Allein gegen Windmühlen: Ein Deutscher kämpft für Zyperns Schwulenszene

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Werner R. hatte einen Traum: Eine Schwulensauna in Larnaca errichten, der Community ein Zuhause geben, nach und nach die schwule Infrastruktur vergrößern – und Zypern zum neuen schwulen Hotspot des Mittelmeers machen. Doch die Rechnung machte er ohne die korrupten Behörden und die griechisch-orthodoxe Kirche.

„Im Gericht sitze ich alleine da. Niemand kommt, um mich zu unterstützen – sie haben zu große Angst davor, geoutet zu werden“, klagt Werner R. Der Deutsche geriet mitten hinein in einen Kreuzzug von Kirche und Behörden gegen die queere Gemeinschaft Zyperns – weil er seit fünf Jahren mit der „Vinci Sauna“ die einzige Schwulensauna des Landes betreibt. Seit Oktober 2019 darf er sie nicht mehr öffnen. Der Kampf um die Sauna bedeutet mehr als nur die Ermöglichung von schnellem Sex, es ist vielmehr die Entscheidung einer ganzen Insel: Für Fortschritt, queeren Tourismus und ein Ankommen im 21. Jahrhundert – oder für die Dogmen einer vergangenen Zeit.

Ein mediterranes Paradies – aber nicht für Schwule?

Zypern liegt im östlichen Mittelmeer und ist nach Sizilien und Sardinien die drittgrößte Mittelmeerinsel. Sie hat rund 1,12 Millionen Einwohner – und ist mit durchschnittlich etwa 320 Sonnentagen im Jahr eines der sonnenreichsten Länder der Welt. Was viele nicht wissen: Geographisch gehört die Insel zu Asien, politisch und kulturell zählt man sie jedoch zu Europa.Seit 1974 teilt sich die Insel in die südliche Republik Zpyern, die völkerrechtlich die ganze Insel umfasst, und den Nordteil unter Kontrolle der Türkischen Republik Nordzypern, die jedoch nur von der Türkei anerkannt wird. Zwischen den beiden Gebieten liegt die Pufferzone, die von der Friedenstrupe der UN in Zypern überwacht wird.

In dieser Zone, der so genannten „Green Line“, lebt auch Werner, den auf der Insel alle nur Vinci nennen. Als wir mit ihm telefonieren, sitzt er auf seinem gepflasterten Hof, halb in der Sonne, halb im Schatten – unter dem Blätterdach eines großen Baumes, einem Ficus Benjamini, wie er erzählt. Im Hintergrund zwitschern Vögel. Wenn er aufs Dach steigt, kann er in der Ferne das Mittelmeer sehen, sagt Werner. Dazwischen Palmen und viele kleine, sandfarbene Häuser mit roten Dächern. Ein mediterranes Paradies.

Für Werner R. Und Iosif S. war der Umzug auf die Insel vor fünf Jahren das Erfüllen eines Lebenstraumes. Sie wollten daran mitgestalten, einen schwulen Hotspot ähnlich wie Mykonos zu kreieren. Die Auswanderer suchten sich Larnaca aus, die zweitgrößte Stadt Zyperns, weil es dort eine Airport-Anbindung, einen schwulen Club und anders als in der Hauptstadt Nicosia noch keine Sauna gab. Die besten Voraussetzungen, um gemeinsam mit den Betreibern der anderen Etablissements etwas aufzubauen, eine schwule Szene für Einheimische und Touristen gleichermaßen zu kreieren. Aber es kam anders. Die Betreiber der ersten Sauna planten damals bereits, nach Großbritannien zurückzukehren, der Schwulenclub schloss letztes Frühjahr nach 15 Jahren. Werner erinnert sich:

„Die hübschen Jungs, die südländische Mentalität und eine tolle Insel. Daraus etwas schwules zu erschaffen – das war unsere Motivation, Deutschland endgültig den Rücken zuzukehren“

