#Interview • Mr Gay Germany Veranstalter: „Das ist wirkliche Männlichkeit“

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Der Sieg des trans Mannes Max Appenroth bei Mr Gay Germany (männer* berichtete) ist auch ein Erfolg des Teams hinter dem Contest. Ein Erfolg ihres 2015 entwickelten Wettbewerbskonzeptes, das auf Inhalte statt Oberfläche setzt. männer* sprach mit Patrick Dähmlow über Max und Männlichkeit.

Wie war eure erste Reaktion auf die Bewerbung von Max?

Uns ging es bei seiner Bewerbung tatsächlich so, wie fast allen tausende Menschen, die uns beim Finale zugeschaut haben, wie allen Fotografen, die die Kandidaten direkt vor der Linse hatten: es ist uns überhaupt nicht aufgefallen, dass Max eine trans Person ist. Erst beim Telefonat erzählte er, dass er Diversity-Berater ist und eben trans Aktivist. Wir haben uns total gefreut, weil wir seit 2015 – seitdem machen wir die Wahl deutschlandweit – noch keinen trans Kandidaten dabei hatten und so zeigen, dass es in der deutschen Community nicht nur weiße cis Männer gibt.

Wart ihr darauf vorbereitet, weil „Mr Gay World“ Anfang Oktober eine diesbezügliche Ergänzung der Regeln veröffentlicht hatte?

Ja, wir waren darauf vorbereitet. Das hatte allerdings nichts mit Mr Gay World zu tun. Wir hätten gerne schon in den Vorjahren einen trans Kandidaten dabei gehabt, um zu zeigen, dass wir in der Community viele Facetten haben. Wir hatten auch Bewerbungen von einigen trans Personen, bei denen sich aber im Telefonat rausgestellt hat, dass sie sich etwas anderes vorgestellt hatten – mehr in Richtung Beauty-Contest. Bei Max hat erstmalig alles für beide Seiten geklappt und wir freuen uns, dass das dann auch bei Mr Gay World jetzt ganz offiziell möglich ist.

Wie habt ihr den davor teilweise transphoben Streit um die Teilnahme von trans Männern erlebt?

Transphobe Angriffe hatten wir bei Mr Gay Germany noch nie. Was wir jedes Jahr haben, ist, dass der gewählte Mister aneckt und wir viele Meldungen bekommen, nach dem Muster ‚ich fühle mich von dem Kandidaten nicht repräsentiert’, er ist ‚zu jung‘ ‚zu alt’, ‚zu weich’ ... Und das haben wir jetzt eigentlich auch mit Max sehr stark erwartet. Tatsächlich kam bisher kein negatives Feedback. Keiner hat uns geschrieben hat, ‚ich fühle mich von einer trans Person nicht repräsentiert’.Ich verstehe die transphobe Kritik um diese Mr. Gay World Teilnahme so, dass ein Mister ein biologischer Mann sein müsse. Das ist doch Quatsch.

Die Community besteht nicht nur aus cis Männern.

Und noch mal ganz deutlich, falls jetzt jemand denkt, er hat nur gewonnen, weil er ein trans Kandidat ist und das bei Heidis Topmodel auch geklappt hat dieses Jahr: Nein. Max war nach Punkten der beste Kandidat und hatte die stärkste Kampagne. Und er ist nun mal trans. Das hat aber nichts mit seinen Leistungen beim Contest zu tun. 

In der Frauenbewegung und auch der L-Community gibt es TERFs, bei den Männern „Super Straights“ und „Super Gays“. Macht der Penis den Mann?

Ein ganz klares Nein. Max hat – genau wie viele andere trans Personen – ein harten und langen Weg hinter sich und ist jetzt seit vielen Jahren dort angekommen, wo er sein möchte, wo er sich wohlfühlt, wo er SEIN Leben leben kann. Max ist ein Mensch, der Verantwortung übernimmt für Familie, für einen liebenden Partner.

