Asylgrund Homosexualität – die Causa Leipzig

by

In der letzten Woche schockte eine Mitteilung des Queer Refugees Network Leipzig. Zwei schwulen Tunesiern wurde dort Asyl mit fast menschenverachtenden Begründungen verweigert. Wir fragten bei BAMF und dem Netzwerk nach.

Die Fälle aus Sicht des Queer Refugees Network

Ein 28-Jähriger wurde sowohl von Familienmitgliedern als auch von anderen Personen wiederholt körperlich angegriffen. Dies wurde von Seiten des BAMF als nicht substanziell beurteilt, worauf hin ein Ablehnungsbescheid erteilt wurde. Dem Geflüchteten wird darin unterstellt, seine sexuelle Identität „aus eigenem Entschluss“ diskret zu leben und es somit „nicht wichtig und identitätsprägend“ sei, seine sexuelle Orientierung offen leben zu können. Schließlich kommen sie somit zu dem Schluss: „dass der Antragsteller trotz seiner sexuellen Orientierung weiterhin ohne Verfolgung in Tunesien leben kann.“

In einem weiteren Fall war ein Geflüchteter, der seine Homosexualität offen lebte, von körperlicher und sexueller Gewalt durch die Polizei betroffen und gab an, mit gewaltvollen ärztlichen Untersuchungen zum Beweis seiner Homosexualität bedroht worden zu sein. Aus begründeter Angst vor Verfolgung hatte er dies nicht angezeigt. Trotzdem argumentiert das BAMF: „Mögliche Verfehlungen einzelner Polizisten lassen sich nicht auf die gesamten Sicherheitsbehörden des tunesischen Staates übertragen. Sein Verhalten muss sich der Antragsteller selbst zurechnen. Aus dem dem Umstand, die Mittel und Möglichkeiten im Heimatland zur Abwendung oder Ahndung krimineller sexueller Handlungen durch einen Polizisten nicht ausreichend genutzt zu haben, kann vorliegend kein Schutzanspruch abgeleitet werden.“

Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

SPD-Bundestagsfraktion fordert Aufklärung

In einer Pressemitteilung schaltete sich auch der Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange für Lesben und Schwule, Johannes Kahrs ein:

„Sollten beide Fälle zutreffend geschildert sein, läge ein Verstoß gegen geltendes Recht vor, der auf eine Opferverhöhnung hinausliefe. Sie ließen entweder auf massive Unkenntnis der BAMF-Mitarbeiter oder auf Homophobie im Amt schließen. Beides ist schwer vorstellbar. ... Verfolgung aufgrund der sexuellen Identität ist ein Asylgrund. Ohne Wenn und Aber.“

Kahrs fordert eine rasche Aufklärung.

BAMF will prüfen

Auf Anfrage von blu teilte uns das BAMF über eine Sprecherin mit, dass das BAMF mit dem Queer Refugees Network Leipzig in Kontakt stünde und bei Vorlage der Aktenzeichen die getroffenen Entscheidungen sorgfältig überprüfen und wenn nötig auch abändern wolle. Weiter:

„Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge respektiert die europäische Rechtsprechung zur Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung. In unseren Leitsätzen für das Herkunftsland Tunesien, die unseren Entscheidern vorliegen, wird auf die Situation Homosexueller in Tunesien ausführlich eingegangen."

Dort heißt es unter anderem:

Der aktuelle Stand

Gegenüber blu gab Sabrina Latz vom RosaLinde Leipzig an, dass das BAMF sich zwischenzeitlich gemeldet habe und die betreffenden Aktenzeichen der konkreten Fälle übermittelt worden seien. Das BAMF sagte eine Prüfung der Fälle zu.

Ein Zugeständnis offensichtlichen Fehlverhaltens, insbesondere auf die vom BAMF herausgegebenen Leitsätze bezogen, wurde bisher nicht eingeräumt.

Back to topbutton