BLU.FM BLICKT ZURÜCK – ERSTMALIGER STAATSAKT FÜR HOMOSEXUELLE

© Fotos: Mathias Eckert

Am 23. Juni gab es eine in mehrfacher Hinsicht denkwürdige Premiere: Thüringen gedachte als erstes Bundesland in einem Staatsakt der Homosexuellen, die während der Nazi-Herrschaft systematisch verfolgt, verhaftet, zwangsoperiert oder umgebracht wurden. Anlass war der 100. Geburtstag des letzten schwulen KZ-Überlebenden, Rudolf Brazda.

So lud ausgerechnet das Bundesland zum Staatsakt, das vor zwölf Jahren noch neben Bayern und Baden-Württemberg gegen das Gesetz zur Eingetragenen Partnerschaft vor dem Bundesverfassungsgericht gekämpft hatte. Und ausgerechnet eine CDU- Ministerpräsidentin, Christine Lieberknecht, hielt eine bewegende Eröffnungsrede. Hier, in Weimar, war eben nicht nur Deutschlands erste demokratische Verfassung verkündet worden, - mit dem KZ Buchenwald bot die Stadt auch den undemokratischsten Ort, den man sich vorstellen kann. „Der Gedenkakt bietet uns die Möglichkeit, über das Unrecht zu sprechen, das die Betroffenen über viele Jahrzehnte erfahren haben. Vor dem Krieg, im Krieg, nach dem Krieg. Die Erinnerung an die homosexuellen NS-Opfer ist für mich keine Frage von Parteizugehörigkeit oder Parteipolitik. Sie gehört zum umfassenden Gedenken an dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte.“

Die etwa 500 Gäste, darunter aus München Albert Knoll (KZ- Gedenkstätte Dachau), LSVD –Mitglieder Josef Sattler und Dietmar Holzapfel (Deutsche Eiche) und Torsten Kluge (Völklinger Kreis) applaudierten ergriffen. Die Staatskapelle Weimar sorgte für die musikalische Umrahmung weiterer großer Reden. So schlug Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Bogen in die Gegenwart, indem sie die völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare einforderte.

Der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Prof. Volkhard Knigge, erinnerte daran, dass auch nach 1945 der unter Hitler verschärfte § 175 fortbestand und Homosexuelle noch Jahrzehnte lang Opfer der Justiz wurden. Homophobie ist auch nach wie vor „kein Phänomen von gestern. Vielmehr ist sie ein deutlicher Indikator dafür, dass etwas nicht stimmt in Bezug auf einen Kerngehalt von Demokratie und demokratischer Kultur: den Kerngehalt der Gleichheit, der Gleichberechtigung, der Brüderlichkeit, Geschwisterlichkeit, der unteilbaren Menschenwürde, der substantiellen Solidarität und Toleranz –auch in den Farben des Regenbogens. Die Würde der angeblich Anderen ist unsere Würde. Die Achtung der angeblich Anderen ist unsere Selbstachtung. Dieses Bewusstsein aus furchtbarer historischer Erfahrung heraus zu stärken, dafür steht dieser Tag.“ – Tosender Applaus! Den größten Applaus des Abends erhielt allerdings eine Person in der ersten Reihe, die gar nicht sprach: Susanne Baer, Bundesverfassungsrichterin mit Rückgrat: Die letzten Entscheidungen des Gerichts zur Gleichstellung der homosexuellen Lebenspartnerschaft sind auch ihr zu verdanken. Nicht erschienen, obwohl angekündigt, war Umweltminister Peter Altmaier. Hatte er sein Outing geplant und hatte ihn dann doch der Mut verlassen?

Den Staatsakt geplant hatte übrigens ein Mann aus Bayern: Staatssekretär Jochen Staschewski. Und da stellt sich doch in Hinblick auf Dachau die Frage: Wann wird es einen vergleichbaren Staatsakt in München geben, Herr Seehofer? •von Dietmar Holzapfel

Gedenkstätte ehemaliges KZ Buchenwald

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