Grüne streiten mit Boris Palmer

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Da mag es auch noch so viel Shitstorm geben: Offizielle Beschlusslage bei den Bündnisgrünen ist die völlige Gleichstellung homosexueller mit heterosexuellen Paaren. Beim Kampf gegen Homophobie drängen auch grüne Queer-Politker auf mehr Haltung. Eine Zusammenfassung:

Bild: Martin Schreier

Der LSVD hatte in einer Pressemitteilung zu mehr Haltung gegen den gesellschaftlichen Roleback aufgerufen. Man könne diesen nicht aufhalten, „indem man Verständnis und Toleranz für homophobe Positionen erwarte." Den Kommentar des Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer zu einem umstrittenen Namensbeitrag des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (wir berichteten) bezeichnete Axel Hochrein, Sprecher des LSVD als

 „dreiste Unverschämtheit." 

Palmer vergleiche „Kritiker*innen der grenzwertigen Passage im Artikel Kretschmanns mit Jakobinern, sprich einer Terrorherrschaft, die Tausende hinrichten ließ.  Solche Parolen kenne man eher aus anderen politischen Lagern. „Statt missverständliche Zwischenrufe und überflüssige Kommentare sollten sich die Grünen in Baden-Württemberg und in ganz Deutschland weiterhin als Motor für gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung verstehen und für eine pluralistische und offene Gesellschaft eintreten. Ohne Wenn und Aber", so Hochrein. 

Foto: hajuestaudt.de

Die queerpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion in Bayern, Claudia Stamm teilte dazu mit:„Wir erleben bigotte Zeiten – auf der einen Seite haben wir viel erreicht in Sachen Gleichstellung, und auf der anderen Seite erleben wir Angriffe auf unsere weltoffene Gesellschaft durch Demonstrationen, die gegen Sexualkunde in den Schulen mobilisieren. Durch Gruppierungen, die ein rückwärtsgewandtes Verständnis vom Zusammenleben haben und gleichzeitig ein menschenverachtendes Gesellschaftsbild propagieren. Ganz im Sinne des Aufrufs des LSVD ist es gerade an uns Grünen, Haltung zu zeigen und jeglichen homophoben Strömungen entgegen zu wirken. Dafür stehe ich ein. All diejenigen, die eine emanzipatorische Grundhaltung haben, müssen zusammenstehen. Nur gemeinsam sind wir stark.“

Boris Palmer ist nicht das erste Mal queerpolitisch negativ aufgefallen. Im letzten Bundestagswahlkampf rotzte er seinen Parteikolleg*innen per Thesenpapier einen ordentlichen Klotz in die Wahlkampfmaschinerie, als er formulierte: 

„Das uneingeschränkte Adoptionsrecht für homosexuelle Paare ist vorerst keine Forderung, mit der sich 25% der Deutschen gewinnen lassen."  

Fakt bleibt aber auch, dass Palmer nicht für seine Partei spricht und ähnlich einem Thilo Sarrazin in der SPD auf weit mehrheitlichen Widerspruch aus den eigenen Reihen zählen kann.

UPDATE 14. OKTOBER

Boris Palmer bläst immer schärferer Wind aus den eigenen Reihen entgegen. In einem offenen Brief kritisieren Berliner Queergrüne ihn, auf Facebook schätzt Palmer derweil Rentenbeiträge kinderloser Homosexueller im Sinne des Umlagesystems als „nix wert" ein. Laut Magazin Männer habe Palmer die Familienpolitik in einem Chatverlauf auf reine Fortpflanzungspolitik runtergebrochen und Homosexuellen vorgeworfen, „die Weigerung, den Menschen, die Kinder großziehen, dafür Respekt zu zollen, nur weil sie fast alle heterosexuell sind," sei „eine Form der Blindheit.” Diese Form der politischen Betrachtung von Renten- und Familienpolitik kennt man sonst nur noch aus den Reihen erzkonservativer CDU-Abgeordneter und der AfD sowie der „Besorgten Eltern". 

Kein Wunder also, dass sich die Sprecher*innen der Berliner LAG Queer der Grünen in einem offenen Brief an Palmer wenden und deutliche Worte finden.

„Um es direkt zu sagen, viele Deiner Beiträge zur Debatte, Deiner Posts und Kommentare empfinden wir queere Grüne als verletzend, unangebracht und fern jedem grünen Debattenstand und Diskurs."

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