70 Jahre Menschenrechte: Zum Geburtstag alles Liebe!

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Eine Mehrheit der Deutschen gehört einer christlichen Religionsgemeinschaft an. Was das mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Liebe zu tun hat. Ein Kommentar. 

Foto: gemeinfrei / CC0

Die meisten christlichen Gemeinschaften interpretieren das neue Testament, das Jesu Leben und das seiner Jünger beschreibt so, dass der Kern des Glaubens- und Wertegerüstes auf zwei Geboten beruht:

Liebe deinen Gott und liebe deinen Nächsten. (Markus 12, 29 - 31)

Jesus sagte demnach, kein anderes Gebot sei größer als diese beiden. Er machte diese Aussagen in einem Zusammenhang der Prüfung durch übereifrige Glaubensvertreter die versuchten, durch Interpretation des alten Testaments Fallstricke für rechtschaffendes Verhalten zu legen. Frei nach dem Motto: Jeder werde schon irgendein Gebot oder Gesetz übertreten, der Mensch sei nicht in der Lage „gut“ zu sein. Nur Schriftgelehrte hätten das Wissen, den Katalog an Vorschriften in Gänze zu verstehen und Verstöße zu bennenen, zu bewerten und zu ahnden. Dem widersprach Jesus und gab seinen Nachfolgern diese universelle Werterichtschnur mit auf den Weg, an der jedes andere religiöse Gebot oder weltliche Gesetz gemessen werden kann und - dem christlichen Glauben nach - gemessen werden muss. 

30 Menschenrechte

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte besteht aus 30 Artikeln, beschlossen von den Vereinten Nationen in der Resolution 217 A (III) vom 10. Dezember 1948. Sie sind eine unverbindliche Willenserklärung der Unterzeichnerstaaten und bestehen aus zwei Abschnitten:

Die Formulierungen der 30 Artikel, zum Beispiel zu Ehe und Familie (Artikel 16) oder Diskriminierungsschutz (Artikel 2) können in ihrer Interpretation sowohl soziopolitischen als auch zeitgeistlichen Veränderungen unterliegen. So sind zum Beispiel Ehen zwischen Menschen gleichen Geschlechts 1948 wohl kaum mitgedacht worden, sehr wohl aber heute in vielen Ländern selbstverständlicher Teil der Übersetzung des in der Erklärung formulierten Ideals in die gesellschaftliche Realität. Ähnlich verhält es sich mit dem Verbot von Diskriminierung  

Diskriminierungsverbot: Queers mitgedacht 

Der analog im deutschen Grundgesetz in Artikel 3 nur wenige Monate spater (8. Mai 1949) umgesetzte Artikel 2 spricht allen Menschen das Recht auf ein diskiminierungsfreies Leben zu. 

Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse*, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.

Des Weiteren darf kein Unterschied gemacht werden auf Grund der politischen, rechtlichen oder internationalen Stellung des Landes oder Gebiets, dem eine Person angehört, gleichgültig ob dieses unabhängig ist, unter Treuhandschaft steht, keine Selbstregierung besitzt oder sonst in seiner Souveränität eingeschränkt ist.

Die Aufzählung von möglichen Diskriminierungsmerkmalen ist dabei absichtlich durch die Nutzung der Worte „etwa nach“, sowie „und sonstiger“ als nicht vollständig formuliert worden. Sie soll vielmehr die Aussage, dass jeder Mensch nicht wegen dessen was ihn als Individuum definiert, diskriminiert und benachteiligt werden darf, durch allgemein bekannte Beispiele verständlich machen.   

Genau hier kommt die einleitende Geschichte von Jesu Gebot der Nächstenliebe zum Tragen. Man könnte, wie die Schriftgelehrten aus den Evangelien die Gebote der Bibel, nur den Wortlaut des Artikels interpretieren und behaupten, da stünde nichts von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen oder Transidenten oder Queers. Man würde ihren Sinn dadurch aber ad absurdum führen. 

Alles Liebe

Eigentlich bedarf es weder der 30 Artikel der Menschenrechtserklärung, noch der 27 Bücher des neuen Testaments, um ein guter Bürger oder Gesetzgeber, Machthaber oder Arbeitgeber, Vater oder Mutter zu sein. Es reicht das naturgegebene Verständnis dafür, immer danach zu streben, durch eigenes Handeln niemandem anderes Schaden zuzufügen.

So trivial ist das mit der Nächstenliebe, mit dem familiären und gesellschaftlichen Miteinander, mit dem Recht, als Mensch einfach Mensch sein zu dürfen. 

Prolog

Ich bin mir sicher, dass es Leser*innen geben wird, die diesen Kommentar im Wortsinne zum Teufel wünschen werden. Ihnen und dem was oder denen die sie so inbrünstig und vielfach auch zu Recht kritisieren, seien zwei letzte Artikel der Menschenrechtserklärung ans Herz gelegt:

Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“ (Artikel 18)

Die Negierung dieses Rechtes und die Verunglimpfung Gläubiger jeglicher Couleur sind eine Unsitte dieser Zeit. Auch wenn organisierte Religionsgemeinschaften und religiöse Eiferer eine große Mitschuld am Leid, besonders auch queerer Menschen, tragen. 

Keine Bestimmung dieser Erklärung darf dahin ausgelegt werden, dass sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, welche die Beseitigung der in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten zum Ziel hat.

Kein Grundrecht steht über dem anderen. Alles Liebe, dann kommt auch alles Gute. Auf die nächsten 70 Jahre. 

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zum Nachlesen

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