Hedwig von Beverfoerde von der „Demo für Alle“ und verteidigt deren Verunglimpfung von Homosexuellen als Kampf für die freie Meinung.

Besonders ist Berger sich mit jenen einig, die aus politischem Kalkül oder einfach aus Dummheit, die Genderwissenschaft als Ideologie bezeichnen und behaupten, sie sei ein Mittel zur „Homosexualisierung der Gesellschaft“- die wiederum werde von Homosexuellen und Pädophilen betrieben, um sich der Kinder zu bemächtigen. Immer wieder hat Berger inzwischen tote Homosexuelle und grüne Politiker als zum pädophilen Dunstkreis gehörig denunziert. Solche Lügenpropaganda hat natürlich zum Ziel Emanzipationsbewegungen zu schwächen und gesetzliche Liberalisierungen zu verhindern. David Berger, der sich bewußt wieder bei den politisch Rechten einordnet, ist also keineswegs ein Kämpfer für LGBT-Rechte, sondern hat neben dieser kathol-reaktionären vor allem eine Agenda, seine eigene: im Gespräch zu bleiben und beachtet zu werden, mit welch abenteuerlichen Thesen und Theorien auch immer.

Deshalb stilisiert er den Rauswurf seiner Internetseiten bei Facebook auch als Aufsehen erregende Zensur. Facebook ist ein privates Unternehmen, gegen dessen Richtlinien er mit seinen Hetzseiten verstieß. Daß es sich von ihm trennte, ist also rechtens in völliger Ordnung. Zu behaupten, es handele sich um staatliche Zensur, angestiftet vom Justizminister Heiko Maas ist nichts weiter als Hysterie. Auf dieser unappetitlichen Behauptung jedoch beruht die ganze Expertise Bergers in Sachen Zensur.

Er, der bald anderthalb Jahre lang Facebook für seine rechten Angst-Phantasien nutzen konnte, ist beleidigt, weil man ihn die nicht weiter ausstoßen läßt. Aber wir sind eine freie Gesellschaft – Berger hat längst andere Publikationsmöglicheiten gefunden – Pressefreiheit heißt eben nicht, daß jedes Medium gleichgeschaltet Bergers Zeugs ex cathedra verbreiten müßte. Berger ist mit seiner neuen Internetseite „Philosophia Perennis“ längst zu neuen, nein alten, versumpften Ufern aufgebrochen. Dort vertreibt er weiter seine Muslim- und Linkeninvektiven und diskreditiert schwule Emanzipationsbewegungen und Homosexuelle, die seinem schwulen Männlichkeitsideal des muskulösen Arbeitsmannes trübster Erinnerung, nicht huldigen. Vor allem gibt er sich wieder ganz offen als der Rechtskatholik, der er immer gewesen ist.

Die Ideen der „Philosophia Perennis“, also der immerwährenden, unveränderlichen und für alle gültigen Wahrheit sind natürlich die Basis des katholischen Fundamentalismus – auf sie bezog sich auch Papst-Benedikt-Ratzinger mit seiner gefährlichen Formel von der „Diktatur des Relativismus“- jener Papst, den Berger kokett, ohne Beweise zu liefern, als Schwulen outete. Letztendlich treffen sich Berger und sein angeblich päpstlicher Widersacher hier in schönster fundamentalistischer Einigkeit.

David Berger ist weder Islamexperte, noch ein Verteidiger der Meinungs- und Pressefreiheit – er will nur sich und seine absurden Ideen im Gespräch wissen. Er sieht sich als Vordenker einer angeblich konservativen schwulen Bewegung und gehört damit als penetranter Selbstdarsteller wie etwa Jürgen Elsässer, Marc Jongen oder Götz Kubitschek zu den selbsternannten Führerpersönlichkeiten aus dem neurechten Lager. Sowie diese bewußt die Demokratie schädigen für ihre nationalistischen und völkischen Träume, schadet Berger ebenso bewußt der homosexuellen Emanzipation mit seinem nicht weniger kruden, selbstherrlichen/herrischen und menschenverletzenden Weltbild.

•Wolfgang Brosche

Wolfgang Brosche ist Schriftsteller und Freier Hörfunk-und Fernsehjournalist u.a. für den WDR und DeutschlandfunkKultur. Im Frühjahr erschien sein Roman „Tödlicher Rosenkranz“, der sich mit dem Treiben der Rechtskatholiken und der „Demo für Alle“ beschäftigt. Auf seinem Blog „Gespräche über Pflaumenbäume“ und in seiner Kolumne bei „Die Kolumnisten“ schreibt er über gesellschaftspolitische, schwule und Kulturthemen.

Back to topbutton