Außenministerium will über 80 queere Afghanen retten

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Obwohl bei queeren Flüchtlingsorganisationen wie dem LSVD Sorge über die Nichtnennung von LGBTIQ* im „Aktionsplan Afghanistan“ von Außenministerin Annalena Baerbock herrschte, läuft die Identifizierung und Rettung bereits. DIE LINKE im Bundestag erhielt diese Information in der Antwort auf eine diesbezügliche schriftliche Anfrage.  

Foto: Russian Foreign Press Service / AFP

Die Bundesregierung will afghanischen Vorkämpfern für die Rechte sexueller Minderheiten auch ohne explizite Nennung im Aktionsplan Afghanistan“ Zuflucht gewähren. Seit dem 15. August 2021 sei bereits „mehr als 80 afghanischen LSBTI-Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern eine Aufnahmezusage erteilt“ worden, heißt es in einer Antwort des Auswärtigen Amts auf eine schriftliche Frage der Linken-Politikerin Cornelia Möhring, die am Donnerstag bekannt wurde.

Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

Weiter schreibt das Ministerium:

„Die Bundesregierung teilt die Sorge über die Situation lesbischer, schwuler, bisexueller, trans- und intergeschlechtlicher Menschen (LSBTI) in Afghanistan.{...} Mit der Machtübernahme der Taliban hat sich die Lage der Menschen, die sich als LSBTI identifizieren, nochmals verschlechtert. Dies kann besonders auch für diejenigen gelten, die sich offen und politisch für die Rechte von LSBTI einsetzen.“

LSVD-Forderung nach Gleichbehandlung für Lebenspartner*innen und Familie 

Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) begrüßte die Aufnahmezusagen. „Die Bundesregierung muss diese Menschen jetzt so schnell wie möglich nach Deutschland holen“, erklärte LSVD-Vorstandsmitglied Patrick Dörr. Er betonte zugleich, dass es schwer sei, Angehörige sexueller Minderheiten in Afghanistan zu identifizieren, „da sie ungeoutet leben, oftmals nicht zu den Ortskräften gehören oder offen in Menschenrechts-NGO arbeiten“. Umso wichtiger sei es, „die Hilfegesuche von Menschen, die sich uns gegenüber zu erkennen geben, ernst zu nehmen. Es muss alles dafür getan werden, ihre Leben zu retten.“

Gleichzeitig erinnert der LSVD an die Forderung nach einer Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare bei der Familienzusammenführung. Hier wird bisher nur die Kernfamilie berücksichtigt, definiert als Eheleute und leibliche Kinder. „Damit werden gleichgeschlechtliche Paare dafür bestraft, dass ihre Beziehungen in Afghanistan lebensgefährlich sind und nicht rechtlich anerkannt werden“, kritisierte Dörr.

„Gleichgeschlechtliche Paare, die im Herkunftsland verfolgt wurden, müssen vom Auswärtigen Amt bei der Familienzusammenführung mit Ehepaaren gleichgestellt werden.“

Patrick Dörr, LSVD-Vorstandsmitglied

Von der neuen Bundesregierung wird in Sachen Asylpolitik seitens Verbänden noch einiges erwartet. Erst vor wenigen Tagen hatte ein weiteres Gericht eine umstrittene Praxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für europarechtswidrig erklärt.

Foto: Caro Kadatz

BAMF schiebt weiterhin rechtswidrig ab

Das BAMF setzt bei asylsuchenden Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen bis heute auf das sogenannte Diskretionsgebot. In den Asylverfahren wird von Amtswegen geschätzt, ob die asylsuchende Person bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität offen oder heimlich leben wird. Auf Grundlage dieser Prognose soll die dortige Verfolgungswahrscheinlichkeit ermittelt werden. Der LSVD dazu in einer Pressemitteilung:

„Anhand solcher Vorhersagen, wie sie auch laut dem neuen BAMF-Entscheiderbrief von Dezember 2021 weiterhin möglich sein sollen, sollten bereits in der Vergangenheit LSBTI-Geflüchtete immer wieder in die schlimmsten Verfolgerstaaten wie beispielsweise Pakistan oder Iran abgeschoben werden, weil BAMF und Gerichte befanden, dass LSBTI-Geflüchtete dort ungeoutet und versteckt leben wollten oder würden. Nach dem Verwaltungsgericht Braunschweig hat mit dem Verwaltungsgericht Leipzig nun ein zweites Gericht diese gängige Praxis als rechtswidrig beurteilt.“ 

Über 70 solcher Fälle hat der LSVD alleine 2021 zur Revision beim BAMF vorgelegt. Damit diese menschenrechtswidrige und im schlimmsten Fall für die Betroffenen tödliche Praxis aufhört, fordert der LSVD ein Machtwort aus dem zuständigen Innenministerium. 

„Die neue Innenministerin Faeser (SPD) muss diesem rechtswidrigen Vorgehen im BAMF endlich einen Riegel vorschieben. {...} Bei der Beurteilung der Verfolgungswahrscheinlichkeit hat das BAMF bei queeren Geflüchteten grundsätzlich von einem offenen, geouteten Leben und nicht von einem vermuteten „Doppelleben“ auszugehen.“ 

Bereits 2013 hat der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass die zuständigen Behörden nicht erwarten dürfen, dass Asylsuchende ihre sexuelle Orientierung geheim halten oder Zurückhaltung beim Ausleben üben, um Verfolgung zu vermeiden. *AFP/ck


Kurz kommentiert

Ökonomisch flüchten

Vielleicht wird das BAMF noch vor den Verfahren der rund 80 Queers aus Afghanistan die Praxis ändern? Wenn nicht, könnte das Auswärtige Amt bei der Überführung nach Deutschland auch gleich schon ein Rückflugticket beilegen. Bürokratieabbau und so. Sarkasmus Ende. *ck

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