Das ist doch eigentlich viel mehr das, was einen Mann ausmacht. Verantwortung zu übernehmen.

Max will mit seiner Kampagne zusätzlich Verantwortung auch für andere übernehmen und Menschen Mut machen, die das gleiche fühlen wie er. Das ist wirkliche Männlichkeit, wenn man davon denn so sprechen möchte.

Foto: Kiko Dionisio, www.kikodionisio.com

Sichtbarkeit ist die wohl schärfste Waffe von Minderheiten gegen Vorurteile und daraus folgender Diskriminierung. Welchen Beitrag kann ein Gewinner eures Wettbewerbes diesbezüglich leisten?

Ein Mr Gay Germany findet stark in den Medien statt. Er ist in Fernsehshows eingeladen. Er tritt auf Prides auf. Er ist bei Podiumsdiskussionen dabei. Die Zeitungen schreiben über ihn. Diese Reichweite bedeutet gleichzeitig noch mehr Sichtbarkeit für die Kampagne des Gewinners. Übrigens ist das genau der Grundgedanke, warum wir den Contest so durchführen, wie wir ihn durchführen:

Ein Mr Gay Germany repräsentiert die ganz durchschnittlichen und alltäglichen Probleme, die Menschen in ganz Deutschland tagtäglich durchleben oder durchlebt haben.

Es macht mir selbst immer richtig Mut, wenn Leute die Gewinner wegen eines Zeitungsartikels oder einer Talkshow anschreiben und berichten, dass sie das genau so fühlen oder erleben und sich bedanken. Bei Max ging das schon direkt nach der Teilnahmebekanntmachung los. Max hat wahnsinnig viele Zuschriften – mit Abstand die meisten – bekommen von Menschen, die sagen ‚ich fühle das was du fühlst’, ‚ich habe das schon hinter mir’ oder ‚ich habe das noch vor mir’ oder ‚bisher wusste ich nicht’. Auch von Jugendlichen.

Sichtbarkeit ist also nicht nur die Belohnung für den Titel, sondern sie ist Teil einer erfolgreichen Bewerbungskampagne.

Wie vorhin schon gesagt: Max hat nicht gewonnen, weil er trans ist. Max hat gewonnen, weil er der beste Kandidat war mit der stärksten Kampagne.

Der Wettbewerb lebt von Sponsoren: Vereinfacht oder erschwert das Thema Geschlechtsidentität die Gespräche mit Unternehmen in Deutschland? 

Ja, unser Wettbewerb lebt von Sponsoren, meistens aus der Wirtschaft. Dieses Jahr haben wir Sponsoren aus der Reiseindustrie, aus der Eventbranche, der Lebensmittelindustrie, sogar aus der Medizin und auch aus dem akademischen Bildungsbereich. Eigentlich sagen uns alle Sponsoren das gleiche: Wir würden in den Mr Gay Germany nicht investieren, wenn es ein reiner Schönheitswettbewerb wäre. Wir finden die Message hinter dem Wettbewerb gut. Die Geschlechtsidentität haben wir schon immer mit den Sponsoren besprochen und die freuen sich riesig, dass wir dieses Jahr das Thema aufgegriffen haben, umso mehr, dass der Kandidat jetzt auch gewonnen hat. Die Unternehmen, die mit uns kooperieren, möchten zeigen, ‚wir sind offen’, ‚wir sind ein diverses Unternehmen’ und ‚wir möchten solche Projekte gerne unterstützen’.

Diversity ist allerdings auch gerade – und viel zu spät finde ich – ein Trend in der deutschen Wirtschaft.

Insofern ist es so, dass je diverser die Kandidaten jedes Jahr werden, umso fröhlicher sind unsere Sponsoren. Eine bemerkenswerte Sache noch: Unser Sponsor „Habmann AufstiegsAkademie“ hat Max gesehen und kennengelernt und hat beschlossen, seinen Beruf „Diversity Berater“ mit in ihr Programm zur Weiter- und Fortbildung aufzunehmen. Toll, oder?

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