Die Sauna eröffnete im Herbst 2017 nach einem Jahr Umbau. Kurz vor Weihnachten 2018 wurde der Traum von Zypern als schwulem Hotspot endgültig zum Albtraum. Bei einer Razzia nahmen Polizisten Dildos, Videos und Magazine mit, die nackte Männer zeigten. Kurz darauf folgte eine erste Anklage wegen unerlaubter Publikationen – der Anwalt von Werner legte Widerspruch ein. Die Polizei führte noch weitere Razzien durch, doch die Betreiber konnten immer alle Lizenzen vorlegen. Das Ende des Problems? Schön wäre es. Damals ahnte Werner noch nicht, wie ernst es die Behörden mit ihrem Kreuzzug gegen die Sauna meinten.

Als Werner und Iosif am 1. Juni 2019 vom Pride in Nicosia zurückkamen, folgte das böse Erwachen: In einer illegalen Razzia hatte die Polizei die Sauna komplett auseinandergenommen. Eine Woche später kam dann der Brief vom Gericht: Einstweilige Verfügung, sie durften die Sauna nicht mehr öffnen. Warum? So ganz verstanden hat Werner das bis heute nicht – und er glaubt, dass es der Stadtverwaltung und dem Gericht genauso geht.

Die Sauna: Mehr als nur schneller Sex

„Wir konnten der Insel ein wenig schwules Leben einhauchen, kamen aber an der Korruption nicht vorbei“, resümiert Werner traurig. Ihm zufolge hat die griechisch-orthodoxe Kirche das Land im Griff. Die Behörden unterstützen die queere Community nicht. Fünf Mal, erzählt Werner, hätten homophobe Vandalen die Regenbogenfahne vom Dach der Sauna gerissen. Vier Mal wurden sie auf Kamera festgehalten – man erkennt jedes Gesicht der Täter. Festnahmen gab es keine, die Polizisten sichteten nicht einmal das Bildmaterial. „Schwulenclubs wird einfach nicht geholfen“, so Werner traurig.

Die zypriotische Gesellschaft ist noch immer sehr konservativ eingestellt. „Menschen verlieren ihre Familie, wenn sie sich öffentlich dem schwulen Leben hingeben“, sagt Werner. „Viele Homosexuelle sind daher nicht geoutet, sondern leben in heterosexuellen Ehen und haben Kinder – ficken gehen konnten sie nur heimlich.“ In der Sauna seien die Männer endlich frei gewesen. „Hier durften sie das“, sagt Werner. „Männer anfassen und mit ihnen reden“. Flitzer nennen Werner und seine Stammkunden die jungen Zyprioten, die nur für sehr kurze Zeit in der Sauna waren, um Druck abzubauen, während ihre Familien glaubten, sie seien Zigaretten holen. „Die sind so schnell drin und wieder draußen, die sieht man kaum“, lacht Werner.

Dreieinhalb Millionen Touristen hat Zypern im Jahr, davon, so schätzt Werner, sind eine halbe Million schwul. Neben Einheimischen kamen auch viele von ihnen in die „Vinci Sauna“. Seit die geschlossen ist, hat die schwule Community vor Ort nichts mehr. Sicher verdreht manch einer nun die Augen. Es ist doch „nur“ eine Sauna, ein Ort für anonyme Begegnungen und Sex. Für viele Schwule auf Zypern ist es der Fels in der Brandung. Ein Ort, um ein Bier unter Gleichgesinnten zu trinken, Menschen kennenzulernen und einmal entspannt durchatmen zu können … Damit ist es seit letztem Herbst vorbei.

Foto: www.loganmccree.tv

Korruption, Lügen, Homophobie – und 60.000 Euro Schaden

Der Saunabetreiber aus Leidenschaft ist überzeugt: Die Behörden suchten einen Grund, den Laden zu schließen. Versuchten, ihn an den Haaren herbeizuziehen. Bis heute haben sie die Anklage vier Mal geändert – aus juristischer Sicht ein Witz. Nachdem es erst hieß, in einem öffentlichen Gebäude dürfe das Saunatreiben nicht stattfinden und Werner Beschwerde einlegte (immerhin handelte es sich um einen privaten Membersclub), behaupteten die Behörden, der Eigentümer dürfe in seinen privaten Räumen keinen privaten Besuch empfangen. Werner R.wurde explizit als Täter genannt. Weswegen? „Sie haben mich als Straftäter hingestellt und mir privaten Besuch verboten. Damit haben sie alle Menschenrechte verletzt, allen voran die Versammlungsfreiheit“, entsetzt sich der Angeklagte.

