Bundestag berät Gesetz gegen Hassverbrechen

Es klingt erst einmal technisch und trocken, doch das geplante Gesetz „zur Überarbeitung des Sanktionenrechts“ dürfte nach seinem Inkrafttreten direkte Auswirkung auf viele Menschen haben. Es geht unter anderem um das umstrittene System der Ersatzfreiheitsstrafe. Am Mittwoch diskutiert der Bundestag erstmals über das Vorhaben. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

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Strafzumessung bei Gewalt gegen Frauen und Homosexuelle 

Paragraf 46 des Strafgesetzbuchs regelt die „Grundsätze der Strafzumessung“. Hier heißt es unter anderem, dass bei der Entscheidung welche konkrete Strafe verhängt wird, die „Beweggründe und die Ziele des Täters“ berücksichtigt werden sollen - „besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende“. Dieser Teil soll ergänzt werden um „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Beweggründe. Es geht dabei zum einen um Gewalt gegen Frauen durch den Partner oder Ex-Partner bis hin zum sogenannten Femizid, also der Tötung der Frau vor dem Hintergrund von Besitz- und Machtfantasien des Partners oder Ex-Partners. Im Durchschnitt gibt es etwa alle drei Tage ein solches Tötungsdelikt. Als „geschlechtsspezifisch“ können auch Taten eingestuft werden, die sich gegen Trans- oder Intersexuelle richten. „Gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Beweggründe wiederum beziehen sich auf Fälle, in denen etwa Hass auf Homosexuelle oder Bisexuelle eine Rolle spielt.

Stellvertretend für alle, die darauf lange Jahre hingearbeitet hatten, macht der Sprecher für LSBTI der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, Jürgen Enders in einer Pressemitteilung noch einmal deutlich, warum diese Änderung ein Meilenstein für die Opfer von Gewalt und Hass ist: 

Foto: Sebastian Rau / photothek / bundestag.de

„Gewalttaten, Übergriffe, Anfeindungen, Diskriminierungen und Benachteiligungen gegen LGBTIQ*-Personen sind sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum leider keine Seltenheit. Die Zahl der Straftaten gegen queere Menschen ist im letzten Jahr deutlich gestiegen. Hassmotivierte Straftaten zielen nicht nur auf die Menschen als Individuen ab, sondern auch darauf, eine ganze Bevölkerungsgruppe einzuschüchtern. Das nehmen wir nicht hin und treten Hassgewalt als Staat entgegen und reformieren das Strafgesetzbuch."

Ersatzfreiheitsstrafe 

Fotos: John MacDougall Odd Andersen | AFP

Wer eine Geldstrafe nicht begleicht, kann als Ersatz in Haft genommen werden – so regelt es der Strafrechtsparagraf 43. Geldstrafen werden in Tagessätzen verhängt; dabei entspricht ein Tagessatz dem Betrag, den ein Täter oder eine Täterin rechnerisch pro Tag an Nettoeinkünften zur Verfügung hat. Bei Nichtzahlung gilt bisher, dass ein Tagessatz einem Hafttag entspricht. Dies soll nun halbiert werden: Künftig soll pro zwei verhängten Tagessätzen ein Tag Freiheitsstrafe fällig werden. Im Sommer 2022 saßen laut Bundesamt für Justiz insgesamt 4411 Menschen in Deutschland eine Ersatzfreiheitsstrafe ab, deutlich mehr als ein Jahr zuvor. Das System ist seit Langem umstritten. Kritiker sehen dadurch vor allem arme Menschen benachteiligt.  Das Bundesjustizministerium räumt ein, dass der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe „in der Regel keinen Beitrag zur Resozialisierung der Betroffenen leisten kann“. Dennoch musste sich Justizminister Marco Buschmann (FDP) zunächst gegen Widerstand von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) durchsetzen - sie befürchtete, durch die Reform könne die Zahlungsbereitschaft von zu einer Geldstrafe Verurteilten insgesamt nachlassen. Neben der geplanten Verkürzung der Haftzeiten soll die Reform auch dafür sorgen, dass die Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit gestärkt wird.


 ➡️ Die erste Lesung des Entwurfs (PDF) soll heute (15. März) ab 18 Uhr im Bundestag live übertragen werden!


Suchtkranke Straftäter 

Straftäter mit einem „Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen“, können laut Strafrechtsparagraf 64 unter bestimmten Voraussetzungen in eine Entziehungsanstalt eingewiesen werden. Buschmann will nun dafür sorgen, dass nur therapiefähige und -willige Täter in solche Kliniken eingewiesen werden. Die Anforderungen an die „Erfolgsaussicht einer Behandlung“ werde erhöht, erklärte das Ministerium.

Auflagen und Weisungen 

Gestärkt werden sollen laut dem Entwurf die sogenannten Auflagen und Weisungen im Strafverfahren, um „durch ambulante Maßnahmen positiv auf Straftäter einzuwirken“. Dabei geht es beispielsweise darum, dass eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird mit der Vorgabe, dass der Täter eine Psychotherapie macht. Laut Bundesjustizministerium zeigen aktuelle Studien, dass solche Therapien „tatsächlich rückfallreduzierende Wirkung haben“. *Christina Neuhaus/mt/AFP/ck

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