Skandal: Trotz Ehe kein Kassenzuschuss für Kinderwunsch von Lesben

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Gute Ehe, schlechte Ehe: Wäre sie mit einem Mann verheiratet, hätte die Klägerin wegen Fruchtbarkeitsstörungen Anspruch auf Krankenkassengeld für eine Kinderwunschbehandlung. In einer lesbischen Ehe nicht, so das Bundessozialgericht. Ein Skandal, der aber vom Gesetzgeber ausgeht.

Foto: Sputnik mir, CC BY-SA 3.0, wikimedia

Lesbische Ehepaare haben keinen Anspruch auf einen Zuschuss der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Kinderwunschbehandlung. Dies sei vom Gesetzgeber gewollt und nicht verfassungswidrig, entschied das Bundessozialgericht (BSG) am Mittwoch in Kassel. Dass im Streitfall die Klägerin hormonelle Fruchtbarkeitsstörungen habe, ändere daran nichts. (Az: B 1 KR 7/21 R) Mit ihrer Klage verlangte die Frau die Gleichbehandlung mit heterosexuell verheirateten unfruchtbaren Frauen. Diese können einen hälftigen Zuschuss zur Kinderwunschbehandlung bekommen.

Laut Gesetz dürfen „ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden”

Die Klägerin meint, dies sei diskriminierend. Lesbische Ehepaare seien automatisch auf eine Samenspende angewiesen. Es sei wohl versäumt worden, die Vorschrift anzupassen. Dem folgte das BSG nicht. Die Vorschrift sei gewollt und nicht diskriminierend. Sie schließe auch heterosexuelle Ehepaare aus, bei denen der Mann keine zur Zeugung geeigneten Samen oder die Frau keine hierfür geeigneten Eier produziert. Der Gesetzgeber habe sich bewusst für Zuschüsse nur zu einer „unterstützenden künstlichen Befruchtung” entschieden. Davon sollten Paare profitieren, die grundsätzlich zusammen Kinder bekommen können, denen dies aber wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht gelingt. Nur durch diese „krankheitsähnliche Komponente” sei auch die Zuständigkeit der Krankenkassen gerechtfertigt.

Aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie ergebe sich aber nicht die Pflicht des Gesetzgebers, jedem Ehepaar durch künstliche Befruchtung die Gründung einer Familie zu ermöglichen, betonten die Kasseler Richter. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Aus der Möglichkeit einer gleichgeschlechtlichen Ehe folge auch „nicht die Pflicht, die zeugungsbiologischen Grenzen einer solchen Ehe mit Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung auszugleichen”. 

Hoffnung auf die Ampel

Vielleicht erledigt sich die Problematik in den kommenden vier Jahren, denn sowohl Bündnis90/Grüne, als auch die FDP wollen den Zugang zu reproduktiven Behandlungen laut ihren Partei- und Wahlprogrammen grundsätzlich für alle Frauen ermöglichen. Die SPDqueer teilte zu dem Urteil aus Kassel bereits mit: 

„Die SPDqueer sieht daher den Gesetzgeber gefordert, diese überholten und diskriminierenden Regelung zu ändern. In diesem Zusammenhang weist Oliver Strotzer, Co-Vorsitzender der SPDqueer, darauf hin, „dass der Bundesvorstand der SPDqueer bereits Anfang Oktober einen entsprechenden Antrag für den Bundesparteitag der SPD eingereicht hat. Ziel unseres Antrages ist es, dass es eine bundeseinheitliche, gesetzliche Regelung hinsichtlich der Kostenübernahme für eine Kinderwunschbehandlung gibt, die gleichermaßen für hetero- als auch gleichgeschlechtliche Paare gilt. Carola Ebhardt, Co-Vorsitzende ergänzt: „Bereits heute gibt es in einzelnen Bundesländern entsprechende Regelungen. Die Unterstützung beim Kinderwunsch darf aus unserer Sicht aber nicht davon abhängen, in welchem Bundesland ein Paar lebt. Daher braucht es eine bundeseinheitliche Regelung, und für diese kämpfen wir als SPDqueer.“

So, wie das erst in dieser Woche auch Spanien gesetzlich festlegte. 

Spanien stuft Ungleichbehandlung als Diskriminierung ein

Foto: Pierre-Philippe Marcou / AFP

Spaniens Gesundheitsministerin Carolina Darias unterzeichnete am 5. November eine Verordnung, die allen Frauen – alleinstehende, lesbische, bisexuelle und trans* Frauen mit Gebärfähigkeit – den Zugang zur künstlichen Befruchtung im öffentlichen Gesundheitssystem Spaniens gewährt (männer* berichtete). Die Maßnahme war seit langem von LGBTIQ*-Rechtegruppen gefordert worden. Darias unterzeichnete die Verordnung in einer feierlichen Zeremonie im Beisein von Aktivist*innen und sagte, der Schritt ziele darauf ab, der Diskriminierung im öffentlichen Gesundheitssystem ein Ende zu setzen. „Dieser Tag“, so Darias, sei eine „Rückerstattung von Rechten – Rechte, die niemals hätten verweigert werden dürfen“. *AFP/ck


Anmerkung der Redaktion

In der ursprünglichen Version des Artikels lautete es in der Einleitung, dass auch Single-Frauen mit hormonellen Fruchtbarkeitsstörungen Anspruch auf Kassenzuschuss hätten. Dies war falsch und wurde korrigiert, 

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