Es folgte eine juristische Odyssee, für die Werner bis heute rund 15.000€ Anwalts- und Gerichtskosten zahlen musste. Immer wieder wurde ein neuer Grund gesucht, die Sauna geschlossen zu lassen. Zuletzt hieß es, dass es sich bei der Anlage um einen gefährlichen Betrieb mit halbnackten Männern an der Bar und „gefängnisartigen Räumen“ handele. Ein Beamter sagte vor Gericht aus, es seien Filme gezeigt worden, über dessen Inhalt er nicht reden wolle. 

„Sie fabrizieren etwas, egal was, nur damit der Laden geschlossen bleibt“, Werner R.

Werner und sein Partner sind inzwischen umgezogen, damit sie nicht mehr in unmittelbarer Nähe der Sauna wohnen – so kann Werner wieder Besuch empfangen, während er auf das Urteil wartet. Iosif arbeitet auf dem Bau, Werner als Freelancer. Sie kommen finanziell zurecht. In ihrer Freizeit düsen sie mit ihren Motorrädern über die Insel. Für sie ist das Leben hier noch immer allen Ärger wert. „Nichts bekommt uns nach Deutschland zurück. Nichts“, bekräftigt Werner. Die Sauna fehlt ihnen trotzdem.

Hoffnung: Wird Zypern doch noch zur schwulen Insel?

Für die Stadt geht es inzwischen um mehr als nur einen Dorn im Auge der öffentlichen Sittsamkeit: „Wenn ich Recht bekomme, bin ich raus aus meiner privaten Straftat – sobald das passiert, muss die Stadt mir für Ausfallentschädigung, Anwaltskosten und Gerichtskosten 50.000-60.000€ zahlen“, erzählt Werner. Er ist sich sicher, dass die Stadt dies vermeiden will und deshalb die Entscheidung immer weiter hinauszögerte. Schließlich wandte Werner sich sogar an den Supreme Court, das Oberste Gericht in Zypern. Erst danach dürfte er Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof einreichen. Der Supreme Court reichte den Fall jedoch vorerst zurück an das Landesgericht in Larnaca – mit dem Vermerk, die Sache schnell zu entscheiden.

Die letzten Gerichtstermine gaben Werner die Hoffnung zurück. Da die Beamten sich immer weiter in Widersprüche verstrickten, ist sein Anwalt sich sicher: Bald wird die Sauna wieder öffnen können. Die Hoffnung von Werner geht weiter – so weit, dass der Kampf um mehr Toleranz auf der Insel bald Früchte tragen könnte. Werner hofft, dass den Behörden bewusst wird, dass lange, zähe Verhandlungen und Strafen der EU dem Land viele Kosten und Probleme bereiten können.

Außerdem, so Werner, habe Corona der Insel einen noch unmessbaren Schaden zugefügt. Er wünscht sich, dass die Zyprioten sich der Welt endlich etwas offener und liberaler zuwenden – entgegen der kirchlichen Auffassung. Sowohl Corona, als auch seine eigene Situation könnten positive Nachwirkungen haben – und aus der Not eine Tugend machen. Dann folgt vielleicht bald auch ein gesellschaftlicher Umschwung. Werner sieht positiv in die Zukunft:

„Um die Insel wieder als sicheres und schönes Urlaubsland zu reformieren, sind geringste positive Veränderungen von enormer Wichtigkeit für die Infrastruktur der Insel. Warum also nicht, zusammen mit Mykonos im Einklang, die queere Community herzlich willkommen heißen?“

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