Erste schwule Disney-Rolle mit Hetero besetzt – Problem?

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Disney hat angekündigt, dass es im 2019 erscheinenden Film „Jungle Cruise“ zum ersten Mal in einem Disney-Film eine als offen und sichtbar homosexuell angelegte Rolle geben wird. Diese Rolle wird von dem britischen Comedian Jack Whitehall verkörpert werden. Der ist allerdings heterosexuell. Wir wissen nicht so recht, ob wir uns freuen oder ärgern sollen.

Foto: By Walterlan Papetti, CC BY-SA 4.0, wikimedia.org

Bevor jemand „Die Schöne und das Biest“ (2017) anführt, in dem es ja mit LeFou ebenfalls eine schwule Rolle gab – in dem Fall wurde die Homosexualität des Charakters ja eher unterschwellig und nur sehr sehr kurz thematisiert. In „Jungle Cruise“ handelt es sich bei dem Charakter um den Bruder der Hauptrolle (die von Emily Blunt aus „Der Teufel trägt Prada“ gespielt wird) und – laut Disney – um eine wichtige Person im Film. 

Nun ist es ja zunächst einmal eine schöne Nachricht, dass es – endlich – ein explizit schwuler Charakter in einen Disney-Film schafft. Da haben wir lange drauf gewartet. Und dennoch ... 

Ist Jack Whitehall die richtige Besetzung?

Der 30-jährige britische Comedian Jack Whitehall ist im englischsprachigen Raum und vor allem in seiner Heimat Großbritannien sehr bekannt, hatte eine eigene Fernsehserie („Bad Education“) und seine eigene Fernsehshow, sowie ein eigenes Standup-Special auf Netflix. Seine Hollywood-Karriere beginnt gerade erst, so wird er zum Beispiel im diesjährigen Disney-Weihnachtsfilm „Der Nussknacker und die vier Reiche“ zu sehen sein. Whitehall ist heterosexuell, nutzt sexuelle Anspielungen aber oft in seiner Comedy, ist selbst ziemlich „camp“ und durchaus ein „Ally“ der LGBTIQ* Community, als Person also tatsächlich über Zweifel erhaben.

Die Frage ist dennoch: Hätte Disney diese eindeutig schwule Rolle nicht mit einem homosexuellen Darsteller besetzen können/sollen? Es gibt davon sicherlich genug und es ist für sie ohnehin schwierig genug, Rollen zu finden. Nicht zuletzt, weil viele Studios sich oft nicht dazu durchringen können, heterosexuelle Rollen mit schwulen Schauspielern zu besetzen. Deren Pool an verfügbaren Rollen wird nicht gerade größer, wenn auch schwule Rollen mit Heteros besetzt werden.

In der jüngeren Vergangenheit zeigten nicht zuletzt Diskussionen um die Besetzung von Trans*-Rollen mit Cis-Schauspielern (z.B. Jeffrey Tambor in „Transparent“), wie Explosiv das Thema derzeit in Hollywood ist. Jüngstes Beispiel: Die Besetzung des (lesbischen) Charakters „Batwoman“ in einer zukünftigen TV-Serie mit der (lesbischen) Schauspielerin Ruby Rose (blu berichtete) führte erst gestern dazu, dass Ruby Rose nach Anfeindungen sie sei „nicht lesbisch genug“ (!!), ihren Twitter-Account löschte.

Ist der Charakter überhaupt zeitgemäß?

Laut eigener Aussage von Jack Whitehall wird der von ihm in „Jungle Cruise“ verkörperte Charakter nicht nur offen sondern auch sehr eindeutig sichtbar schwul sein. Von Whitehouse wurden Vokabeln wie „effete“ (weibisch, verweichlicht) und „camp“ (tuckig, tuntig) verwendet. Das wiederum gibt auch zu denken – ist es wirklich zielführend und zeitgemäß, dass der erste schwule Charakter bei Disney diese althergebrachten Stereotypen perpetuiert? Klar ist „camp“ ein fester Bestandteil schwuler Kultur und soll auch hier nicht abgewertet werden, aber genau wie es auch im Jahre 2018 immer noch keine Zeitung und kein Fernsehsender schafft, über einen CSD zu berichten ohne das Wort „schrill“ zu verwenden, wäre eine etwas weniger plakative und stereotype Darstellung vielleicht wünschenswert.

Außerdem legt diese Beschreibung die Vermutung nahe, dass Whitehalls Charakter eher das Witzobjekt, der „Comic Relief“ des Films sein wird, womit wir auch wieder bei inzwischen überwunden geglaubten Stereotypen wären. 

Es ist also durchaus eine Diskussion wert: Wäre es in der Tat besser gewesen, die Rolle mit einem homosexuellen Darsteller zu besetzen? Oder ist es vielleicht sogar besser, dass ein Heterosexueller diesen tuntigen Charakter spielt? Oder hätte es diese Rolle besser gar nicht erst gegeben? Aber es ist nunmal der erste schwule Charakter in einem Disney-Film, das ist doch prinzipiell erst einmal positiv, oder? 

Einfach zu beantworten sind diese Fragen alle nicht, zumal ohne viele weitere Informationen zu dem Film zu haben. Vielleicht wird ja doch noch alles gut? 2019 wissen wir wohl mehr. Und sind gespannt. Bis dahin ist es wichtig, solche Diskussionen zumindest zu führen, auch wenn – und gerade weil – die Ansichten zu diesen Themen sicher weit gefächert sind. 


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