#Kommentar • Kai Karotte in Kartoffelland oder Weihnachten in Wokeistan

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Keine Sorge, böser als die Überschrift wird's hier kaum für Redakteurin Mona Schäffer, die einen Text über die karottige Weihnachtswerbefamilie von Aldi geschrieben hat. Und dafür heftig angefeindet wird. Zurecht?

Kai Karottes heile Welt

Alles, was Schäffer in dem Beitrag „Aldi-Möhrenfamilie: Der Discounter hat eine Chance zur Integration verpasst“auf dem zur Funke Mediengruppe gehörenden Portal „wmn.“ tut, ist darauf hinzuweisen, dass sie der Ansicht ist, Aldi habe bei der Konzeption der Weihnachtswerbespots eine Chance verpasst, auch jenseits heteronormativer Rollenbilder nach einer frohen Weihnachtsbotschaft zu suchen. Schäffer tut dies aktuell ohne Wut, Empörung oder andere Social-Media-taugliche Trigger. Fast schon trocken reiht sie im aktuellen Beitrag statistische Belege dafür aneinander, dass die von Aldi gezeigte Ideal-Karottenfamilie in dieser Form eher das Gegenteil eines Abziehbildes der Realität in Kartoffel-Deutschland ist. Sie fasst zusammen: 

Das zeigt nicht, dass diese Familien mehr in der Werbung gezeigt werden sollten. Es zeigt lediglich, dass auch „andere“ Familien hier einen Platz verdient haben.

Niemand hatte die Absicht, Diskriminierung zu schrei(b)en

Originalversion doch nicht ganz so harmlos

Bei der aktuellen Version des Artikels von Mona Schäffer handelt es sich allerdings wohl um eine überarbeitete Fassung. Leider versäumte es die Redaktion von „wmn.“, diesen Umstand kenntlich zu machen. Diese Version war für Kommentatoren der dunklen Seite von #Wokeistan 2021 selbstverständlich zu viel. Der Redakteurin schlägt eine geballte Wucht von Negativität aus den besagten Meinungsverstärkermaschinen entgegen – auch aus der LGBTIQ*-Community. So schreibt ein Kommentator: 

Der Fortschritt steht unaufhaltsam vor der Tür. Aber eine heteronormative Familie als „diskriminierend“ zu bezeichnen, weil queer fehlen würde, ist mehr als lächerlich.“

Ein anderer, sich als bisexueller Teil der LGBTIQ*-Community bezeichnender Schreiber fordert Schäffer zufolge gar die Löschung des Artikels. Mit markigen Worten:

Ich, als bisexueller Mann, bitte Sie daher, Ihren Artikel runterzunehmen. Sie repräsentieren damit nicht die Ansichten der LGBTQ+ Community, sondern werfen ein schlechtes Licht auf uns. Sie belästigen Aldi mit einem falschen Diskriminierungsvorwurf, der wiederum auf die LGBTQ+ Community zurückfallen könnte.“

Interessant ist für geneigte Beobachter*innen und aufmerksame Leser*innen hierbei, dass Mona Schäffer Aldi nirgendwo im Text Diskriminierung vorwirft. Sie bedauert nur eine „verpasste Chance“, mehr Vielfalt, mehr Lebenswirklichkeit abzubilden.

Woher also dieses Missverständnis und die Zuspitzung? Die weiteren Ausführungen des sich bisexuell gerierenden Schreibers lassen Rückschlüsse zu: 

Unsere Community zielt aber nicht darauf ab, überall auf Zwang queer unterzubringen. Unsere Community zielt auf Toleranz und Akzeptanz ab. Beides wurde im Artikel kein Stück gezeigt. Das grenzt schon an Diskriminierung der Heteronormativen und ist damit genau die gegensätzliche Richtung, geht in Richtung dessen, was rechte Extremistengruppen, nämlich pseudolinke Neofaschisten, auf Twitter verbreiten.“

Pseudolinke Neofaschisten? „Nachtigal, ick hör dir trapsen“, würde meine weiße, heterormative Frau Mutter wohl ausrufen. Das Wording kennen wir doch. Und siehe da: Wie anno dazumal die Winter-Weihnachtsmärkte und die ein oder andere winter-weihnachtliche Schoko-Süßware, so hat auch der Text von Mona Schäffer längst seinen Weg in die dunkelsten Meinungsabwurfstätten unserer inzwischen eigentlich recht diskriminierungswachen Mehrheitsgesellschaft gefunden.

Foto: Screenshot „Tagesstimme“

Unter anderem das seriös aufmachende Portal „Tagesstimme“ fragt schon in der Überschrift unterstellend „Diskriminiert „Kai Karotte“ Homosexuelle?“ Diese Behauptung wird von dem nur als „Gastautor“ vermerkten Schreiberling der für AFD-Magazine und einem eigenen Portal für die Archivierung „linker Gewalt“ werbenden „Tagesstimme“ dann auch im Beitrag frech Autorin Schäffer unterstellt ... Fakenews, Hetze und Verleumdung. Ja, sie sind wieder da ...

Dennoch besinnliche Vorweihnachtszeit in Wokeistan 2021!


Update 12:57: Und sie diskriminieren doch?

Dank einer Leserin wurden wir darauf hingewiesen, dass es sich bei der aktuellen Version des Artikels von Mona Schäffer wohl um eine überarbeitete Fassung handelt. Leider versäumte es die Redaktion von „wmn.“, diesen Umstand kenntlich zu machen. Wir haben diesen Kommentar daher durch Streichungen (Beispiel) und markierte Ergänzungen (Beispiel) aktualisiert. 


Nachttrag: Viel mehr sollte eigentlich ins Auge fallen, wieviel sich Schäffer und „wmn.“ insgesamt mit dem Discounter-Riesen auseinandersetzen: www.wmn.de/tag/aldi Vielleicht erklärt sich durch dieses recht werbealgorithmusfreundliche Konstrukt aus Schlagworten und Themen ja auch zu einem Anteil der durchschlagende Erfolg des Karottenbeitrages in den braunen Ecken sozialer Netzwerke. Übermedien, übernehmen Sie doch bitte. 

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